Gunnar Schupelius ist ein optimistischer und freundlicher Mensch. Ich habe ihn in gemeinsamen Zeiten beim Focus – wo er als Leiter des Berliner Büros ein kurzes Gastspiel gab – als angenehmen Kollegen schätzen und kennen gelernt. Er ist einer der Journalisten, die kein Blatt vor den Mund nehmen, und gegen den Zeitgeist anschreiben.
In der Nacht zum Dienstag brannte sein Auto ab. Es war offenbar ein Brandanschlag, hinter dem die linksextreme Szene steckt. Das zumindest geht aus einem Bekennerschreiben hervor, das auf der Internet-Plattform „Indymedia“ veröffentlicht wurde.
Dort heißt es, Schupelius sei zum Ziel geworden, weil er „als Stichwortgeber von Rassist*innen, Rechten und von Reaktionären auf allen Feldern“ diene. In dem Text wird Schupelius unter anderem als „spießiger Springerschmierfink“ beschimpft, dessen Platz zwischen Werte-Union, Kirchengruppe und der AfD sei. Als Vermittler zwischen gebildeter, rechts-konservativer Avantgarde und gemeinem Stammtischpublikum würden seine „Propagandatexte“ die öffentliche Meinung weiter in Richtung christlich, patriarchaler Gesellschaftsordnung treiben. Seine christliche Wertvorstellung mute päpstlicher als der Papst an.
Der Wagen des Kollegen brannte völlig aus. Es ist bereits der zweiten Anschlag – schon 2014 hatten mutmaßlich linksextreme Täter sein Auto in Brand gesetzt. Als mitfühlendem Menschen geht einem jeder Anschlag nahe. Wenn der Angriff allerdings jemanden trifft, den man persönlich kennt, ist man noch bestürzter. Und noch mehr, wenn das Opfer nichts anderes gemacht hat, als das, was man selbst – und viele andere Kollegen – auch ständig tut: Gegen den quasiamtlichen linksgrünen Zeitgeist anschreiben. Unweigerlich stellt man sich sofort die Frage: Droht dir selbst auch etwas? Und man versucht sofort, diese Frage zu verdrängen.
Ich habe 16 Jahre in Russland gearbeitet als Leiter des Focus-Büros und dort Schlimmes erlebt, von Morddrohungen über eine Festnahme bis hin zu Prügel und Anfahren durch die Polizei. Mehrere Kollegen und Freund von mir wurden umgebracht. Ich weiß, wie sehr die Angst an einem nagen kann. Und wie lange man braucht, um sich ein halbwegs dickes Fell zuzulegen. Ein ganz dickes Fell wäre nur um den Preis der Abstumpfung möglich. Das will ich nicht.
Aber Schweigen ist auch keine Alternative. Journalismus, der diesen Namen verdienen will, muss sich immer kritisch mit den Verhältnissen im Land auseinandersetzen, mit der Mehrheitsmeinung, mit den Regierenden. Das ist einer der Grundpfeiler der Demokratie. Wenn das nicht mehr möglich ist, ohne dass man Angst haben muss, läuft etwas völlig falsch im Lande.
Verantwortung dafür haben auch diejenigen, die in Sonntagsreden ständig gegen Hass und für Toleranz predigen – aber selbst genau diesen Hass und Intoleranz schüren gegen Menschen, die anderer Meinung sind. Wer solche mehr oder weniger offen als „Nazis“ oder „Rassisten“ beschimpft oder solche Diffamierung befördert oder toleriert, wer Menschen mit anderer Meinung öffentlich für „entmenschlicht“ erklärt, wie ein bekannter Pianist, der nach Ansichten musikaffiner Kritiker mehr dafür als für sein musikalisches Können gefeiert wird, der zündelt mit. Manche Solidaritätsbekundung für Schupelius hört sich deshalb für mich scheinheilig an. Wer sich heute wohlfeil zu Wort meldet und morgen wieder Menschen mit anderer Meinung ausgrenzt, ist ein Heuchler. Und ein Totengräber der Demokratie.
Deren größte Errungenschaft ist, dass jedermann seine Meinung äußern kann, ohne deswegen Angst haben zu müssen. In diesem Sinne, so sagte mir gerade der frühere russische Vize-Regierungschef Alfred Koch in einem Interview, das bald hier auf meiner Seite zu lesen sein wird, sei Deutschland keine Demokratie mehr. Ein harsches Urteil. Ja ein vernichtendes. Aber eines, das man nicht so leicht von der Hand weisen kann. Und Belege dafür werden all jene liefern, die Koch für sein Urteil heftig angreifen werden.
David gegen Goliath
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