Karl Lauterbach, da bin ich mir inzwischen sicher, wird als eine der finsteren Gestalten in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen. Nicht sicher bin ich mir dagegen, wann das geschehen wird. Aber erstaunlich ist, dass seine Position inzwischen nicht mehr so sicher scheint, wie sie es noch vor Kurzen war. Auf jeden Fall musste das Kabinettsmitglied mit der maximal möglichen Narrenfreiheit jetzt auf einmal einen Rückzieher machen. Also das, was ihm bisher trotz aller Notwendigkeit dank Nibelungen-Treue von Scholz, Medien & Co. erspart blieb. Und das ist eine gute Nachricht für Deutschlands Schüler: „Die Bundesregierung will nun doch keine strengeren Corona-Regeln für Kinder und Jugendliche anordnen“, wie die „Bild“ schreibt.
Besonders hoffnungsmachend ist der folgende Satz in dem Beitrag in Deutschlands größter Boulevard-Zeitung: „Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (59, SPD) ist gescheitert.“ Leider wird diese Aussage, die in meinen Augen generelle Richtigkeit hat, dann auf einen konkreten Punkt seiner Politik beschränkt: „Er wollte Covid-19 in den ‘Pest-Paragrafen‘ (§ 34 des Infektionsschutzgesetzes) aufnehmen. Damit stünde Corona in einer Reihe mit hochgefährlichen Krankheiten wie Pest und Cholera, für die Schüler nach Ansteckung besondere Nachweise erbringen müssen.“
Nach diesen Plänen des Ministers, den Oskar Lafontaine als „Corona-Heulboje“ bezeichnete, hätten Schüler“ nach einem positiven Corona-Test nur mit einem erneuten, bestätigten Negativ-Test (also kein Selbsttest, sondern offiziell) zurück in die Schule gedurft. Besonders perfide daran: Kinder und Jugendliche wären damit deutlich schlechter gestellt gewesen als Arbeitnehmer. Denn für Arbeitsplätze gibt es keine vergleichbare Vorschrift.
Selbst eigene Genossen waren dagegen
Die Bild schreibt: „Nach massiver Kritik aus den Ländern reagiert nun der Bund – und kassiert die Pläne Lauterbachs wieder ein.“ Das klingt nicht so, als ob Lauterbach von selbst zur Vernunft gekommen wäre. Die Bildungsministerin von Schleswig-Holstein, Karin Prien (CDU) hatte Lauterbachs Pläne zuvor als „eine Katastrophe für Schülerinnen und Schüler“ bezeichnet. Selbst aus seiner eigenen Partei, der SPD, kam Kritik an den Plänen des Ministers. Bremens Senatorin für Kinder und Bildung, Sascha Karolin Aulepp, hatte laut „Bild“ erklärt: „Corona für Kinder immer noch zur todbringenden Krankheit zu erklären, zeigt, welchen Blick Karl Lauterbach auf Kinder hat. So ein Vorgehen hält gesunde Kinder massenweise von Kitas und Schulen fern.“ Das ebenfalls SPD-regierte Hamburg war ebenfalls gegen die Pläne.
Tatsächlich hat die Bundesregierung bei der Abstimmung über das geänderte Infektionsschutzgesetz am Freitag eine Protokollerklärung abgeben. Der zufolge soll Corona wieder aus der Liste der Krankheiten im § 34 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes gestrichen werden – bei der nächsten Sitzung des Bundesrats am 7. Oktober. Das ist Ampel pur: Regieren im Hin- und Her-Verfahren. Mit Murks, der dann mühsam und langatmig wieder korrigiert werden muss.
Die Schleswig-Holsteinische Ministerin Prien atmet laut „Bild“ nun auf: „Ich bin erleichtert und dankbar, dass es gelungen ist, mit einer gemeinsamen, massiven Intervention der Kultusminister und vieler Ministerpräsidenten diesen Irrweg zu stoppen. In der Endphase der Pandemie erstmals ein gesetzliches Betretungsverbot und eine Frei-Testpflicht nur für Kitas und Schulen selbst im Verdachtsfall einzuführen, entbehrt jeder Logik und Verhältnismäßigkeit. Es wäre erneut eine Regelung zulasten von Kindern und Jugendlichen und eine unvertretbare Belastung für die Familien mit Kindern gewesen.“
Deutscher Alleingang
Aber auch die CDU-Politikerin macht mit ihrer Formulierung deutlich, dass sie immer noch in der „Pandemie“ gefangen ist – während andere Regierungen und auch kritische Fachleute bei uns längst beteuern, diese sei vorüber (nicht zu reden von denjenigen, die sagen, Corona sei gar keine Pandemie gewesen und sich dabei auf die früheren Pandemie-Definitionen der WHO berufen).
Ein einzelnes Einknicken Lauterbachs macht noch keinen Sommer. Und der Fanatismus von ihm und seinen Anhängern ist noch nicht gestoppt und kann weiter böse Folgen haben. Ein Hoffnungsschimmer ist diese Schlappe für den Fanatiker im Ministersessel in meinen Augen aber dennoch.
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Bild: IMAGO / Political-Moments