Die „Impffront“ bröckelt weiter. Diesmal ist es die „Welt“, die den nächsten Stein aus der ideologischen Mauer der Impf-Hardliner herausbricht, die keinen Widerspruch und keinen Zweifel akzeptieren. Unter dem Titel „mRNA-Impfstoff: Wir brauchen solide Studien zu den Booster-Impfstoffen“ druckt das Blatt einen Gastbeitrag von Matthias von Herrath ab, der bisher noch unter der Kategorie „Ketzerei“ gelaufen wäre. Herrath ist Professor und Direktor des Diabetesforschungszentrums am La Jolla Institut für Immunologie in Kalifornien und Vizepräsident des Pharma-Unternehmens Novonordisk.
„Die US-Behörden untersuchen Schlaganfälle bei geboosterten Älteren – und eine Studie wirft die Frage auf, inwiefern sich häufiges Impfen negativ auf das Infektionsrisiko auswirkt“, so fasst die „Welt“ die Quintessenz des Beitrags zusammen, der leider wie die meisten kritischen Beiträge hinter einer Bezahlschranke steht: „Wir müssen Nutzen und Risiken der Covid-Booster neu bewerten!“
Großbritannien sei „Deutschland wieder einmal voraus“, führt Herrath aus: „Die Ständige Impfkommission der Briten, das Joint Committee for Vaccination and Immunisation, hat beschlossen, Booster-Impfungen gegen SARS-Cov-2 nur noch für über 50-Jährige und Vulnerable zu empfehlen. Das ist eine vernünftige Entscheidung, die man schon vor einer Weile hätte treffen können – und die auch in anderen Ländern fällig ist.“
Angesichts des verminderten Mortalitätsrisikos sei „es auch an der Zeit, mögliche Impfnebenwirkungen neu zu bewerten“, fordert Herrath: „So meldeten US-Gesundheitsbehörden erst kürzlich, dass es möglicherweise zu einem Anstieg von Schlaganfällen bei Senioren gekommen sei, die mit dem aktuellen bivalenten mRNA-Impfstoff von Biontech geimpft worden waren.“
Die US-Arzneimittelbehörde FDA und die „Centers for Disease Control and Prevention“ (CDC), das US-Gegenstück zum RKI in Berlin, teilten demnach mit, dass man in einer einschlägigen Datenbank ein entsprechendes „Risikosignal“ für „ischämischen Hirninfarkt“ innerhalb von 21 Tagen nach der Impfung beobachtet habe, so Herrath. Es handle sich zwar um ein einzelnes „Signal“, aber es solle schnell untersucht werden, „um sicher zu sein, dass es nicht nur eine Zufallsbeobachtung ist“.
Erst vor wenigen Tagen räumte eine CDC-Datenexpertin gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters ein, dass sich die Rate der in der Datenbank beobachteten Schlaganfälle seit Anfang Januar zwar verlangsamt habe, das Signal aber immer noch statistisch signifikant sei – also wahrscheinlich nicht zufällig. Immerhin laufen in den Vereinigten Staaten die bivalenten Booster noch immer unter Notfallzulassung, in Europa gab es einen Schnellzulassungsprozess.
Diese Eile, mit der zum Beispiel der Schnellzulassungsprozess zu Anfang der Pandemie begründet wurde, gebe es jetzt allerdings nicht mehr, angesichts der reduzierten Sterberate. „Sie beinhaltet das Risiko, dass wir möglicherweise wichtige Nebenwirkungen nicht kennen“, mahnt Herrath: „Es ist schwieriger, Daten zu Impfnebenwirkungen nach der Zulassung zu sammeln, weil die Meldungen freiwillig sind und daher auch fehleranfälliger – verglichen mit kontrollierten, randomisierten und doppelt-verblindeten klinischen Untersuchungen, zu denen die Hersteller vor der Zulassung verpflichtet sind.“
Auch „bei jüngeren Männern kann das Risiko einer Herzmuskelentzündung nach der Impfung schwerer wiegen als ihr Nutzen“, so der Immunologe: „Dass die Impfungen das Gefäßsystem beeinträchtigen können, ist bereits bekannt. Aber ruft der Impfstoff mehr oder andere Proteine hervor, als eine Infektion das vermag? Doch die wichtigste Frage lautet: Brauchen wir immer wieder Booster?“
Was der Immunologe dann noch ausspricht, dürfte Lauterbach & Co. in Schnappatmung versetzen: „Das wichtigste Argument der Behörden bei der raschen Zulassung der Booster-Impfstoffe war, dass sie zuverlässig die Produktion von Antikörpern gegen Covid in Gang setzen. Leider ist diese Produktion von Antikörpern kurzlebig. Obendrein ist unklar, ob sie auch vor schweren Verläufen schützen.“
Unerfreulich sei zudem, „dass die Hersteller ihre Daten, die klar zeigten, dass die Booster keine Infektionen verhindern, den Mitgliedern der Zulassungskommission erst vorlegten, nachdem die bereits grünes Licht gegeben hatten“, mahnt Herrath: „Das ist sehr unüblich und unterminiert die Prüfung, was auch von etlichen Mitgliedern der Kommission bemängelt wurde, insbesondere deswegen, weil die Daten einen Schutz vor Infektionen und schweren Verläufen nicht bestätigen konnten.“
Herrath verweist auch auf eine Veröffentlichung vom Dezember 2022 (die noch nicht peer-reviewed ist), die zeigt, dass Infektionen mit Omikron und anderen Varianten zwar erwartungsgemäß vor neuen Infektionen schützen, dass aber häufiges Boostern genau den umgekehrten Effekt hat. „Wenn häufiges Boostern Erkrankungen beschleunigen kann, wäre das ein Anlass zur Sorge.“
Schlimmer noch: „Es könnte etwa sein, dass viele Booster das Immunsystem unerwünscht ablenken (Stichwort: original antigenic sin) oder durch andauernde Präsenz von viralen Proteinen Formen von Toleranz induzieren, die bei der echten Infektion nicht auftreten.“ Das Wissen darüber, wie der bivalente Impfstoff die Immunität vermittele, sei lückenhaft, so Herrath: „Wir brauchen solide klinische Untersuchungen zu den Booster-Impfstoffen. Und in dieser Lage ist es schwer nachvollziehbar, warum Politiker und Hersteller zur Eile beim Boostern aufrufen.“
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