Die Zeugen Coronas Wie der Kampf gegen das Virus unsere Gesellschaft zerreißt

Lange habe ich mir überlegt, ob ich diese Überschrift so stehen lassen kann. Weil sie zuspitzt. Eigentlich unerträglich zuspitzt. In einer Zeit, in der die Verhältnisse in unserer Gesellschaft schon über das Maß des Erträglichen zugespitzt sind. Ich habe mich entschlossen, die Überschrift so stehen zu lassen. Um anhand der Reaktionen zu veranschaulichen, wie weit uns das Thema aufrüttelt. Ich möchte das auch jedem Einzelnen von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, direkt vor Augen führen – anhand der eigenen Reaktion auf die Überschrift.

„Die Zeugen Coronas“ – damit möchte ich deutlich machen, wie sehr bei vielen das Thema Corona inzwischen fast schon religiösen Charakter hat. Und entsprechende Reaktionen hervorruft. Kritik an den Maßnahmen wird dabei mit einer Empfindsamkeit aufgenommen, die man in früheren, religiösen Epochen nur von Gotteslästerungen kennt. Andere wiederum fassen den Hinweis darauf, dass das Virus gefährlich ist, als absurden Irrglauben auf. Es herrscht in Teilen der Gesellschaft eine Atmosphäre wie zu Zeiten der Religionskriege. Viel zu vielen ist jegliches Maß, jegliche Differenzierung abhandengekommen. Ich erlebe das gerade immer wieder selbst. Durch völlig haltlose Beschimpfungen gegen mich. Auch von Freunden.

Dass selbst ein kritisches Hinterfragen staatlicher Maßnahmen oder vorherrschender Meinungen wilde Aggression auslösen kann, kennt man eigentlich nur aus totalitären Gesellschaften oder aus solchen, die sich im Kriegszustand befinden. Eine trotzige Wagenburg-Mentalität löst das Primat des Verstandes und der Vernunft ab. Führt zurück in eine Atmosphäre, wie es sie vor der Aufklärung gab. Bisher kannte ich solche Zustände nur aus Geschichtsbüchern. Inzwischen habe ich das Gefühl, sie in Ansätzen live mitzuerleben. Und das lässt mich erschaudern.

Fast täglich bekomme ich Briefe von Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen können, und behandelt werden wie Aussätzige. Heute schrieb mir ein Bekannter, der, obwohl schon im Rentenalter, noch als Arzt arbeitet: „Bin gerade auf dem Weg in die Klinik /Praxis. Mit der U- und S-Bahn nach München. Ohne Maske. Und immer feindlichen Blicken ausgesetzt. Überall selbsternannte Hygiene-Polizei. Muss mir Beschimpfungen, Gewaltandrohung gefallen lassen… Man fotografiert mich mit dem Handy und holt die Polizei…. unter dem Beifall der Mitfahrenden… Einkaufen ist in unserer Gegend nur noch in einem Geschäft möglich… in den anderen Geschäften habe ich Hausverbot… Die Ursache kann nicht nur das Virus sein.“

Die Liste solcher Zuschriften könnte ich schier endlos fortsetzen. Auch die von Angriffen auf mich. Teilweise von denselben Leuten, die mich im März noch auslachten oder als Verschwörungstheoretiker diffamierten, weil ich damals davor warnte, das Virus auf die leichte Schulter zu nehmen. Als Spahn es noch mit einer Grippe verglich und Merkel meinte, Masken seien nutzlos (wie kurz zuvor auch Drosten). An meiner Einstellung hat sich nichts geändert. Auch heute noch halte ich es für gefährlich, das Virus auf die leichte Schulter zu nehmen. Und selbstverständlich bin ich dafür, es nach allen Möglichkeiten zu bekämpfen.

Ich halte es lediglich für notwendig, rational in einer offenen Debatte auszuloten, wie der beste Weg dafür gefunden werden kann. Auch Kritikern eine Stimme zu verleihen. Mich für eine Abwägung einzusetzen zwischen den großen Gefahren durch das Virus und den ebenso großen Gefahren, die viele Maßnahmen zu seiner Bekämpfung auslösen. Bereits so eine Einstellung, die ich für die Pflicht jedes Journalisten halte, reicht heute aus, um von Menschen, die agieren wie in einem religiösen Wahn, als Corona-Leugner diffamiert zu werden. Es ging soweit, dass mich Menschen öffentlich als „geistigen Brandstifter“ bezeichneten, der für das Werfen eines Brandsatzes auf das Gebäude des Robert-Koch-Institutes mitverantwortlich sei. Selbst ernannte „Faktenchecker“ drehen einem buchstäblich das Wort im Munde um, unterstellen Dinge, die man nie geschrieben hat und widerlegen sie dann. Und sofort greift das Wikipedia auf. Der Pranger ist heute virtuell. Der Tagesspiegel titelte am Montag: „Schluss mit der Toleranz gegenüber radikalen Corona-Skeptikern„.

Ich komme mir vor wie in einem lebendigen Geschichtsunterricht. Allmählich kann ich mir vorstellen, wie sich das damals bei den Hexenjagden zugetragen haben muss. Mir dämmert heute, wie Menschen in finsteren Zeiten geradezu nach autoritärer, strammer Führung lechzten und ihre Rechte willig an den Staat abgaben. Wie schnell und vehement dabei Andersdenkende als „Volksfeinde“ und „Klassenfeinde“ entmenschlicht wurden, immer im Namen des vermeintlichen „Guten“. Und natürlich zur Abwehr von Gefahr. Wie die Mechanismen des Schweigens und Wegsehens funktionierten. Wie die Angst sich schleichend in die Seelen stahl. Viele Leser schreiben mir Briefe mit dem Hinweis, ich möge sie auf keinen Fall zitieren, weil sie Angst haben. Um ihren Job, um ihr Ansehen, um ihre sozialen Kontakte. Die vorgehaltene Hand wird zum Symbol der Corona-Epoche. Wer auch nur das Wort Freiheitsrechte in den Mund nimmt, macht sich schon verdächtig. Selbst ein Hinterfragen des Sinns von Masken – den abzustreiten bis März noch Konsens war  – gilt vielen als subversiver Akt.

Wir erleben eine Wiederkehr des Dogmas. Beim Thema Klima erlebten wir die Vorläufer. Bei Corona ernten wir nun die Auswüchse. Eine mediale und politische Mobilmachung, die keine Zwischentöne mehr erlaubt. Die Zweifeln unter die Strafe der Ausgrenzung bis hin zur sozialen Ächtung stellt. Wir erleben gerade genau das, was zu vermeiden wir aus der Geschichte hätten lernen müssen.

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Erst kürzlich erzählte mir eine gute Freundin, wie sich ihr Vater im Altersheim erhängt hat. Sie ist sicher, dass es eine Reaktion auf die Isolation war, unter der er stark litt. Ein Bekannter verlor seinen alten Vater, weil er im Frühjahr wegen Corona zu lange auf die Behandlung seiner Krankheit warten musste. Über solche Nebenwirkungen der Anti-Virus-Maßnahmen muss genauso offen gesprochen werden wie über die Gefahren durch das Virus. Niemand, der bei Verstand ist, bestreitet, dass es für alte Menschen und Vorerkrankte eine große Gefahr darstellt. Und dass der Schutz dieser Risikogruppen unser aller Verantwortung ist. Aber diese Verantwortung muss eben auch mit der Verantwortung gegenüber anderen abgewogen werden.

Politik und Medien haben durch das Schüren von Angst und durch Panikmache eine Atmosphäre geschaffen, in der eine solche Abwägung, ja auch nur eine Diskussion darüber kaum noch möglich ist. Schon die diffamierende Wortwohl zeigt das: Absurde Begriffe wie „Corona-Leugner“, „Covidioten“ oder „Corona-Gegner“ sind allgegenwärtig. Berlins Senat ließ Menschen ohne Maske – also auch Kindern und Kranken – auf einem Plakat den Stinkefinger zeigen. Der alte Begriff der „Wehrkraftzersetzung“ droht im neuen, medizinischen Gewand wieder aufzutauchen. Und jeder, der auf Absurditäten in den Corona-Maßnahmen hinweist, erfährt, dass Kurt Tucholsky (1890-1935) lebendiger denn je ist mit seiner Aussage: „In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht.“

So greift uns das Virus gleich doppelt an. Unsere Gesundheit. Und unsere Freiheit und die Grundlagen unserer demokratischen Gesellschaft. Im schlimmsten Fall, wenn nicht die Gemäßigten die Lufthoheit über dem Meinungskorridor zurückerobern, können wir beides verlieren. Denn Freiheit, gerade auch von Angst und Panik, ist nicht nur die Grundlage für geistige Gesundheit – sondern auch für die physische.

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Zu dem Thema werde ich am kommenden Sonntag im „Corona-Quartett“ bei „Servus-TV“ zu Gast sein. Es wird ausgestrahlt am 1. November um 21:50 Uhr in Österreich und 22:20 Uhr in Deutschland.


PS: Als ich diesen Kommentar schon geschrieben hatte, schickte mir ein Leser einen Link auf einen sehr guten Gastbeitrag in der Süddeutschen. Dort geht der Medienwissenschaftler Stephan Russ-Mohl mit der Presse ins Gericht. Unter anderem schreibt er: „Mich beunruhigen seit Monaten die vielen Trompeter im Corona-Panikorchester. Sie verbreiten Angst und Schrecken. Als Medienforscher beobachte ich mit großer Sorge den Overkill, mit dem Leitmedien, insbesondere das öffentlich-rechtliche Fernsehen, aber auch Zeitungen wie SZ oder FAZ, über die Pandemie berichten. Meine These: Nicht die Regierenden haben die Medien vor sich hergetrieben, wie das Verschwörungstheoretiker so gerne behaupten. Vielmehr haben die Medien mit ihrem grotesken Übersoll an Berichterstattung Handlungsdruck in Richtung Lockdown erzeugt, dem sich die Regierungen in Demokratien kaum entziehen konnten.“

Er zitiert auch die Schweizer Ökonomin Margit Osterloh: Die „befürchtet, dass sich zusammen mit Covid-19 ein ‘Autoritätsvirus‘ ausbreitet: Es gebe eine ‘bereitwillige Selbstentmündigung des Souveräns‘. Wir hätten widerstandslos hingenommen, dass fundamentale Grundrechte eingeschränkt wurden.“

Nicht einverstanden bin ich mit der These Russ-Mohls, dass die Medien zu viel berichten. Über ein Thema, dass sich so massiv auf das Leben der Menschen auswirkt, muss man viel berichten. Aber mit Augenmaß. Mit Pluralität und unterschiedlichen Sichtweisen. Und nicht mit „Trompeten im Corona-Panikorchester“, um seine wahren Worte zu wiederholen.

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Bild: Just Life/Shutterstock
Text: br


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