Die Bücher des Psychiaters Hans-Joachim Maaz habe ich immer verschlungen. Seine Beststeller wie „Gefühlsstau“ und „Die narzisstische Gesellschaft“ haben sehr geholfen, mein eigenes Land besser zu verstehen. Umso mehr freue ich mich, Ihnen heute einen Vorabdruck aus seinem neuen Buch zum Thema Corona präsentieren zu können, das er gemeinsam mit Dietmar Czycholl und Aaron B. Czycholl geschrieben hat: „Corona – Angst. Was mit unserer Psyche geschieht.“ In den großen Medien wird das Buch totgeschwiegen. Das ist bedauerlich. Warum wird nicht wenigstens über die Inhalte diskutiert? Woher kommt diese Angst vor dem Diskurs? Vor anderen Perspektiven? Vor dem Hinterfragen der eigenen Ansichten? Diese Fragen habe ich auch in einem Interview mit Hans-Joachim Maaz aufgeworfen, das ich in Kürze veröffentlichen werde – und das ich Ihnen sehr ans Herz lege. Aber hier erst mal die Auszüge aus dem Buch:
Was Sie in diesem Buch erwartet
Psychologie, Psychoanalyse und Psychiatrie sollen dazu beitragen, dass wir das, was in unserem Leben geschieht, besser verstehen. In diesem Buch finden Sie Erklärungsansätze für das Phänomen Corona-Krise und dessen Begleiterscheinungen. Es geht also darum, besser zu verstehen, was eigentlich passiert ist und was noch passiert, und darum, Zusammenhänge herzustellen und Hintergrundfaktoren zu erhellen, denn solange diese nicht bekannt sind, wirken sie umso drastischer.
Hans-Joachim Maaz beschäftigt sich mit der Bedrohungslage, wie sie durch die ausgerufene Corona-Pandemie entstanden ist. Bei den weitverbreiteten Ängsten differenziert er zwischen einer Realangst, einer politisch-medial geschürten Ängstigung und aktivierten individuellen Ängsten des persönlichen Lebens. Maaz sieht die Gefahr, dass Ängste verschiedenster Ursachen allein auf das Virus projiziert werden. Er beschreibt und erklärt die verheerenden Folgen der Corona-Maßnahmen für die individuelle Gesundheit und für das soziale Zusammenleben sowie die Gefahr eines neuen gesellschaftlichen Autoritarismus.
Dietmar Czycholl beschreibt psychologisch auffällige Erscheinungen der Corona-Krise. Ausgehend von den Symptomen »Regression« und »Angst« beantwortet er die Frage: Mit welcher Art von Störung haben wir es zu tun – auf individueller, kollektiver und gesamtgesellschaftlicher Ebene?
Der Kommunikationspsychologe Aaron Czycholl erklärt, wie Masken- und Abstandszwang auf uns wirken. Er betont die für den Menschen existenzielle Bedeutung von Kommunikation und den besonderen Stellenwert der Körpersprache. Eindrucksvoll schildert er die Folgen der Einschränkungen wesentlicher Formen des menschlichen Austauschs und Miteinanders.
Krieg gegen das Virus
(aus: Hans-Joachim Maaz: Pandemie – Panikdemie – Plandemie, in: Corona – Angst, S. 22–24).
Der »Krieg« gegen ein Virus ist nicht wirklich zu gewinnen; der »Feind« kann nicht vollkommen vernichtet werden. Wir müssen lernen, mit der Bedrohung zu leben – wie schon immer seit Menschengedenken. Bezogen auf Sars-Cov-2 sind Infektionen und Erkrankungen unvermeidbar. Eine angemessene Prophylaxe und Therapie sind natürlich erstrebenswert. Aber die Kriegserklärung gegen ein Virus hat zu Maßnahmen geführt, die zu einem Krieg der Regierenden gegen die Bevölkerung pervertiert sind. In dem Moment, in dem die Pandemie zu einer Panikdemie verwandelt wurde, entsteht eine nahezu perfide Situation, in der die Zerstörung sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Verhältnisse von den betroffenen Kriegsopfern selbst vollzogen werden muss. Und Kriegsgegner werden wie bei allen Kriegen verfolgt und bestraft. Vom »Covidiot« zum »Gefährder« und »Bedroher« und schließlich zum »Deserteur« ist es nur ein kurzer Weg.
Wenn die Kriegserklärung einer Plandemie folgt, sind alle friedliebenden Menschen, voran die Friedensbewegten, herausgefordert, einen Waffenstillstand zu fordern und zu erzwingen – im Sinne von: Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin!
Was heißt das bei einer Virusgefahr? Ein Vernichtungsfeldzug ist irreal und erzeugt wesentlich mehr »Kollateralschäden « als virale Kriegsfolgen. Waffenstillstand heißt: Wir müssen die Gefahr als unvermeidbar akzeptieren und damit auch Erkrankung und Tod, so wie wir auch den verantwortlichen Umgang mit HIV gelernt haben. In Frieden mit dem Virus zu leben heißt: sich gut und umfassend zu informieren und sich nicht nur informieren zu lassen, Schutzmaßnahmen in eigener Verantwortung zu prüfen, anzunehmen oder abzulehnen, das Erreichen einer Herdenimmunität als besten kollektiven Schutz zu befördern und die Verhältnismäßigkeit von Hilfen für sich selbst zu entscheiden und für die Gemeinschaft im demokratischen Diskurs zu klären. Es heißt nicht, Anordnungen unhinterfragt zu befolgen. Wir verbleiben in einem unendlichen Kriegszustand, wenn wir vor einer nie endenden Infektionsgefahr nur angstvoll auf der Flucht sind oder glauben, siegen zu können. Dann droht die Gefahr, dass ein politisch-ökonomischer Plan, die Pandemie und eine Panikdemie nutzend, vollzogen werden kann – ohne eine demokratische Legitimierung.
Indem eine Infektionsangst aufrechterhalten wird, können demokratische Verhältnisse zunehmend in autoritäre Anordnungen verwandelt werden. Wer Demokratie erhalten will, der muss akzeptieren, dass man sich anstecken, dass man erkranken und sterben kann. Keine Regierung dieser Welt und keine Maßnahme können das verhindern. Erst auf der Grundlage einer realitätsgerechten Klarheit können auch – nicht mehr Angst getriggert – vernünftige und verhältnismäßige Schutz und Behandlungsmaßnahmen getroffen werden. Das ist in erster Linie eine Frage der Selbstverantwortung und der Qualität medizinischer Versorgung.
Symptomatische Maßnahmen (AHA-Regel) sind begrenzt hilfreich, sollten aber auf keinen Fall vordergründig Gegenstand ablenkenden konfliktreichen Streites sein, wie es in zahlreichen Talkshows und Berichten zu beobachten ist. Damit wird der Blick auf komplex-systemische Ursachen verhindert und von den Veränderungen in den globalen politischen und wirtschaftlichen Machtverhältnissen abgelenkt. Wir müssen stattdessen Erkenntnisse über eine gestörte Lebensweise und normopathische Gesellschaftsverhältnisse gewinnen und diskutieren, wie Ernährung, soziale Sicherheit, mitmenschliche Bezogenheit wesentlich verbessert werden können. Wir müssen auch die Zusammenhänge begreifen, durch die unser Immunsystem geschädigt wird und wie es verbessert werden kann. Brauchen wir autoritäre Maßnahmen, um zugunsten einer Herrschaftselite zu überleben oder ringen wir um eine beziehungskulturell verankerte und nicht narzisstisch geprägte Demokratie, um besser miteinander leben zu können?
Krieg belastet und zerstört schließlich alle und alles. Symptomatischer Kampf lenkt ab von notwendiger systemischer Erkenntnis, Verantwortung und Veränderung. Angst schaltet Vernunft aus und fördert Abhängigkeit und führt zum Verlust demokratischer Freiheiten.
Im Mittelpunkt aller Bemühungen um Infektionsschutz sollte unser Immunsystem stehen: nicht nur körperlich-medizinisch, sondern auch seelisch-sozial – was zusammengehört. Und für unser seelisch-soziales Immunsystem, das wir in der Psychotherapie Resilienz nennen, brauchen wir Frieden: zuerst mit uns selbst, um dann auch mit anderen friedfertig zusammenleben zu können. Im Verständnis für unsere eigenen Bedürfnisse und Schwächen entwickeln wir Empathie für andere. Und mit einer guten Selbstakzeptanz werden wir wehrhaft gegen jede Form äußerer Bedrohung.
Der Verlag hat sich freundlicherweise bereit erklärt, zehn Bücher zu verlosen. Um an der Verlosung teilzunehmen, tragen Sie sich bitte in die Kommentare ein. Fünf Bücher gehen an die Kommentare mit den meisten „Likes“, fünf werden verlost.
Hans-Joachim Maaz/Dietmar Czycholl/Aaron B. Czycholl: Corona – Angst. Was mit unserer Psyche geschieht.
Berlin: Frank & Timme 2021. 192 Seiten. ISBN 978-3-7329-0723-6. EUR 16,90
Bild: diy13/Shutterstock
Text: br
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