Von Kai Rebmann
Vor wenigen Tagen hat reitschuster.de exklusiv über die teils dramatischen Lieferengpässe in der Palliativmedizin berichtet. Der Verdacht einer künstlichen bzw. hausgemachten Verknappung der entsprechenden Medikamente stand und steht nach wie vor im Raum. Auf diesen Artikel hin hat sich ein weiterer Insider gemeldet, dessen Schilderungen befürchten lassen, dass die Situation bei den Krebspatienten nur die Spitze des Eisbergs darstellt.
Aus einer Apotheke irgendwo in Deutschland erfahren wir: „Es ist gerade eine Katastrophe und wird heruntergespielt. Weiterhin fehlen wichtige Antibiotika und was ganz besonders heftig ist: Salbutamol Spray ist lebensnotwichtig bei akuten Asthmaanfällen. Beziehen wir jetzt aus Spanien. Dort (liegt) der Einkaufspreis bei 14 Euro – bei uns 4 Euro. Die Hersteller verdienen in Deutschland zu wenig. Das ist mit ein Grund für die Engpässe.“
Der Informant betont abschließend, dass wir mit unserem Bericht über die Lieferengpässe „einen Treffer gelandet“ hätten und bittet: „Bohren Sie bloß nach. Da ist vieles im Argen!!!“
Diesem Wunsch aus der besten Redaktion der Welt – unserer Leserschaft – haben wir natürlich sehr gerne entsprochen. Also haben wir erneut das Bundesgesundheitsministerium kontaktiert, um den Hilferuf aus der Apotheke richtig einordnen zu können. Gab es zu den Engpässen in der Palliativmedizin immerhin noch eine Antwort, wenn auch nur eine sehr halbgare, so scheint es dem Haus von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) inzwischen vollends die Sprache verschlagen zu haben.
Ministerium hüllt sich in Schweigen
Bis heute gab es zu der neuerlichen Anfrage, die vom 7. März datiert ist, keinerlei Reaktion. Wir hatten das BMG mit dem uns vorliegenden Schreiben konfrontiert und hätten gerne gewusst:
Ist es zutreffend, dass in anderen Ländern andere (gegebenenfalls höhere) Preise für ein und dasselbe Medikament bezahlt werden? Falls ja, wie ist das zu begründen?
Wie ist es aus Ihrer Sicht zu erklären, dass Lieferengpässe bei bestimmten Medikamenten – konkret: Salbutamol – ganz offensichtlich nur lokal bestehen, in diesem Fall in Deutschland, nicht aber in Spanien?
Halten Sie die Einschätzung des oben zitierten Apothekers für zutreffend, dass andere Länder – aus den genannten Gründen – für Hersteller von Medikamenten attraktiver sind und deshalb Lieferungen dorthin im Zweifelsfall bevorzugen? Falls ja, wie gedenkt das BMG hier Abhilfe zu schaffen?
Nachdem sich das Ministerium in diesem Zusammenhang offensichtlich selbst einen Maulkorb verpasst hat, galt es andere Quellen anzuzapfen, idealerweise öffentlich verfügbare. Fündig wurden wir schließlich unter anderem bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KV). Diese teilte am 22. Januar 2024 auf ihrer Homepage mit, unter anderem unter Berufung auf das uns gegenüber so schweigsame BMG, „dass die Patientenversorgung mit Salbutamol-haltigen Arzneimitteln zur pulmonalen Applikation bis Ende 2024 aufgrund von Lieferschwierigkeiten nicht vollständig gesichert ist“. Eine gleichwertige Alternative zu diesen Medikamenten gebe es nicht.
Rationierung von Salbutamol als gängige Praxis
Wie prekär die Situation offenbar ist, geht aus diesem Schreiben ebenfalls hervor. Damit „regionale und/oder individuelle Bevorratungen unterbunden werden“ können, teilt die KV weiter mit, jetzt unter Bezugnahme auf das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM):
„Es soll außerdem die kleinste Packungsgröße (N1) der Salbutamol-haltigen Arzneimittel zur pulmonalen Applikation verordnet und von den Apotheken abgegeben werden, um möglichst viele Patientinnen und Patienten zu versorgen. Mit der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker ist außerdem vereinbart, dass bei Vorliegen eines Rezeptes über größere Packungseinheiten (N2, N3) die Verordnenden auf die empfohlene Bevorzugung der kleinsten Packungsgröße hingewiesen werden. Notwendigenfalls ist unter Berücksichtigung der lokalen Verfügbarkeit der entsprechenden Arzneimittel auch die Abgabe der Packungsgröße N1 durch die Entnahme von Teilmengen in Erwägung zu ziehen.“
Vor allem den letzten Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Im Klartext steht da, dass größere Packungen im Zweifelsfall angebrochen und daraus Teilmengen entnommen werden sollen, die der Einheit N1 entsprechen.
Und der Beipackzettel? Muss der dann kopiert werden oder sollen sich die Patienten handschriftliche Notizen zur Dosierung und Anwendung ihres Medikaments machen? Wer übernimmt die Verantwortung, wenn es in einem solchen Fall infolge falscher Handhabung zu mehr oder weniger schweren Komplikationen kommt?
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