Was für Parallelrealitäten: Bei den Berichten über die Demonstrationen gegen das neue Pressegesetz in Frankreich ist in vielen öffentlich-rechtlichen Medien nicht von Linksextremen die Rede, die dort für Krawalle sorgten – sie werden als „Aktivisten des schwarzen Blocks“ bezeichnet. Wer politisch nicht bewandert ist, oder nur oberflächlich zuschaut, kann das nur schlecht einschätzen. Aktivist klingt im Zweifelsfall eher nach etwas Gutem: Militante Linksradikale werden damit in den gebührenfinanzierten Sendern verharmlost und weichgespült.
In der Tagesschau hieß es: „Gewalttätige Protestierer hatten sich unter die Demonstranten gemischt. Der Protest hatte zunächst friedlich begonnen“. Abgesehen davon, dass auch hier der linksextreme Hintergrund unerwähnt bleibt, ist dies völlig korrekt. Aber eben auch ein großer Unterschied zur Berichterstattung in vielen öffentlich-rechtlichen Sendern über die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. Die werden so hingestellt, als gäben dort Extremisten den Ton an oder würden zumindest stillschweigend geduldet. Anders als die Linksextremen in Paris werden die Störer und Provokateure bei diesen Demonstrationen nicht schöngefärbt (was ja auch gut so ist). Vor allem aber wird nicht betont, dass sie sich gezielt unter die Demonstranten mischen und zuvor alles friedlich war (siehe Tagesschau-Beitrag hier). Stattdessen wird in ARD und ZDF teilweise dreist über die Demos gelogen (siehe hier).
Ein kritischer Journalisten-Kollege hat mich heute empört auf diese Doppelmoral aufmerksam gemacht. Sein bitteres Fazit: „Militante Linksradikale werden als ‘positive Elemente‘ dargestellt, was für eine Nachrichtenklitterung. Und jede/jeder Querdenker ist ein gefährlicher Rechtsradikaler und die Flagge des Kaiserreichs ein Nazisymbol ????????“
Der Hintergrund ist klar: Die Regierung in Paris wollte Aufnahmen von Polizisten in Aktion verbieten – womit die Dokumentation von solchen Brutalitäten kaum noch möglich wäre. Darüber hinaus war ein konkreter Auslöser der Proteste in Frankreich brutale Polizeigewalt gegen einen farbigen Filmproduzenten. Dessen Verbrechen bestand darin, dass er ohne Mund- und Nasenbedeckung in der Nähe seines Musikstudios auf der Straße war. Daraufhin stürmten sie sein Studio, setzten eine Blendgranate ein und schlugen den Mann. Dass dieses brutale Vorgehen Proteste auslöste, ist berechtigt, ja notwendig.
Dass die Polizei etwa in Berlin am 18. November am Brandenburger Tor sehr brutale Gewalt gegen Demonstranten anwandte, Menschen ohne jeden erkennbaren Grund den Kopf und das Gesicht mit Beinen und mit dem Gesäß auf den kalten, nassen Asphalt drückte, scheint dagegen in den großen Medien niemand sehen zu wollen (hier meine Aufnahmen). Obwohl man die Szenen bei entsprechendem Willen genauso skandalisieren könnte wie Aufnahmen von Polizeigewalt, mit denen massiv Stimmung gemacht wird. In der Tagesschau kommentierte an diesem Tag der designierte ARD-Chefredakteur, die Polizei habe heute „ein Auge zugedrückt“.
Text: br