Von Daniel Weinmann
Auch gut einen Monat nach der Veröffentlichung erregt der Artikel „Geheimplan gegen Deutschland“ die Gemüter. Laut „Correctiv“ sollen AfD-Politiker und Neonazis bei einem geheimen Treffen in Potsdam „nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland“ geplant haben.
Die systemtreuen Mainstream-Medien und der öffentlich-rechtliche Rundfunk bliesen die Story artig zu Tatsachenbehauptungen auf, um so – unterstützt durch Hunderttausende leichtgläubige links-grüne Gesinnungsgehilfen – das Framing der AfD auf die Spitze zu treiben. Auch Kanzler Olaf Scholz ließ sich bereitwillig instrumentalisieren. Schon am ersten Tag nach der Veröffentlichung hob er auf „X“ (früher Twitter) schützend seine Hand über die Menschen mit Migrationshintergrund und wetterte gegen „Fanatiker mit Assimilationsphantasien“.
Fragt man die Teilnehmer des Treffens selbst, ergibt sich ein anderes Bild. Der Besitzer des Landhauses in Potsdam, wo sich die Runde Ende November traf, wies die Behauptung, es habe sich um ein Geheimtreffen gehandelt, gegenüber der „Neuen Zürcher Zeitung“ zurück. „Es gab keinen Masterplan Remigration“, so der Unternehmensberater. Das Haus sei frei zugänglich gewesen, und es habe neben den Tagungsteilnehmern auch andere Gäste gegeben (reitschuster.de berichtete).
„Im besonderen Maße mit gemeinschaftlich begangener, hoher krimineller Energie gehandelt“
Was also ist wirklich wahr im „Correctiv“-Artikel? Diese Frage beschäftigt nun die Gerichte. Eine Teilnehmerin des Treffens hat Strafanzeige gegen das staatlich finanzierte Medienhaus gestellt, zwei weitere in dem Beitrag genannte Personen haben Klage gegen die Berichterstattung eingereicht.
Laut Strafanzeige der AfD-Bundestagsabgeordneten Gerrit Huy beruhen „die gesamten, inhaltlich teilweise auch unzutreffenden Wortwiedergaben und Informationen des Berichts ausschließlich auf strafbaren Handlungen der Correctiv-Mitarbeiter“. Sie hätten, „im besonderen Maße mit gemeinschaftlich begangener, hoher krimineller Energie“ gehandelt und Huy und den anderen Teilnehmern des Treffens Schaden zufügen wollen. Dies geht aus dem Strafantrag vor, der der „Welt“ vorliegt.
Die AfD-Abgeordnete rekurriert demnach insbesondere auf Paragraph 201 Strafgesetzbuch (StGB). Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe belegt, „wer unbefugt das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht“.
„Das ist natürlich alles Unfug“
Während die Staatsanwaltschaft Potsdam aktuell prüft, ob ein Anfangsverdacht vorliegt, sieht „Correctiv“-Anwalt Thorsten Feldmann den Ermittlungen „völlig gelassen“ entgegen. „Derartige Dinge haben wir erwartet und im Vorfeld natürlich geprüft“, so der Jurist gegenüber der „Welt“. Die Vorwürfe dienten nur dazu, „Correctiv“ zu diskreditieren. Feldmann: „Es wurde sogar fabuliert, die Geheimdienste hätten das Treffen abgehört und Correctiv eine Aufnahme zur journalistischen Verwertung zur Verfügung gestellt. Das ist natürlich alles Unfug.“
Eine weitere juristische Front eröffnete ein Unternehmer, der im „Correctiv“-Text als Spender genannt wird. Sein Anwalt Carsten Brennecke hat der Redaktion zwei Abmahnungsschreiben überstellt. Darin fordert er die Klarstellung, dass der Geschäftsmann nicht an dem Potsdamer Treffen teilgenommen hat und „nicht etwa – wie von Correctiv suggeriert – an Sellner (der frühere Sprecher der ‚Identitären Bewegung Österreich‘, Red.) oder die Identitäre Bewegung gespendet hat, sondern für eine Wahlprüfungsbeschwerde“.
Bezeichnend für die Pächter der Wahrheit: Die Konfrontation mit den Vorwürfen habe „Correctiv“ seinem Mandanten auch nicht etwa an seine Privat-Mailadresse, sondern an den Firmenverteiler geschickt.
Staatsrechtler wehrt sich via Anwalt
Brennecke vertritt darüber hinaus den Staatsrechtler Ulrich Vosgerau, über den im „Correctiv“-Artikel zu lesen ist: „Der Verfassungsrechtler spricht über Briefwahlen, es geht um Prozesse, um das Wahlgeheimnis, um seine Bedenken in Bezug auf junge Wählerinnen türkischer Herkunft, die sich keine unabhängige Meinung bilden könnten.“ Vosgerau wehrt sich gegen die „Unterstellung, er habe pauschal türkischen Migrantinnen die Fähigkeit zur Bildung einer unabhängigen politischen Meinung abgesprochen“.
Zudem werfe „Correctiv“ Vosgerau vor, dass „erstens über die Zwangsausweisung deutscher Staatsbürger beraten worden sei und zweitens, dass man diese nach rassistischen Kriterien wie der Hautfarbe oder der Herkunft der Betroffenen durchführen wolle.“ Mit dem Vorwurf, auf dem Treffen sei eine Ausweisung nach rassistischen Kriterien besprochen worden, habe die Redaktion Vosgerau aber nie konfrontiert.
Nicht zuletzt wehrt sich Brennecke im Namen seines Mandanten gegen die Behauptung, Vosgerau habe sich „An die Sache mit der Ausbürgerungsidee von Staatsbürgern in Sellners Vortrag“ nicht erinnern können. Als „Correctiv“ den Staatsrechtler mit den Ergebnissen der Recherche vor Veröffentlichung konfrontiert habe, habe dieser mitgeteilt, er habe „generell“ nicht gehört, dass bei dem Treffen über die „Remigration“ deutscher Staatsbürger gesprochen worden wäre, und dies rechtlich auch gar nicht möglich sei.
„Haben keinen Zweifel daran, dass unsere Darstellung stimmt“
Die Crux: Laut Brennecke hat „Correctiv“ den Beitrag so verfasst, dass er viele Wertungen enthält, die man äußerungsrechtlich nicht angreifen kann. Tatsachenbehauptungen kämen hingegen kaum vor. Er bezieht sich nicht zuletzt auf die Aussage, man habe auf dem Treffen über die Ausweisung deutscher Staatsbürger nach rassistischen Kriterien gesprochen. Hier werde „geschickt vermieden“, dies als Tatsachenbehauptung zu berichten.
Um Licht ins Dunkel zu bringen, hat Brennecke seinem Vortrag vor Gericht eidesstattliche Versicherungen von sieben Teilnehmern beigefügt, in denen seiner Einschätzung nach sehr detailliert aufgeführt wird, was auf dem Treffen gesagt wurde und was nicht. Der maßgebliche Vorwurf, „der momentan die Menschen auf die Straße treibt“, werde durch die eidesstattlichen Versicherungen als falsch zurückgewiesen, so Brennecke.
„Correctiv“ gibt sich derweil siegessicher. „Wir haben sehr zuverlässige Quellen und daher überhaupt keinen Zweifel daran, dass unsere Darstellung dessen stimmt, was bei dem Treffen gesagt wurde“, postuliert die Redaktion auf ihrer Website. Über die Quellen könne man allerdings keine Auskunft geben, um diese nicht in Gefahr zu bringen.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
Bild: Cromavision/Shutterstock