Grüne wollen Rückwärts-Parken in Kiel verbieten Opposition bremst Verbots-Partei aus – vorerst

Von Kai Rebmann

Weil angeblich zu viele Unfälle beim rückwärts Ein- und Ausparken passieren, wollen die Grünen in Kiel schweres Geschütz auffahren. Auf öffentlichen Parkflächen mit mehr als vier Stellplätzen aber auch auf Privatgrundstücken (!) soll nur noch vorwärts gefahren werden dürfen – zumindest, wenn es nach Alke Voß geht, der Mobilitätsdezernentin der Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins.

Was sich irre anhört, ist es auch: Denn wenn sowohl das rückwärts Einparken als auch das rückwärts Ausparken verboten ist, dann hat dies zwangsläufig ein Wendemanöver zur Folge. Zu Ende gedacht hieße das, dass bei allen künftigen Neubauten entsprechend mehr Platz für die Einfahrt zu berücksichtigen wäre, inklusive einem damit einhergehendem Mehr an Flächenbedarf und Bodenversiegelung.

Neben dem Bestandsschutz wollen die Grünen nur noch wenige Ausnahmen zulassen, so etwa für kleinere Parkflächen mit bis zu vier Stellplätzen in unmittelbarer Straßennähe. Und all das soll der recht utopisch anmutenden „Vision Zero“ dienen. Auf eben diese verweist Voß und meint damit das Ziel, dass es künftig keine Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr geben soll.

Ob das Verbot des Rückwärtsfahrens in Kiel dazu einen Beitrag leisten kann? Die grüne Dezernentin scheint davon jedenfalls fest überzeugt und behauptet, aktuelle Unfallzahlen würden belegen, „dass es gerade bei rückwärtsfahrenden Fahrzeugen zu Unfällen mit Personenschäden“ komme. Besonderes Gefährdungspotenzial bestehe dabei vor allem für „vulnerable Verkehrsteilnehmer“, wie es Voß weiter ausdrückt.

Grüne argumentieren mit schwammiger Statistik

Diese Argumentation steht freilich auf sehr tönernen Füßen. Oder etwas schärfer ausgedrückt: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast! Der „Verkehrssicherheitsbericht Schleswig-Holstein 2023“ geht zwar tatsächlich davon aus, dass „Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren“ mit 27,2 Prozent zu den häufigsten Unfallursachen in dem Bundesland führen.

Aber: Welcher Anteil dabei explizit auf das „Rückwärtsfahren“ entfällt – und nicht auf „Abbiegen“ oder „Wenden“ – bleibt in dem Papier offen. Hinzu kommt, dass das Abbiegen zum Ausfahren aus einem privaten Grundstück oder auch einer öffentlichen Parkfläche ganz zwangsläufig dazugehört. Und künftig auch das Wenden, zumindest wenn sich die Grünen mit ihrem Ansinnen durchsetzen sollten.

Tatsächlich gibt es auch eine andere Statistik, die die Pläne schon allein aus dieser Sicht ad absurdum führen. Der Verkehrssicherheitsbericht 2023 nur auf die Stadt Kiel bezogen, in der das Rückwärtspark-Verbot im Raum steht, weist 71 Unfälle aus, die auf Fehler beim Wenden oder Rückwärtsfahren – „Abbiegen“ ist darin nicht enthalten – zurückzuführen sind. Setzt man diese Zahl mit allen 1.085 Unfällen ins Verhältnis, so ergibt sich daraus ein Anteil von gerade einmal noch 6,5 Prozent.

Wende nach heftiger Kritik gerät zur Selbstentlarvung

Auch die Opposition im Rathaus konnte oder wollte der Argumentation der Verwaltung nicht so recht folgen. Die FDP übt gegenüber den „Kieler Nachrichten“ scharfe Kritik: „Die Anweisung, wie die Menschen ihre Fahrzeuge auf privatem Grund zu parken haben, zeigt ein übergriffiges Verständnis von Regulierung und ist ein weiterer Schritt in Richtung eines immer dichteren Dschungels an Vorschriften und Auflagen, mit denen Bürger und Unternehmen gleichermaßen belastet werden.“

Die CDU gibt sich „sprachlos und ratlos“ und stellt die rhetorische Frage: „Ist es schlicht die Idee das Rückwärts-Ausparken zu reglementieren oder ist es das beispiellose Vorgehen der Dezernentin Voß, was stärker zu kritisieren ist?“

Und tatsächlich haben die Grünen auf die Kritik reagiert und die Abstimmung über ihren Antrag von der Tagesordnung der für kommenden Dienstag angesetzten Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Klimaschutz und Mobilität genommen. Aber nicht etwa, weil sich bei den Grünen inhaltliche Zweifel an der geplanten Bevormundung ergeben hätten, sondern aus rein formalen Gründen.

Alke Voß erklärt hierzu: „Wir wollen uns als Verwaltung erst noch mit beteiligten Akteuren abstimmen, wie zum Beispiel der Verkehrswacht, der Polizei oder der IHK.“

Der Fachmann staunt und der Laie wundert sich! Sollte man nicht davon ausgehen dürfen, dass eben diese Abklärungen mit den zuständigen Stellen getroffen werden, bevor (!) ein solcher Antrag überhaupt eingebracht wird? Damit schreitet die Grüne quasi zur Selbstentlarvung und bestätigt – wenn auch ungewollt – die aus den Reihen der FDP und CDU geäußerten Befürchtungen, dass es ihrer Partei einmal mehr vor allem um (Über-)Regulierung und Bevormundung geht.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Vitalii Vitleo/Shutterstock

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