Von Daniel Weinmann
Es mutet paradox an. Die Silicon Valley Bank, kurz SVB, musste ihre Pforten schließen, weil sie sich mit scheinbar sicheren Zinsanlagen verspekuliert hat. Nach den gewaltigen Gelddruck-Aktionen der US-Notenbank im Zuge der Coronakrise wurde der Start-up-Finanzierer so stark von Kundengeldern überschwemmt, dass er nicht wusste, was er damit anfangen sollte. Die glorreiche Idee der Bankmanager: Wir parken das überschüssige Kapital in „sicheren“ Zinspapieren.
Die Rechnung ging aber nicht auf, denn die vermeintlich so sicheren Anleihen verloren angesichts der deutlichen Erhöhung der Leitzinsen signifikant an Wert – und brachten eine Negativspirale in Gang. Weil immer mehr Kunden gleichzeitig auf ihr Erspartes zugreifen wollten, musste die SVB die Anleihen mit Verlust verkaufen. Bis vor gut einer Woche war dies ohne größeren Schaden zu schaffen. Doch dann wurde die Liquidität knapp – und löste einen Ansturm der Kunden aus, die um ihre Einlagen fürchteten.
Nachdem Kunden allein am Freitag binnen eines einzigen Tages 42 Milliarden Dollar abgezogen hatten, brach eines der zwanzig größten US-Geldhäuser mit einst über 200 Milliarden US-Dollar Bilanzsumme zusammen. Ein Bankrun wie aus dem Lehrbuch.
Die US-Behörden versuchen zu beruhigen
Der Untergang hinterlässt einen schalen Beigeschmack. Die Bank hat kurz vor ihrem Kollaps noch Jahresboni ausgezahlt. Mitarbeiter des Geldhauses hätten wenige Stunden vor der Schließung durch die US-Regierung ihre Leistungsprämien erhalten, berichtete die US-Nachrichtenwebsite Axios am Samstag. Demnach bezogen sich die Boni auf das Jahr 2022 – und sollten ursprünglich erst im März ausgezahlt werden.
Viel wichtiger als die moralisch verwerflichen Aktivitäten der inkompetenten SVB-Oberen aber ist die Frage: Löst das Finanzinstitut aus dem Silicon Valley eine neue Finanzkrise à la Lehman aus? Die US-Behörden versuchen zu beruhigen. Sämtliche Anleger bei der Silicon Valley Bank sollen den Zugriff auf alle ihre Einlagen behalten, teilten die US-Notenbank Federal Reserve, der Einlagensicherungsfonds FDIC und das Finanzministerium in der vergangenen Nacht zum Montag in einem knappen Statement mit. In den USA sind Einlagen eigentlich bis zu einer Obergrenze von 250.000 Dollar abgesichert.
Eine ähnliche Ausnahmeregelung gilt auch für die New Yorker Signature Bank, die am Sonntag von ihrer staatlichen Zulassungsbehörde geschlossen worden sei. Auch hier sollen alle Einleger entschädigt werden, die per 8. März rund 89 Milliarden Dollar bei dem Finanzhaus gebunkert hatten.
»Keine Gefahr für die hiesigen Geldhäuser«
Ein hochrangiger Vertreter des US-Finanzministeriums bestritt laut „Financial Times“, dass es sich um eine Rettung der beiden Banken gehandelt habe, da die Aktionäre und Anleihegläubiger der beiden Banken „ruiniert“ worden seien. Es sei darum gegangen, das Vertrauen in die Märkte wiederherzustellen. Auch US-Finanzministerin Janet Yellen schloss eine Rettung der Anleger aus. Die seit der weltweiten Finanzkrise im Jahr 2008 in Kraft gesetzten Reformen bedeuteten, dass dies nicht wiederholt werde. „Aber wir sorgen uns um die Einleger und konzentrieren uns darauf, deren Bedürfnisse zu erfüllen“, fügte die frühere Notenbankchefin hinzu.
Auch der Internationale Währungsfonds versuchte zu beschwichtigen. „Wir verfolgen eng die Entwicklungen und möglichen Auswirkungen auf die Finanzstabilität. Wir haben volles Vertrauen, dass die Entscheidungsträger in den USA angemessene Maßnahmen ergreifen, um die Situation in den Griff zu bekommen“, sagte ein IWF-Sprecher gegenüber Reuters.
Der Spitzenverband der privaten Kreditinstitute in Deutschland sieht durch die SVB-Pleite keine Gefahr für die hiesigen Geldhäuser. „Die deutschen Banken sind robust, stabil und widerstandsfähig. Sie haben ihr Kapital seit 2008 massiv aufgestockt. Seit 2008 ist die durchschnittliche Kernkapitalquote der deutschen Banken von 9,3 auf 15,8 Prozent gestiegen – ein Plus von 81 Prozent“, versuchte Bankenverband-Sprecher Thomas Schlüter zu entwarnen.
Turbulenzen wie vor 100 Jahren?
Die Märkte schenken den wohlfeilen Worten offensichtlich wenig Vertrauen, das US-Bankenbeben erreichte am heutigen Montag Europa. Der deutsche Premiumindex Dax verlor nach einem freundlichen Börsenstart binnen eineinhalb Stunden rund 500 Punkte. An der Mailänder Börse wurden die Aktien der UniCredit-Bank nach einem Minus von knapp fünf Prozent vom Handel ausgesetzt. Gefragt waren stattdessen traditionell als „sichere Häfen“ geltende Vermögenswerte wie der Schweizer Franken und Bundesanleihen.
Manche Experten malen sogar Turbulenzen wie vor 100 Jahren an die Wand, weil sich die scheinbar heiß laufende Konjunktur plötzlich abkühlen und die Finanznöte der Finanzhäuser noch weiter verstärken könnte. Der US-Finanzinvestor Mark Cuban und der bekannte Hedgefonds-Manager Bill Ackman etwa fürchten einen Flächenbrand.
Für Rainhard Schmidt, Ökonomie-Professor von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, besteht kein systemisches Risiko und kein Grund zu weiterreichenden Befürchtungen. „Der Kurssturz war unangebracht, weil die Silicon Valley Bank ein sehr spezielles Geschäftsmodell verfolgt, das wirklich keine Ähnlichkeiten zu denen fast aller Banken der meisten Länder aufweist“, sagte der Bankenexperte am Samstag der Deutschen Presse-Agentur.
2008 standen elf Billionen US-Dollar im Feuer
Auch der Bank-Ökonom Mickey Levy des Bankhauses Berenberg sieht keine Parallelen zur weltweiten Finanzkrise von 2008. „Der Zusammenbruch der SVB war zwar chaotisch und hat Spannungen auf den Finanzmärkten ausgelöst, aber die wichtigsten Ursachen unterscheiden sich deutlich von denen, welche die Finanzkrise ausgelöst haben, und sie sind weit weniger schwerwiegend.“ Das Geschäftsmodell der SVB mit ihrer Spezialisierung auf Hightech-Wagniskapital sei ziemlich einmalig, andere regionale Banken seien nicht so exponiert.
Überhaupt verblasst nach Ansicht von Levy die finanzielle Dimension im Vergleich mit den damaligen elf Billionen US-Dollar an durch Hypotheken besicherten Wertpapieren und dem Zusammenbruch des Immobilienmarktes vor knapp 15 Jahren.
Noch sind viele Fragen offen: Zwar ist die Pleite der Silicon Valley Bank die Folge einer fundamentalen Fehleinschätzung des Managements. Dies dürfte aber kein Einzelfall bleiben, wie die Schließung der Signature Bank in New York durch die US-Bankenaufsicht zeigt. Schon bald wird sich zeigen, welche Banken ähnliche Portfolios haben. Nach Angaben der staatlichen US-Einlagenversicherung FDIC saßen die US-Geldhäuser Ende 2022 auf 620 Milliarden US-Dollar an nicht realisierten Verlusten. So werden Vermögenswerte bezeichnet, die im Preis gesunken sind, aber noch nicht verkauft wurden.
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund wäre es zum jetzigen Zeitpunkt blauäugig, eine Finanzkrise 2.0 als unrealistisch abzutun.
Ausschreibung zur Fahndung durch die Polizei, Kontenkündigungen, Ausschluss aus der Bundespressekonferenz: Wer in Deutschland kritisch berichtet, sieht sich Psychoterror ausgesetzt. Und braucht für den Spott der rot-grünen Kultur-Krieger nicht zu sorgen. Ich mache trotzdem weiter. Auch, weil ich glaube, dass ich Ihnen das schuldig bin. Entscheidend fürs Weitermachen ist Ihre Unterstützung! Sie ist auch moralisch sehr, sehr wichtig für mich – sie zeigt mir, ich bin nicht allein und gibt mir die Kraft, trotz der ganzen Schikanen weiterzumachen! Ganz, ganz herzlichen Dank im Voraus für Ihre Unterstützung, und sei es nur eine symbolische!
Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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