„Die größte homogene Gruppe unter den Impfverweigerern hat Migrationshintergrund“ In der Produktion 15 Prozent "Ungeimpfte"

Von Alexander Wallasch

Es bedarf keiner besonderen Einblicke in den Maschinenraum deutscher Unternehmen, um zu ahnen, was deutschlandweit die Einführung der 3G-Regel bedeutet. Seit dem 24. November 2021 soll in den Betrieben lückenlos überprüft werden, wer geimpft oder genesen ist und wer zwingend getestet werden muss.

Neben einem kniffligen Umgang mit datenschutzrechtlichen Erwägungen muss hier auch logistisch einiges auf die Beine gestellt werden. Große Unternehmen wie Volkswagen haben eigens eine Taskforce aufgestellt, diese Aufgabe bestmöglich zu bewerkstelligen, reitschuster.de hatte dazu ausführlich berichtet.

Volker Schmidt, dem Hauptgeschäftsführer von Niedersachsenmetall, ist jetzt der Kragen geplatzt. Sein Verband vertritt Unternehmen mit insgesamt 110.000 Beschäftigten. Gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) spricht er auf eine Weise Klartext, wie man es aus diesen Kreisen lange nicht mehr gewohnt war:

„Gerade in der Produktion gibt es einen recht hohen Anteil von Impfverweigerern. Einerseits gibt es die klassischen Corona-Leugner deutscher Staatsangehörigkeit, andererseits aber auch sehr viele Mitarbeiter mit Migrationshintergrund: Osteuropäer, vor allem Russen, türkischstämmige Bürger und Menschen aus dem arabischen Raum.“

Zwar verheddert er sich zunächst in den üblichen üblen Narrativen vom „Leugner“, aber was er sonst noch zu sagen hat, kann dem politischen-medialen Komplex dennoch nicht gefallen:

„Wir haben Stichproben gemacht. Die Zahlen zeigen uns, dass in den großen Produktionsunternehmen bis zu 15 Prozent der Belegschaft nicht geimpft sind. Und die größte homogene Gruppe unter den Impfverweigerern hat Migrationshintergrund. Ursächlich sind Sprachbarrieren, es gibt aber auch religiöse und kulturelle Vorbehalte. Die Unternehmen versuchen zwar, die Betreffenden zu überzeugen, auch mithilfe der Betriebsräte. Aber dies stellt sich als äußerst schwierig heraus. Vielfach fehlt schlichtweg die offene, politische Thematisierung. Hier geschieht entschieden zu wenig.“

Und dann kommt der Boss von Niedersachsenmetall erst richtig in Fahrt:

„Wir erhalten eine ganze Reihe von Krankmeldungen von ungeimpften Mitarbeitern. Diese Mitarbeiter haben schlicht keine Lust, sich bei den Testzentren anzustellen. In diesem Zusammenhang registrieren wir seit Ende November nochmals einen deutlichen Anstieg der Krankenstandsquote. Und es gibt viele Arbeitnehmer, die kaufen sich gefälschte Test- oder Impfzertifikate. Dies betrifft vor allem Betriebe mit Tausenden Mitarbeitern und damit verbunden einer gewissen Anonymität, schwerpunktmäßig in den Ballungszentren. Es handelt sich allerdings auch um ein Problem, das wir kaum im klassischen Mittelstand mit 100 Mitarbeitern antreffen.“

reitschuster.de fragt anschließend noch bei der AOK Niedersachsen nach, inwieweit man dort etwas sagen kann über eine Zunahme der Krankmeldungen nach Einführung von 3G in den Unternehmen. Die Antwort steht noch aus, dafür erfahren wir nach einem Missverständnis in der Fragestellung, dass die AOK selbst unter ihren Mitarbeitern eine Impfquote von 93 % vorweisen kann und man AOK intern mit Einführung der 3G-Regelung „keine auffällige Zunahme an Krankmeldungen“ im Unternehmen festgestellt hat.

Bleibt noch Volkswagen, wo reitschuster.de gleich zu Beginn der Recherchen eine Anfrage gestellt hatte. Auch aus Wolfsburg bekommen wir Antwort per E-Mail:

„Ich kann Ihnen generell zu dem Thema Krankmeldungen keine Zahlen nennen. Die Gründe für eine Krankmeldung werden zudem seitens des Arbeitnehmers nicht erfasst.“

Weiter erfahren wir, dass die Nachfrage nach Impfungen in den Impfzentren der Volkswagen Standorte gestiegen ist. Laut einer Sprecherin sehen die Zahlen dazu so aus:

„An die 90.000 verabreichte Impfungen (insgesamt). 
Über 40.000 vollständig geimpfte Kolleg*innen
. Über 11.000 verabreichte Booster-Impfungen (seit Ende November 2021).“

Offensichtlich richtig stolz ist das Unternehmen darauf, dass – so schreibt es eine Sprecherin – „die Inzidenzen in den deutschen Volkswagen Standorten unverändert unterhalb der in den jeweiligen Regionen liegen, in denen unsere Werke angesiedelt sind. Das verdanken wir vor allem dem Engagement unserer Belegschaft, die alle Maßnahmen seit dem Beginn der Pandemie diszipliniert umsetzen. Diese große Solidarität steht für uns im Fokus.“

Das erstaunt allerdings, wenn man diese Aussage mit der knackigen Auskunft von Arbeitgebervertreter Volker Schmidt vergleicht, der von 15 Prozent Ungeimpften in den produzierenden Unternehmen spricht und davon, dass die größte homogene Gruppe der Ungeimpften solche mit Migrationshintergrund wären.

Hier ist zweifellos ein Quantum Wahrhaftigkeit in die Debatte eingedrungen, schauen wir mal, wie das dem Chef von Niedersachsenmetall in den nächsten Tagen bekommt. Mutig und couragiert war es sicherlich. Aber war es auch hilfreich?

PS: Erstaunlich ist die Aussage von Volkswagen, dass Krankmeldungen nicht erfasst werden. Denn Kollegen aus den Betrieben des Autobauers berichten, dass die Krankstände der einzelnen Abteilungen sogar hoch aufgehängt werden seit Jahrzehnten. Hier werden wir noch einmal nachfragen, was dran ist und ggf. eine Antwort nachliefern.

Boris Reitschusters aktuelles Bundespressekonferenz-Video – diesmal exklusiv auf GETTR.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.

 

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August 2021 ist Alexander Wallasch im „Team Reitschuster“.

Bild: privat
Text: red

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