Gastbeitrag von Thomas Paulwitz
Wird der Genderstern Gesetz? Werden Schreibungen wie „Student*innen“ zur Regel? Darüber ist jetzt mit der Neuauflage des Rechtschreib-Dudens ein neuer Streit entbrannt. Geführt wird er innerhalb des Rechtschreibrats – in jener Regierungsorganisation also, die von den Kultusministern eingesetzt und mit der Überwachung der Rechtschreibung beauftragt wurde. Der Rat spricht Empfehlungen zum rechten Schreiben aus. Die Kultusministerkonferenz wird auf dieser Grundlage entscheiden, ob das Weglassen des Gendersterns als Fehler gilt. Sie wird entscheiden, ob künftig Schüler und Studenten schlechtere Noten bekommen können, wenn sie sich weigern, den Genderstern zu verwenden.
Als Gegenspieler im Rechtschreibrat treten die Dudenredaktion und die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) auf. Während die Berliner Dudenredaktion mit dem Erscheinen der 28. Auflage kräftig für den Genderstern wirbt, hat sich die Wiesbadener GfdS nur einen Tag später in ungewohnt deutlicher Form davon distanziert. Der Duden enthält nicht nur das süße Diminutivlein „Gendersternchen“ als neues Stichwort, sondern auch auf drei Seiten erstmals „Hinweise zum gendergerechten Sprachgebrauch“. Diese lassen nun auch den Genderstern zu. Die Antwort aus Wiesbaden kam postwendend: „Die GfdS rät ausdrücklich davon ab, das Gendersternchen und ähnlich problematische Formen zu verwenden.“
Dabei ist der Duden offenkundig dem politischen Druck der Bundesregierung gefolgt. Bereits im Mai 2018 hatte die seinerzeitige Justizministerin Katarina Barley (SPD) im Tagesspiegel gefordert, den Genderstern in den Duden aufzunehmen. Rechtschreibrätin Kathrin Kunkel-Razum, zugleich Leiterin der Duden-Redaktion, hatte daraufhin in der Arbeitsgruppe „Geschlechtergerechte Schreibung“ des Rats für deutsche Rechtschreibung kräftig für den Genderstern geworben. Jedoch konnte sie sich vorläufig nicht durchsetzen. Mit der neuen Auflage des Dudens allerdings will die Dudenredaktion nun offenbar Tatsachen schaffen, um den für 2022 geplanten Abschlußbericht des Rechtschreibrates entscheidend zu beeinflussen. Das stieß der GfdS sauer auf. Offenbar fühlt sie sich übergangen.
Geßlerhut der Genderideologie
Der Genderstern ist der Geßlerhut der Genderideologie. Wer diesen Hut grüßt, indem er sich den Stern anheftet, zeigt nicht nur, daß er sich der Idee unterwirft, neben Mann und Frau weitere willkürlich zu definierende Geschlechter sprachlich zu kennzeichnen. Er zeigt außerdem, daß er so schreibt, wie es Regierung und politische Linke auch tun, gerne sehen und vorgeben. Auf breiter Front setzen Gleichstellungsbeauftragte und Bürgermeister Hand in Hand den Genderstern in den Verwaltungen durch. Zuletzt sorgte hierbei die Stadt Stuttgart für Aufsehen.
Die Aufgabe der Sprache ist es, Menschen zu verbinden. Doch der Genderstern spaltet die Sprachgemeinschaft in zwei Lager. Auf der einen Seite stehen die Folgsamen, die sich mit der Anwendung des Gendersterns politisch korrekt verhalten. Auf der anderen Seite befinden sich Sprachfreunde, die sich auf einmal mit der Verwendung sprachlich korrekter Schreibweisen verdächtig machen, nicht regierungstreu zu sein, sondern möglicherweise homophob, rückwärtsgewandt, rechtspopulistisch. Allein schon aus diesem Grund ist die Einführung des Gendersterns abzulehnen. Er trennt ein Sprachvolk, das nach zahlreichen Umfragen in seiner Mehrheit auch gar keine Notwendigkeit darin sieht, die deutsche Sprache derart ideologisch aufzuladen.
Hinzu kommt die orthographische, grammatische und mündliche Untauglichkeit des Gendersterns, auf die auch die GfdS aufmerksam macht: Der Asterisk widerspreche dem Regelwerk, das Zeichen im Wortinneren nicht vorsehe. Außerdem entstünden grammatisch falsche Formen wie „Bauer*in“ oder „Kolleg*in“. Nicht nur Hauptwörter, sondern auch Artikel und Adjektive seien betroffen: „ein*e aufmerksame*r Teilnehmer*in“. Schließlich lasse sich der Stern nicht sprechen. Die Atempause, wie sie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer öfter zu hören ist, widerspreche den Aussprachenormen und könne zu Mißverständnissen führen: „Spieler – innen“ (und außen?).
Regierungsnähe hat sich in der Vergangenheit sowohl für die Dudenredaktion als auch für die GfdS wirtschaftlich ausgezahlt. Während der Duden in die Rechtschreibreform einbezogen wurde, was den Verkaufszahlen zugute kam, finanziert die GfdS ihre Arbeit nahezu ausschließlich aus Steuergeldern. Aufgrund dieser Abhängigkeit ist die Frage, wie lange die GfdS dem Gegenwind standhalten wird, der sich nach ihrem Einspruch sofort erhob. „Die Gesellschaft für deutsche Sprache scheint das Rad zurückdrehen zu wollen“, ätzte der regierungsnahe Bayerische Rundfunk, während von linksaußen das Neue Deutschland gegen die vermeintlich „erzkonservative“ und „deutschtümelnde“ Gesellschaft hetzte.
Daß die wenigen vernünftigen Stimmen im Rechtschreibrat obsiegen werden, darf man daher mit Fug und Recht bezweifeln. Aufschlußreich ist hier besonders die Haltung von Sabine Krome. Die Geschäftsführerin des Rechtschreibrats findet nämlich die Einführung des Gendersterns in der Verwaltung der Stadt Stuttgart „vollkommen in Ordnung“.
Gegenüber dem Deutschlandfunk erklärte sie zwar, daß der Rechtschreibrat bisher keine Empfehlung für den Genderstern ausgesprochen habe. Dieses Sternchen sei jedoch „die beste Möglichkeit, in bestimmten Textsorten Mehrgeschlechtlichkeit zum Ausdruck zu bringen.“
Somit dürfte klar sein, daß die nächste Rechtschreibreform 2022 eine Gender-Schreibreform sein wird, sofern sich keine massive Gegenwehr erhebt. Wörterbuchmachern und Sprachratgebern winkt ein neues Geschäft – auf Kosten der Sprache und der Sprachgemeinschaft.
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