Von Kai Rebmann
Das Bundesgesundheitsministerium darf in diesem Jahr so viel Geld ausgeben wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Mehr als 64 Milliarden Euro bekam Karl Lauterbach (SPD) aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt. Zum Vergleich: Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU) musste im letzten Vor-Corona-Haushalt im Jahr 2019 noch mit 15 Milliarden Euro auskommen. Und weil das Geld da ist, muss es auf jeden Fall auch ausgegeben werden, so zumindest die Logik des Karl Lauterbach. Deshalb wird Impfstoff ins Blaue hinein bestellt und Deutschland leistet sich den Luxus, Impfzentren zu betreiben, die zwar kein Mensch mehr von innen sieht, die dafür aber rund 100 Millionen Euro pro Monat verschlingen.
Nicht nur der Deutsche Hausärzteverband ist der Meinung, dass dieses Geld „an anderer Stelle dringender benötigt“ wird, wie dessen Präsident Ulrich Weigeldt gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland erklärte. Die Impfzentren stünden deutschlandweit leer, weshalb es sich ihm nicht erschließe, weshalb sie jetzt den ganzen Sommer über weiterbetrieben werden müssen, kritisierte Weigeldt. Ganz unabhängig von der Kostenfrage sieht der Experte die Impfung in den Praxen der deutschen Hausärzte ohnehin am besten aufgehoben und auch die bundesweit eingesetzten mobilen Impfteams kann sich Weigeldt mit Blick auf den Herbst als sinnvolles Modell vorstellen.
Immunologe widerspricht Lauterbachs Panikmache
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach macht derweil das, was er am besten kann, und verbreitet angesichts der zuletzt wieder etwas gestiegenen Fallzahlen schon wieder Panik. Die von ihm angekündigte Sommerwelle sei leider Realität geworden. Er warnte in diesem Zusammenhang vor „vierstelligen Inzidenz-Zahlen“ und geht eigenem Bekunden zufolge auch von einer Zunahme der Todesfälle aus. Aus diesen Gründen arbeite sein Ministerium bereits an einer Impfkampagne für die kommenden Monate, wie Lauterbach gegenüber ntv erklärte.
Ein deutlich weniger dramatisches Bild zeichnet der Immunologe Carsten Watzl in einem Interview mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Wir haben aktuell zwei Entwicklungen, die gegeneinander arbeiten. Zum einen ein saisonaler Effekt, der die Zahlen drückt, und auf der anderen Seite mit Omikron anders als in vergangenen Sommern eine Variante, die deutlich ansteckender ist.“ Der Experte rechnet also mit einer ähnlichen Entwicklung, wie sie schon in Portugal zu beobachten war. Dort hatte die Omikron-Untervariante BA.5 zwar zu einem sehr starken Anstieg der Inzidenzen geführt, auf die Krankenhäuser und insbesondere die Intensivstationen hatte das aber praktisch keinerlei Auswirkungen. Daher ergänzt Watzl: „Ich denke aber nicht, dass BA.5 den saisonalen Effekt komplett aufheben wird. Wahrscheinlich werden wir es mit Inzidenzen im Bereich von 500, 600, 700 zu tun haben. Dass wir, wie im letzten Winter, die 2000 erreichen, glaube ich nicht.“
SPD und Grüne klammern sich an Impfzentren
Wie sehr sich die im Zuge von Corona in Deutschland etablierten Infrastrukturen und Maßnahmen in den Köpfen der Menschen schon als Normalzustand verfestigt haben, zeigt das Beispiel von Stefan Schwartze. Der SPD-Politiker ist Patientenbeauftragter der Bundesregierung und kann oder will sich nicht vorstellen, dass man in diesem Zusammenhang „auf irgendetwas verzichten“ kann, was nach Schwartz‘ Meinung offensichtlich auch für leere Impfzentren gilt. Er mahne „an jeder Stelle“ zur Vorsicht, betont der Patientenschützer und beweist damit, dass er der Linie seines Genossen und Gesundheitsministers Karl Lauterbach stramm folgt.
Auch der Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen (Grüne) möchte an den Impfzentren festhalten und fordert für den Herbst „ein breit angelegtes Programm für Auffrischungsimpfungen“, um weitere Todesfälle, insbesondere in den „hochbetagten Altersgruppen“, zu vermeiden. „Ich halte es vor dem Hintergrund neuer wissenschaftlicher Daten für dringend erforderlich, dass wir in Deutschland die Empfehlungen zur zweiten Auffrischungsimpfung noch einmal prüfen und gegebenenfalls rechtzeitig ausweiten“, sagte Dahmen, verschwieg dabei jedoch, auf welche „neuen wissenschaftlichen Daten“ er sich bezog.
Laut Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) ist der „zweite Booster“, also der insgesamt vierte „Pieks“ mit der wirksamen Impfung, bisher lediglich für die Altersgruppe der über 70-Jährigen, die Beschäftigten in Krankenhäusern und Pflegeheimen sowie Menschen mit Vorerkrankungen vorgesehen. Aber auch dieses Mal wird es leider nicht die Frage sein, ob die Stiko dem steigenden Druck aus der Politik nachgeben und den „zweiten Booster“ auch für Jüngere empfehlen wird, sondern lediglich, wann sie das tun wird. Dieses Muster hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren bereits eingespielt und wird wohl spätestens im Herbst erneut angewendet werden.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: Cineberg / ShutterstockText: kr
mehr von Kai Rebmann auf reitschuster.de