Von Kai Rebmann
Sowohl in Deutschland als auch auf internationaler Ebene nehmen die Fälle von Geschlechtsdysphorie unter Kindern und Jugendlichen in einem erschreckenden Ausmaß zu. Eine wissenschaftlich fundierte Erklärung für dieses „Zeitgeistphänomen“, wie Dr. Alexander Korte diese Entwicklung jüngst in einem taz-Interview bezeichnete, gibt es offenbar nicht. Der renommierte Jugendpsychiater von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) weist jedoch darauf hin, dass neuerdings vor allem Mädchen unter dieser Identitätsstörung leiden. 85 Prozent der „trans Identifizierten“ seien biologische Mädchen, in Schweden habe die Häufigkeit der Diagnose „Geschlechtsdysphorie“ bei 13- bis 17-jährigen Mädchen im Zeitraum von 2008 bis 2018 um 1.500 Prozent zugenommen. Allein diese Zahlen legen nahe, dass die Ursachen wohl eher im nicht-medizinischen Bereich zu suchen sind.
Dr. Korte ist ein erklärter Gegner von Hormontherapien, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Diese Einstellung basiert nicht zuletzt auf einer Studie, die der Jugendpsychiater zusammen mit dem Psychotherapeuten und Sexualwissenschaftler Prof. Dr. Klaus M. Beier sowie dem Sexualtherapeuten Dr. Hartmut Brosinski durchgeführt hat. Die Autoren stellten bei der Studie die Frage: „Behandlung von Geschlechtsidentitätsstörungen (Geschlechtsdysphorie) im Kindes- und Jugendalter: Ausgangsoffene psychotherapeutische Begleitung oder frühzeitige Festlegung und Weichenstellung durch Einleitung einer hormonellen Therapie?“ Im Rahmen ihrer Untersuchung gelangten die interdisziplinären Experten zu folgendem Schluss: „Es gilt als gesichert, dass nur eine Minderheit von Kindern mit Geschlechtsdysphorie im Erwachsenenalter das Vollbild einer (dann transsexuellen) Geschlechtsidentitätsstörung entwickelt. Dies legt einen altersdifferenzierten, ausgangsoffenen Behandlungsansatz nahe, der bei jüngeren Kindern vorrangig auf die Stärkung des Zugehörigkeitsgefühls im Geburtsgeschlecht abzielt und der in allen Altersstufen grundsätzlich auch andere Entwicklungsaufgaben jenseits der Geschlechtsidentitätsproblematik in den Blick nimmt und mögliche komorbide psychiatrische Störungen berücksichtigt […] Die Einleitung von entwicklungs- oder körperverändernden Hormontherapien sollte indes nicht vor Abschluss der somato- und psychosexuellen Entwicklung erfolgen.“
Allgemeine Studienlage noch sehr dünn
Da es sich bei der Geschlechtsdysphorie um ein recht neuartiges „Zeitgeistphänomen“ handelt, das wohl nicht zuletzt durch die immer weiter fortschreitende Verbreitung der Genderideologie befeuert wird, fehlen insbesondere aktuelle Langzeitstudien zu den psychischen und physischen Folgen von Geschlechtsumwandlungen im Kindes- und Jugendalter. Das Institut für Ehe und Familie (IEF) bezeichnet diese Studie aus den Niederlanden als bisher „größte und längste der überprüften Studien“. Die Studie wurde unter der Leitung von Henk Asschman durchgeführt und untersuchte die Sterblichkeitsrate unter Menschen, bei denen eine Geschlechtsumwandlung durchgeführt wurde. Demnach seien bei biologischen Frauen, die sich zu Männern umwandeln ließen, keine signifikanten Auffälligkeiten festzustellen gewesen. Im umgekehrten Fall zeigte sich jedoch ein anderes Bild. Das IEF schreibt hierzu: „Bei der Gruppe von Männern, die sich zu Frauen umwandeln lassen und die mit einem Anteil von 72,6 Prozent der Gesamtgruppe die deutlich größere war, zeigt sich eine um 51 Prozent erhöhte Sterblichkeitsrate im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung. Neben unbekannten Gründen konnten insbesondere Selbstmord, AIDS, kardiovaskuläre Erkrankungen und Drogenmissbrauch als Todesursachen in dieser Gruppe ermittelt werden.“
In dieser Studie aus Schweden unter der Leitung von Cecilia Dhejne wurden die Folgen von Geschlechtsumwandlungen über einen Zeitraum von 30 Jahren hinweg untersucht. Auch hier konnte festgestellt werden, „dass Personen nach einer geschlechtsumwandelnden Operation 7,6-mal häufiger Selbstmordversuche begehen als eine Kontrollgruppe. Diese Versuche enden 19-mal häufiger tödlich.“ In zahlreichen Studien zu diesem Thema taucht der Begriff vom sogenannten „Honeymoon Effect“ auf, so etwa in dieser Studie aus dem Jahr 2016. Nach einer anfänglichen Steigerung der Lebensqualität stellten die Autoren bei den Teilnehmern nach etwa drei Jahren ein immer weiteres Absinken der „Zufriedenheit in allen Aspekten“ fest.
Fragwürdige Studie aus Schweden musste zurückgezogen werden
Befürworter einer möglichst frühen und möglichst weitreichenden „Behandlung“ von Geschlechtsdysphorie mittels operativer oder hormoneller Eingriffe verwiesen zuletzt gerne auf eine im Oktober 2019 veröffentlichte Studie. Diese Untersuchung habe gezeigt, so die Behauptung der LGBTQXYZ-Community, dass bei Geschlechtsumwandlungen operative Eingriffe einer hormonellen Behandlung vorzuziehen seien. Die Frage nach einer „konservativen“ Behandlung in Form einer Psychotherapie wurde dabei offenbar schon gar nicht mehr gestellt. Das Fachmagazin The American Journal of Psychiatry veröffentlichte die Studie schließlich und der Jubel unter den Genderideologen kannte keine Grenzen mehr. Dumm nur, dass es der Verlag selbst war, der kurz darauf gravierende handwerkliche Mängel an der Studie einräumen musste. Die Richtigstellung des Verlags gibt das IEF wie folgt wieder: „Demnach könne keine Empfehlung mehr dahingehend abgegeben werden, dass geschlechtsangleichende Operationen zu unterstützen seien. Die Studie ließe nämlich schlichtweg nicht den Schluss zu, dass derartige Operationen tatsächlich zu weniger Bedarf an psychologischen Behandlungen führe. Es konnte also weder für gegengeschlechtliche Hormontherapien noch für geschlechtsumwandelnde Operationen ein positiver Effekt auf die psychische Gesundheit von Transgenderpersonen festgestellt werden.“
Welche katastrophalen Auswirkungen das „Zeitgeistphänomen“ der Geschlechtsdysphorie für die unmittelbar Betroffenen, aber auch für die Gesellschaft als Ganzes haben wird, werden wir wohl erst in einigen Jahren erfahren. Schon die flüchtige Eingabe der entsprechenden Stichwörter bei einer bekannten Suchmaschine liefert ernüchternde Erfahrungsberichte. Erst in diesen Tagen berichtete auch die Bild über die 29-jährige Sabeth, die sich in der irrigen Annahme, sie sei transsexuell, einer irreversiblen Geschlechtsumwandlung unterzogen hat. Ihr Wunsch, ein Junge zu werden, hätte ihr Leben fast zerstört und „nach der Operation begann für sie die Hölle“, wie die Bild in der Einleitung des leider hinter der Bezahlschranke versteckten Artikels schreibt.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: ShutterstockText: kr
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