Böse Zungen behaupten, der Deutsche Ethikrat sei in seiner aktuellen Zusammensetzung vor allem dazu da, der Politik der Bundesregierung ein Ethik-Gütesigel zu verleihen – um jeden Preis. Tatsächlich fiel vor allem in der Corona-Zeit auf, dass oft kein Blatt Papier zwischen die Regierenden und den Rat passte. Insbesondere dessen Vorsitzender Alena Buyx werfen die Kritiker eine fast schon unanständige Nähe zur Regierung vor.
Einem der Kritikpunkte, die laut wurden, kann sich nun auch der Rat selbst nicht mehr verschließen: Dass er die Nöte, in die Jugendliche und junge Erwachsene durch die Corona-Politik gestürzt wurden, weitgehend links liegen ließ. „Das Gremium hat sich am Montag dazu bequemt, sogenannte Ad-hoc-Empfehlungen vorzulegen, in denen die psychischen Belastungen junger Menschen während der Pandemie herausgestellt werden. Endlich, muss man dazu sagen“, schreibt die „Berliner Zeitung“. Die Diskrepanz war derart krass, dass selbst ein sonst eher braves Blatt nicht mehr umhinkam, hier derart hart zu formulieren.
Im April hatte der Ethikrat eine lange Bewertung der Corona-Maßnahmen auf hunderten Seiten vorgestellt. Der Titel: „Ethische Kriterien für Entscheidungen in einer Pandemie.“ Den Jugendlichen sind in dem ellenlangen Opus gerade einmal ein paar Zeilen gewidmet. Mehr nicht. Da steht lapidar, ihre sozialen Beziehungen seien massiv beeinträchtigt worden. Und sie seien in wichtigen Phasen ihrer Entwicklungsfähigkeit ausgebremst worden. Und damit war das Leid von Hunderttausenden abgehakt für den Ethikrat.
„Dabei war spätestens Anfang 2022 klar, dass Kinder und Jugendliche nicht einfach nur Pech gehabt haben, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Sie sind vielmehr die großen Verlierer der Pandemie“, so die „Berliner Zeitung“. Auch sie gibt nun zu, dass das Virus „viel weniger schädlich“ für sie war „als die Kontaktbeschränkungen, der Schulverzicht – und das permanente Pochen auf ihre Solidarität gegenüber den Großeltern, denen sie andernfalls den Tod bringen würden.“ Genau diese Horrorwarnung, deren Absurdität heute besonders ins Auge sticht, stand 2020 in einem Strategiepapier des Bundesinnenministeriums, das damals noch Horst Seehofer (CSU) leitete.
Jetzt, mehr als zwei Jahre später, kommt der Ethikrat auf einmal auf die Idee zur Selbstkritik – wo die Corona-Zeit (für alle außer Lauterbach und seine Getreuen) zu Ende und das Kind bzw. die Jugendlichen längst in den Brunnen gefallen sind. „Zu spät und auch zu wenig zu den speziellen Nöten der Jugendlichen kam in all der Zeit auch vom Ethikrat. Das räumte dessen Vorsitzende Alena Buyx selbstkritisch ein“, schreibt die Berliner Zeitung. „Eine Entschuldigung wies sie jedoch kategorisch zurück. Die sei nur fällig, wenn man auch schuldig geworden sei. Da hat er Glück, der Ethikrat, dass er keine Verantwortung für politisches Handeln hat. Man will jetzt aber darüber nachdenken, wie man besser werden kann, so Buyx am Montag. Das kann man ja nur begrüßen.“
Anders als die Kollegen von der „Berliner Zeitung“ finde ich nicht, dass es hier etwas zu begrüßen gibt. Dass sich ausgerechnet der Ethikrat mit einem Hütchenspieler-Trick aus der Verantwortung stehlen will, ist absurd. Natürlich hat der Rat indirekt Verantwortung für politisches Handeln – das abzustreiten ist schlicht dreist. Genau diese Verantwortung in Form von Beratung und dem Definieren von moralischen Maßstäben ist ja seine originäre Aufgabe.
Dass ausgerechnet der Ethikrat hier die Ethik mit Füßen tritt und sich aus seiner Verantwortung stiehlt in der Manier eines Haarspalters, wäre zum Lachen – wenn es nicht so traurig wäre. Und die Folgen für unser Land und vor allem die Jüngeren nicht so dramatisch. Wer so einen Ethikrat hat, braucht keinerlei Rücksicht mehr auf Ethik zu nehmen.
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