Ein Gastbeitrag von Vera Lengsfeld
Das Gespenst des Reichsbürgers. Alle Mächte der bunten Ampel haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet, der Bundespräsident und der Kanzler, Innenministerin Faeser und das SEK, staatsnahe Radikale in den Medien und deutsche Polizisten.
Was sich gestern in Deutschland, Österreich und Italien von sechs Uhr morgens bis Mitternacht abgespielt hat, war eine Schmierenkomödie historischen Ausmaßes. Aus allen Kanälen, Politiker- und Journalisten-Tweets und Statements schallte es uns entgegen, dass die Republik vor einem Staatsstreich gerettet worden sei, den eine Rentner-Truppe geplant haben soll. Um den Ernst der Lage zu unterstreichen, wurden gegen 25 Verdächtige, von denen man zum Teil nur vermutete oder glauben wollte, dass sie der so genannten Reichsbürger-Szene angehören könnten, 3.000 (!) Antiterrorkräfte und Polizisten eingesetzt.
Das Ergebnis der Haussuchungen bestand in einer nicht näher bestimmten „scharfen“ Waffe, (ein Jagdgewehr aus dem Jagdschloss von Prinz Reuß?), Schreckschusspistolen, Preppervorräte und Bargeld.
Da kreißte ein Gebirge und gebar ein winziges Mäuslein.
Nur wer an den Weihnachtsmann glaubt, kann annehmen, dass 50 Senioren, von denen lediglich 19 verhaftet werden konnten, einen Umsturz gegen die 520- bis 530.000 Sicherheitskräfte, über die unsere Regierung verfügt, durchzuführen bereit gewesen sein könnten.
Aber Politik, Staatsanwaltschaft, Sicherheitskräfte und die staatstragenden Journalisten, die zum Teil schon zwei Wochen vor der „Geheimoperation“ Bescheid wussten und den todesmutigen Einsatz unserer Demokratieverteidiger von Anfang an mit Kameras begleitet haben, wollten wider besseren Wissens an die Legende glauben.
Man hätte lieber auf die Einbeziehung der Journaille verzichten sollen, denn die Bilder, die sie lieferte, waren zu entlarvend. Wer die alten Herrschaften in Handschellen sah, dem sprang förmlich ins Auge, dass die Show, die der Öffentlichkeit vorgeführt wurde, neudeutsch ein Fake war.
Das hielt Politiker nicht davon ab, sich per Twitter bis auf die Knochen zu blamieren. Linke-Vorsitzender Riexinger glaubte, „Rechtsextreme, AfD, KSK-Soldaten, #Reichsbürger, #Querdenker, bewaffnet bis zu den Zähnen, wollten mit #Terror einen #Umsturz in D herbeiführen und einen Prinzen als neues Oberhaupt einsetzen. Klingt nach einem Fantasieroman, ist aber bittere Realität seit heute Morgen. #Razzia“.
Zur Ehrenrettung der Linken muss gesagt werden, dass eine Linke, Martina Renner, Innenpolitikerin der Linken, die Informationsstrategie des Innenministeriums rund um den Einsatz gegen die angebliche Reichsbürger-Terrorgruppe scharf kritisiert hat. Wenn Sie, wie viele Medien, schon zwei Wochen vorher von dem Einsatz gewusst hat, handelte es sich nicht um den „größten Anti-Terroreinsatz unserer Geschichte“, wie die SPD tönte, sondern um die größte PR-Aktion zur Irreführung der Öffentlichkeit.
Entsprechend behauptete Nancy Faeser, unsere Innenministerin, die uns weismachen will, der Rechtsextremismus sei unser größtes Problem: “Wir wehren uns mit aller Härte gegen die Feinde der Demokratie.“
Wer diese Feinde sind, wird neuerdings vom Verfassungsschutz bestimmt, der mit der Erfindung eines neuen Beobachtungsfalls „Delegitimierung des Staates“, in der zweiten deutschen Diktatur hieß das „staatsfeindliche Hetze“, alle Regierungskritiker unter Kuratel gestellt hat. Haldenwang musste inzwischen einräumen, dass es sich nicht um eine wirkliche Gefährdung des Staates gehandelt habe, es hätte aber „Überlegungen“ gegeben.
Damit werden Gedanken und Spinnereien, die in einer wirklichen Demokratie frei sein sollten, zur Gefährdung erklärt.
Diese Strategie ist nicht neu. Erinnert sich noch jemand an das halbe Dutzend Chemnitzer, die in einer geschlossenen Chatgruppe, in die sich ein tapferer Verfassungsschützer eingeschleust hatte, über den Sturz des Staates schwadroniert haben sollen? Daraus wurde gemacht, sie hätten vorgehabt, am 3. Oktober die Regierung zu stürzen. Als sie verhaftet wurden, verfügten sie über ein Luftgewehr aus DDR-Beständen, das aber beim Schwiegervater eines der Verschwörer im Schuppen unter Verschluss lag. Die Jugendlichen bekamen die ganze „Härte des Rechtsstaates“ zu spüren, verschwanden im Gefängnis und wurden dort vergessen.
Noch nicht so lange her ist, dass eine offenbar geistig verwirrte 75-Jährige mit viel Presserummel aus Thüringen nach Karlsruhe überstellt wurde, weil der Bundesstaatsanwalt das Verfahren gegen diese gefährliche Terroristin, die Gesundheitsminister Lauterbach angeblich entführen wollte, an sich gezogen hat. Seitdem hat man von der alten Dame nichts mehr gehört.
Immerhin hat sich die Zahl der Terrorverdächtigen im aktuellen Fall auf 50 erhöht. Man fragt sich, wie diese 50 Leutchen den Umsturz bewältigen und anschließend regieren wollten. Ganz gefährlich ist offenbar die Tatsache, dass alle Mitglieder des Schattenkabinetts von Heinrich VIII. im Gegensatz zu den aktuellen Amtsinhabern über eine solide, abgeschlossene Ausbildung verfügen. Sollte auf diese perfide Weise die Ampel-Regierung delegitimiert werden? Ironie off.
Tatsache ist, dass bei den zahlreichen Haussuchungen neben der einen scharfen Waffe nur „Preppervorräte“ und Bargeld gefunden wurde.
Nun wird es für uns ganz verzwickt, denn die Regierung ruft seit langem dazu auf, Vorräte für mindestens zwei Wochen anzulegen. Sie hat zum Thema eine Broschüre herausgegeben, die man sich schicken lassen kann. Darin steht auch, dass man eine größere Menge Bargeld vorhalten soll, weil bei Stromausfällen die Geldautomaten nicht funktionieren.
Wenn Prinz Reuß einen ähnlichen Aufruf verfasst hätte, wie würde der Vorwurf lauten?
Leider hat sich gestern wieder bewahrheitet, was der amerikanische Psychologe Stanley Milgram in seien Studien herausgefunden hat, dass 80% der Menschen nicht über psychologische und moralische Ressourcen verfügen, sich einer Autorität zu widersetzen. Das zeigt sich an der Vorsicht, mit der mancher Widerspruch gegen die Aktion formuliert wurde. Wenn dieser Aufwand getrieben wurde, muss an der Gefährlichkeit der Spinnertruppe der Reichsbürger doch etwas dran sein? Dass dies nicht der Fall sein könnte, das traut sich kaum einer zu sagen. Der Kaiser ist nicht nackt, sondern zumindest in der Schamgegend noch bekleidet?
Nein, er ist ganz nackt und diese Tatsache wird nicht auf die Dauer unterdrückt werden können. Bis dahin machen die Opportunisten, die eigentlich wissen, dass dies eine Schmierenkomödie ist, mit. Hinterher werden sie sagen, sie hätten doch nicht wissen können, dass sie sich an einer PR-Aktion beteiligt haben. Wie Alexander Marguier, Chefredakteur des Cicero schrieb, hat er mehrere seiner Kollegen befragt, warum sie sich an der Aktion beteiligt hätten. Die Antwort wäre gewesen, dass man schon Zweifel gehabt hätte, aber wenn alle Medien das Gleiche berichteten, hätte man nicht ausscheren können.
So viel zur Zivilcourage, die in Deutschland pausenlos gefordert, aber selten gezeigt wird.
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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Vera Lengsfeld, geboren 1952 in Thüringen, ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages, zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Sie betreibt einen Blog, den ich sehr empfehle. Der Beitrag erschien zuerst auf Vera Lengsfelds Blog.
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