Polen erwägt Pacht deutscher Atomkraftwerke Provokante Spitze aus Warschau gegen Berlin

Von Kai Rebmann

Polens linke Oppositionspartei Lewica Razem hat in diesen Tagen ein feinsinniges Gespür für Humor bewiesen und sich mit einer provokanten Spitze in die deutsche Politik eingemischt. Mit Blick auf eine drohende Energiekrise in Europa und das sture Festhalten der Ampelkoalition am Atomausstieg meldete sich Paulina Matysiak am Rande eines Berlin-Besuchs mit einem außergewöhnlichen Vorschlag zu Wort: „Wenn die Deutschen ihre Kernenergie nicht selbst nutzen wollen, sollten sie sie verpachten.“ Die Razem-Politikerin weiß natürlich sehr wohl, dass die Verpachtung deutscher Atomkraftwerke an Polen eine Illusion bleiben wird, aber immerhin hat es diese fixe Idee inzwischen in den Europaausschuss des polnischen Parlaments geschafft.

Der polnische Energieexperte Aleksander Sniegocki räumte gegenüber der Gazeta Wyborcza zwar ein, dass es sich bei der Pacht deutscher Atomkraftwerke nur um ein „Schlagwort“ handele, letztlich gehe es dabei aber darum, die Aufmerksamkeit auf ein Problem zu lenken. Er habe Schwierigkeiten, die deutsche Politik zu verstehen und ist damit wohl nicht allein. Sniegocki stellte in der Zeitung die Frage, wie Deutschland unbeirrt an alten Beschlüssen festhalten kann, obwohl sich die Umstände geändert haben. Die Gazeta Wyborca wies außerdem darauf hin, dass in der sich abzeichnenden Situation „jedes Megawatt Gold wert“ sei.

Polnische Politiker nehmen Steilvorlage dankbar auf

Razem-Chef Adrian Zandberg forderte, dass die deutschen Atomkraftwerke „zum Wohle der Sicherheit Europas und des Klimas“ am Netz bleiben müssten und verwies damit auf die Tatsache, dass Kernenergie von der EU inzwischen als grüne Energie eingestuft wurde. Auch sein Parteifreund Maciej Konieczny nahm die „absurde Lage in Deutschland“ aufs Korn und wünscht sich von der regierenden PiS, dass diese sich mit einer offiziellen Anfrage an Berlin wendet: „Polen sollte sich bereit erklären, diese Anlagen zu übernehmen, um das Klima und die Energiesolidarität zu retten.“ Janusz Kowalski, dessen Solidarna Polska ebenfalls an der Regierung in Warschau beteiligt ist, brachte das Problem der in Berlin verantwortlichen Politiker auf den Punkt: „Sie sind unfähig, ihren Fehler einzugestehen und einen Rückzieher zu machen.“

Auch wenn die Kritik an der deutschen Energiepolitik aus Polen in reichlich Ironie und Satire verpackt wurde, sollte sie den Ampelkoalitionären um Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck (Grüne) wohl gerade deshalb zu denken geben. Polen hat selbst keine Atomkraftwerke, möchte aber bis spätestens 2033 bei Danzig einen ersten Meiler ans Netz bringen. Die Bundesregierung, die in Europa als energiepolitischer Geisterfahrer unterwegs ist, setzt dagegen alles daran, bis zum Jahresende auch die letzten drei deutschen Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland abzuschalten. Zarter Widerstand regt sich bisher lediglich bei der FDP, die sich inzwischen für eine Verlängerung bis ins Jahr 2024 ausgesprochen hat.

Droht Deutschland im Winter ein Blackout?

Schon jetzt muss Deutschland regelmäßig Strom von seinen Nachbarn zukaufen, der erstens nicht ganz billig ist und zweitens nicht selten in Atomkraftwerken produziert wird. Während Robert Habeck immer wieder betont, dass in Deutschland kein Versorgungsmangel beim Strom drohe, sondern eher beim Gas, lehnen sich Energieexperten bei dieser Frage nicht ganz so weit aus dem Fenster. Die Stromversorgung wird zwar als „relativ sicher“ eingeschätzt, jedoch sei ungewiss, ob das auch unter „weiter verschärften Bedingungen“ gelte. Deshalb plant das Wirtschaftsministerium, das deutsche Stromnetz einem weiteren Stresstest zu unterziehen. Christoph Maurer von der Beratungsgesellschaft Consentec geht bei einem „normalen Winter“ von einer zwar angespannten, aber beherrschbaren Lage aus. Thorsten Lenck von Agora Energiewende ist da etwas skeptischer und gibt zu Protokoll, „dass es im Winter in einigen Stunden knapp werden könnte.“

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Shutterstock
Text: kr

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