Finale Anti-USA-Geschichtsstunde bei „Die Welt“ Trump ist ein „Rassist“ und „meschugge“!

Ein Gastbeitrag von Gregor Amelung

Anthony oder Antonio Johnson wurde um das Jahr 1600 geboren und um 1620 von Sklavenhändlern im heutigen Angola gefangen genommen. Zu dieser Zeit kontrollierte das Königreich Portugal die angolanische Küste, wo es drei Handelsstützpunkte hatte: Luanda (1576), Benguela (1587) und das Fort Sao Pedro da Barra (1618). Neben portugiesischen gab es an der afrikanischen Küste im Zeitalter des atlantischen Sklavenhandels noch britische, französische, niederländische, spanische sowie kleinere schwedische, dänische Handelsstützpunkte. Kurzfristig verfügte auch das spätere Preußen mit der Brandenburgisch-Afrikanischen Compagnie (1682-1717) im heutigen Ghana über einen Handelsposten.

Europäer hatten keinen Zugriff auf das Innere Afrikas

Von der Küste aus ging es dann für die menschliche Ware über den Atlantik nach Süd- Mittel- und Nordamerika sowie in die Karibik. Schätzungen zufolge wurden für den rund 400 Jahre praktizierten atlantischen Sklavenhandel etwa 16 Millionen Afrikaner versklavt. Bei der Versklavung und anschließenden Verschleppung zu den Handelsstützpunkten an den Küsten verstarb rund ein Viertel von ihnen (4 Millionen). Weitere 12 bis 15 Prozent kamen bei der Überfahrt ums Leben, so dass insgesamt nur 10,7 Millionen in der Neuen Welt angekommen sind. In der Mehrzahl im heutigen Brasilien (4,6 bis 5,1 Millionen) und in der Karibik. In Nordamerika inkl. Kanada und der Golfküste kamen nur knapp 0,4 Millionen (387.000) an. Einer von ihnen war Anthony Johnson im Jahr 1621.

Dieser „weiße“ Teil der Sklaverei und des Sklavenhandels ist historisch recht gut erforscht und im öffentlichen Bewusstsein präsent. Anders sieht es mit der Versklavung – also dem Jagen und Einfangen der späteren Sklaven – aus. Hier wird meist nur ganz am Rande darauf eingegangen, dass keine der europäischen Mächte ohne Hilfe der afrikanische Eliten Zugang zu Sklaven aus dem Inneren Afrikas hatte, weil sie mit ihren Küstenstützpunkten nur einen dünnen Saum kontrollierten und von ihrer späteren Dominanz im ausgehenden 19. Jahrhundert noch weit entfernt waren.

'Der verschleierte Völkermord'

De facto war es den Europäern ohne die innerafrikanischen Eliten unmöglich, auch nur ansatzweise ökonomisch erfolgreich mit Sklaven zu handeln. Sie waren vielmehr die „Juniorpartner islamischer und afrikanischer Sklavenhandelseliten“, so der Historiker Michael Zeuske.

Neben dem Versklaven und dem Transfer der „Ware Mensch“ zur Küste kontrollierten diese Eliten auch die beiden anderen Handelsrouten: den Trans-Sahara-Handel und den Handel über Ostafrika und den indischen Ozean. Diesen Teil der Sklaverei nennt der afrikanische Anthropologe und Wirtschaftswissenschaftler Tidiane N’Diaye den „araboislamischen Sklavenhandel“. Über 1.300 Jahre, vom 7. bis ins 20. Jahrhundert, waren die Opfer dieses Genozids ausnahmslos Schwarzafrikaner, so N’Diaye in seinem 2008 erschienenen Buch „Der verschleierte Völkermord“.

„Die Täter waren Händler aus dem arabisch-islamischen Raum, in erster Linie aus den nordafrikanischen Staaten von Marokko bis Ägypten, oder sie waren Araber von der arabischen Halbinsel. Die Dimension der Ausbeutung Afrikas durch die Versklavung ist schwindelerregend. Nach vorsichtigen Schätzungen liegt die Zahl versklavter Afrikaner in der arabisch-asiatischen Welt bei 20 Millionen; 40 oder 50 Millionen sind ebenfalls denkbar… [denn] zu der Zahl der Sklaven kommt auf jeden Fall die Zahl der Todesopfer hinzu, die die Versklavung mit sich brachte… Des Weiteren starb ein großer Teil der männlichen Sklaven an den Folgen der Kastration, die an jedem durchgeführt wurde. Bekamen Sklavinnen Kinder, wurden diese getötet“, so der Deutschlandfunk 2010. „Die Araber und die Nordafrikaner waren Rassisten“, so N’Diaye in einem ZDF-Interview weiter: „sie verachteten die Schwarzen, deshalb wollten sie nicht, dass sie in ihren Ländern Kinder zeugten. Das erklärt [auch], warum es dort heute keine starke schwarze Diaspora gibt wie in den USA, die eine Aufarbeitung dieser Geschichte fordert (…).“

Kampf gegen rechts!

Nur ganz vereinzelt wird in den deutschen Medien über diesen Teil der Sklaverei berichtet. Es passt halt einfach nicht zum politischen „Kampf gegen rechts!“, dass hier nicht-weiße Nicht-Christen als Täter auftreten. Und auch das öffentlich-rechtliche Amerika-Bild über Barack Obama bis hin zu Black Lives Matter geriete ins Wanken, wenn man die historische Ableitung zuließe, dass George Floyds Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großonkel womöglich aufgrund einer Zwangs-Kastration auf einem Sklavenmarkt in Kairo oder Sansibar ums Leben gekommen ist.

Diesem Schicksal entkam Anthony Johnson, denn man verschiffte ihn über den Atlantik nach Westen. Dort angekommen wurde er in der damals britischen Kolonie Virginia an einen Kolonisten als „vertraglich gebundene Arbeitskraft“ (indentured servant) verkauft. Solche Arbeitskräfte – oder Sklaven auf Zeit – arbeiteten in der Regel 4 bis 7 Jahre im Rahmen eines befristeten Vertrages, um die Kosten ihrer Überfahrt, Unterkunft, Verpflegung usw. zu begleichen.

Weiße und schwarze 'Vertragsarbeiter'

In den Anfangsjahren der Kolonisation unterlagen viele Afrikaner solchen Verträgen. Im Gegensatz zu jenen, die quasi auf Lebenszeit verpflichtet waren, wurden sie nach ihrem Vertrag „frei gelassen“ – vorausgesetzt, sie hatten Arbeit und Arbeitsbedingungen zuvor überlebt. Unter ähnlichen Verträgen kamen auch einfache Weiße nach Nordamerika. Auch sie mussten die Kosten ihre Überfahrt usw. abarbeiten. Dabei bestand der wesentliche Unterschied zwischen ihnen und Afrikanern wie Anthony Johnson darin, dass die Weißen grundsätzlich freiwillig in die Neue Welt gekommen waren bzw. dass sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen (oder religiösen) Aussichtslosigkeit in Europa den freien Entschluss dazu gefasst hatten. Historiker und Ökonomen gehen davon aus, dass zwischen 50 und 70 Prozent der weißen Einwanderer zwischen den 1630er Jahren und der Amerikanischen Revolution (1775/76) unter derartigen Vertragsbedingungen in die Neue Welt gekommen sind.

Nach seinem „Vertragsende“ kaufte Anthony Johnson Land und kam als selbstständiger Tabakfarmer in der damaligen britischen Kolonie Virginia zu großem Wohlstand. Als er um 1667 verstarb, ging sein Besitz allerdings nicht an seine Kinder, sondern an einen weißen Kolonisten über, weil ein Richter 1670 entschieden hatte, dass Johnson als Schwarzer „kein Bürger der Kolonie“ gewesen sei. „Anfangs standen die Afrikaner und Afrikanerinnen weißen Arbeitskräften gleich… sie konnten ihre Herren wechseln und eigenständig heiraten“, so DomRadio.de 2019. Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts nahm die einseitige Entrechtung von freien bzw. freigelassenen Schwarzen zu.

Darüber hinaus gab es in den Kolonien und den späteren USA eingeborene Indianer (native Americans), sowohl als sklavenähnliche Vertragsarbeiter als auch als lebenslange Sklaven und Sklavenhalter. Das Verhältnis der Indianer zu den Afroamerikanern war recht unterschiedlich. Während einige Nationen bzw. Stämme entflohenen schwarzen Sklaven Zuflucht gewährten oder sie in ihre Gemeinschaft als gleichberechtigt aufnahmen, nahmen andere die „Flüchtigen“ gefangenen, um sie entweder an ihre „Besitzer“ zurückzugeben oder um sie selbst als Sklaven zu halten.

'Django Unchained'

Insofern ist die in Nordamerika praktizierte Sklaverei deutlich vielschichtiger, als es Hannes Steins Gulag-Bild vermuten lässt. Besonders ärgerlich ist daran noch, dass es dem deutschen Leser suggeriert, die in Nordamerika praktizierte Sklaverei habe nicht so sehr Gesetzen der Plantagen-Ökonomie gehorcht als viel mehr einer hermetischen Ideologie; wer ins Gulag kommt, bestimmte der Stalinismus; wer Sklave wird, bestimmte der (weiße) Rassismus. Dabei entstand die biologistische Rassenlehre, die von der Evolutionstheorie Charles Darwins (1809-1882) stark beeinflusst wurde, und mit ihr der moderne Hautfarben-Rassismus, erst im 19. Jahrhundert.

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Südstaaten den Bürgerkrieg (1861 bis 1865) allerdings bereits verloren und der US-Kongress hatte die Sklaverei mit dem 13. Zusatzartikel zur US-Verfassung abgeschafft. Weshalb der rassistische Plantagenbesitzer Calvin Candie, gespielt von Leonardo DiCaprio, in Quentin Tarantinos „Django Unchained“ zwar ein toller Film-Bösewicht ist, aber eben keine historisch realistische Figur.

DiCaprios Charakter hätte nämlich um 1858 mit seinem biologistischen Schädel-Vortrag im bibelfesten Amerika ernste Probleme bekommen, weil er die ketzerische Dreistigkeit besitzt anzudeuten, dass der Mensch nicht von Gott aus Lehm erschaffen wurde, sondern auf andere Weise entstanden wäre.

Die 'zweite amerikanische Republik'

Das Jahr 1865, also das Jahr der Niederlage der Konföderierten im US-Bürgerkrieg, markiert dann in der Stein’schen Geschichtsschreibung den Beginn der „zweiten amerikanischen Republik“, die „jetzt“, also in der Gegenwart, „an ihr Ende“ kommt, so Stein.

„Auch sie war ein merkwürdiges Mittelding: Die Sklaverei war zwar abgeschafft, aber die Vorherrschaft der Weißen wurde in den Südstaaten am Ende des 19. Jahrhunderts mit Terror wiederhergestellt. Es gab zwar zwischendurch einen schwarzen Präsidenten, aber noch im 21. Jahrhundert konnte man in der Säuglingsstation eines amerikanischen Krankenhauses durch einen kurzen Blick auf die Hautfarbe eines Neugeborenen ziemlich exakt seine Zukunftschancen voraussagen.“

Unter dem oben angeführten „Terror“ versteht „Welt“-Autor Stein sehr wahrscheinlich die im Süden nach der sogenannten „Reconstruction“ (1861/65 bis 1877) erfolgte Wiederherstellung der weißen Dominanz. Angefangen mit dem Ku-Klux-Klan mündete diese Ära in einer der südafrikanischen Apartheid ähnlichen Rassentrennung.

Der Botaniker George Washington Carver

Es gab allerdings auch hier Ausnahmen. So wurde im ehemaligen Südstaat Alabama bereits 1881 das Tuskegee Institut gegründet. Zuerst als Schule für farbige Lehrer (colored teachers). Bis 1916 war aus der Schule de facto eine Universität geworden, an der auch der Botaniker George Washington Carver lehrte. Carver, 1864 noch als Sklave geboren, war 1891 der erste schwarze Student an der Iowa State Universität gewesen. An seiner Karriere und dem Tuskegee Institut lässt sich ablesen, was für Fortschritte es in der Bildung Schwarzer noch weit vor der Bürgerrechtsbewegung der 1950er Jahre gegeben hat. Während des Zweiten Weltkriegs wurde am Tuskegee Institut auch die Aufstellung einer afroamerikanischen Fliegertruppe durchgesetzt: die sogenannten „Tuskegee Airmen“.

Drei Jahre nach Kriegsende wurde die Rassentrennung in den US-Streitkräften aufgehoben, 1964 folgte die Abschaffung im zivilen Bereich. Zehn Jahre später wurde Coleman Young (1918 bis 1997), der bei den „Tuskegee Airmen“ als Navigator geflogen war, der erste afroamerikanische Bürgermeister der Autobau-Metropole Detroit City. Und so attestiert Obama-Biograph Shelby Steele dem „weißen Amerika“ auch nicht zu Unrecht, „einen enormen moralischen Fortschritt seit den 1960er Jahren“ gemacht zu haben.

Dementsprechend würden Steele und seine Kollegen Riley und Sowell wohl kaum Steins Diagnose zustimmen, dass man „noch im 21. Jahrhundert“ auf der „Säuglingsstation eines amerikanischen Krankenhauses durch einen kurzen Blick auf die Hautfarbe eines Neugeborenen ziemlich exakt seine Zukunftschancen voraussagen“ könne. Höchstens Riley würde Stein hier vielleicht Recht geben, allerdings unter Vorzeichen, die mit dem Welt- und Familienbild des Deutsch-Amerikaners wohl kaum kompatibel sind.

False Black Power

Denn Riley argumentiert in seinem 2017 erschienen Buch „False Black Power?“ dafür, Afroamerikaner durch eigenen wirtschaftlichen Erfolg zu „empowern“ und nicht darauf zu setzen, Schwarze in immer mehr politische Führungspositionen zu bringen, denn: „False Black Power ist politische Macht und politischer Einfluss. True Black Power ist Humankapital…, das es einer Gruppe ermöglicht, wirtschaftliche Werte zu generieren. Und dieses Humankapital… ist wesentlich wichtiger als politischer Einfluss, wenn es um den langfristigen Fortschritt einer sozioökonomische Gruppe geht.“

Eine Kernursache für den nicht stattfindenden sozialen Aufstieg vieler Afroamerikaner trotz Jahrzehnten mit extrem teuren Förderprogrammen sieht Jason Riley im „Zerfall der traditionellen schwarzen Familie“. Junge Afroamerikanerinnen würden viel zu früh schwanger. Und das in instabilen Beziehungen mit Kindesvätern, die selbst noch halbe Kinder seien. Das schlage sich negativ auf den Bildungserfolg beider nieder und setzt sich in der nächsten Generation nahezu zwangsläufig fort.

'Ein Scheck vom Staat ersetzt keinen Vater'

Feste familiäre Strukturen, wie es sie bis in die 1970er Jahre in den schwarzen Gemeinden gegeben habe, und die Probleme auffangen und kompensieren konnten, gäbe es nicht mehr. Und „ein Scheck vom Staat“, so Jason Riley, „ersetzt nun einmal nicht den Vater zuhause.“ Mit noch mehr Schecks erziehe man nur immer weiter zur bereits bekannten Opfermentalität. Entsprechend kritisch sieht der 49-Jährige auch die acht Jahre unter Barack Obama – sehr wahrscheinlich sehr zum Missfallen von Hannes Stein.

Nach Rileys Analyse hatte man in der Führung der schwarzen Bürgerrechtsbewegung seit dem Ende der 1960er Jahre darauf gesetzt, immer mehr Schwarze in politische Ämter zu bringen. Der größere politische Einfluss sollte im Nachgang dann die Lebensverhältnisse der schwarzen Bevölkerung verbessern. Das sei nun über 40 Jahre her und Obamas Präsidentschaft wäre „der Höhepunkt dieser Strategie“ gewesen, so Riley. Trotzdem habe sich die Lage der Schwarzen in Schlüsselbereichen wie Wohneigentum und Haushaltseinkommen unter Präsident Obama nicht verbessert, sondern verschlechtert.

Europäische Überheblichkeit

Dabei sind Jason Riley und Shelby Steele, der in dieselbe Richtung argumentiert, nicht die einzigen Schwarzen, die für einen dringend notwendigen Strategiewechsel plädieren. Dass sie damit – direkt oder indirekt – Trumps Wirtschaftspolitik loben, die die Arbeitslosigkeit unter Afroamerikanern auf ein Rekordtief drücken konnte, passt selbstverständlich nicht in Steins Bild vom „amerikanischen Faschismus“, der der Bevölkerung ohnehin nur „Hass“ und „Rache“ anbieten kann.

Wobei dem deutsch-amerikanischen Autor dieses Gefühl in Bezug auf Donald Trump nicht nur wegen der ständigen Wiederholung des Wortes „Hass“ innezuwohnen scheint. Kurz nach seiner Einbürgerung im Jahr 2012 hatte sich Stein bei den Republikanern registrieren lassen. Nach der Wahl von Trump verließ er die Partei unter Protest. Seinen Entschluss erläuterte er damals in einem Beitrag für die „Welt am Sonntag“ so: „Die Partei von Donald Trump ist nicht mehr mein Verein. Am Tag der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten bin ich der Demokratischen Partei beigetreten.“ Trump sei ein „Rassist“ und „meschugge“.

Neben ihrer fast schon monströsen Einseitigkeit und der ständigen Verdrehung von historischen Fakten leidet Steins bisweilen hasserfüllte USA-Analyse noch unter einer speziell bei Deutschen weit verbreiteten (Kultur-) Überheblichkeit, die amerikanische Impressionisten wie Dennis Miller Bunker (1861-1890) oder Frank Weston Benson (1862-1951) genauso wenig kennt wie die bittere Tatsache, dass die eigenen Vorfahren womöglich noch Leibeigene – und damit selbst halbe Sklaven – waren. Und zwar nicht im düsteren Mittelalter, als man Hexen verbrannte, sondern zeitgleich zur Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776.

Germantown, Maryland

Letztendlich – und das sollte man sich als Europäer vielleicht mal hinter die Löffel schreiben – sind die USA nämlich als Gegenentwurf zu den damaligen Staaten Europas erdacht, erschaffen und erkämpft worden. Als Gegenentwurf zu Staaten, die von ihren Oberhäuptern – seien es weltliche oder geistliche Fürsten – meist als Privateigentum betrachtet wurden. Staaten, in denen die Menschen nicht Bürger, sondern Untertanen waren, und in denen vorgeschrieben wurde, an welchen Gott man zu glauben hatte.

Gemessen daran waren die 1776 aus der Taufe gehobenen Vereinigten Staaten von Amerika ein atemberaubender und epochaler Fortschritt, den es als Europäer erstmal anzuerkennen gilt, bevor man nassforsch mit dem Verweis auf die dort praktizierte Sklaverei die Defizite dieses Staates benennt. Tut man es, muss man sich noch der Tatsache bewusst sein, dass die Institution der Sklaverei historisch gesehen bereits kurz nach der Ankunft der ersten schwarzen Sklaven (1619) dauerhafter Kritik ausgesetzt war. Bereits 1652 wurde unter der Führung des Puritaners Roger Williams (1603-1683) in Providence ein erstes Anti-Sklaven-Gesetz erwirkt, das zugegebenermaßen nicht lange hielt. 1683 machten Mennoniten, angeführt von Peter Cornelius Plockhoy, den nächsten Versuch und verboten die Sklavenhaltung in der Delaware Bay südlich von Philadelphia. Nur fünf Jahre später kam es dann unter dem deutschen Gelehrten Francis Daniel Pastorius (1651-1720) zu ersten öffentlichen Protestaktionen gegen die Sklaverei. Noch im selben Jahr unterzeichneten niederländische und deutsche Mennoniten eine Petition, in der sie erklärten: „Wir sollten alle Menschen wie uns selbst behandeln, keinen Unterschied in Alter, Herkunft oder [Haut]Farbe machen.“

Der über 300 Jahre alte Satz liest sich wie „Grad-gestern-auf-Twitter“. Formuliert wurde er in Germantown im heutigen US-Bundesstaat Maryland. Knapp vier Autostunden von Hannes Steins Wohnsitz Riverdale, New York City, entfernt. Vielleicht fährt er ja dort mal vorbei, um eine weniger finstere Seite seiner Wahlheimat kennenzulernen und seinen deutschen Lesern davon zu berichten.

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen, und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Der Autor ist in der Medienbranche tätig und schreibt hier unter Pseudonym.

Bild: Shutterstock
Text: Gast

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