Instrumentalisierung eines Mordes Teile der Medien und Politik missbrauchen Idar-Oberstein

Von Alexander Wallasch

Ein junger Mann, der sich an einer Tankstelle in Idar-Oberstein per Aushilfstätigkeit ein paar Mark dazuverdienen wollte, wird von einem Kunden erschossen, der auch nach Aufforderung seine Maske nicht aufsetzen wollte. Nach Stand der Ermittlungen soll es keinerlei private Verbindung zwischen Täter und Opfer geben.

Der Täter muss ein geistig verwirrter bzw. seelisch schwerst erkrankter Mensch sein. Jeder Bürger in Deutschland, der sich im öffentlichen Raum bewegt, kennt diese täglichen Aufforderungen, eine Maske aufzusetzen, die Maske anders aufzusetzen oder wie auch immer.

Nichts, aber auch wirklich gar nichts daran gibt Anlass, sich irgendwie gewalttätig gegen den Überbringer der Aufforderung zu wenden.

Ja, es kann lästig oder verstörend sein, wenn man in einem Geschäft auch noch von anderen Kunden angesprochen oder belehrt wird, weil man etwa die Maske vergessen hat aufzusetzen oder sie falsch aufgesetzt hat, oder weil es für den Moment vom Auto ins Geschäft einmal zu hektisch wurde, jeder kennt auch den Gang zurück zum Auto, weil man die Maske schlicht vergessen hat.

Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Niemand zieht deshalb eine Waffe, die Wenigsten haben überhaupt eine zu Hause herumliegen – es besteht auch nicht die Gefahr, dass das zukünftig so sein könnte. Dafür spricht nichts, wer es dennoch behauptet, der betreibt ein böses Spiel letztlich auf Kosten des Opfers dieses feigen irren Mordanschlages von Idar-Oberstein.

Warum? Nach jetzigem Stand der Ermittlungen und einiger journalistischer Investigativarbeit könnte das Irrsein des Täters auf einer Reihe von Faktoren beruhen, die jeden Kriminalpsychologen hellhörig machen dürften.
So soll der Vater des Mannes Anfang 2020 erst seine Frau in den Kopf und dann sich selbst erschossen haben. Eine Familientragödie. Die Frau konnte allerdings gerettet werden, ihr aktueller Zustand ist unbekannt. Dieses massive Schicksal in der Familiengeschichte des Täters könnte zumindest ein Hinweisgeber sein für ein späteres Irrsein, dass zur Tat geführt haben könnte.

Was allerdings in einer so frühen Phase der Ermittlungen und zweifellos im Zusammenhang mit dem nahenden Wahlkampf von einer Reihe von namhaften Politikern aus diesem Mord gemacht wird, ist eine schlimme Eskalationsstufe, basierend auf der politischen Verkommenheit dieser Personen:

So sah hier beispielsweise der SPD-Politiker Karl Lauterbach eine Gelegenheit, einem SPD-Genossen – jenem, der sich im Wahlkreis von Hans-Georg Maaßen (CDU) bewirbt – zur Seite zu springen, indem er Maaßen als einen Nazi beschimpft und Kontakte von Maaßen gleich mit. Auslöser dafür sind wohl Veröffentlichungen eines mutmaßlichen Twitter-Accounts des Täters, der dort auch Maaßen folgt, ebenso wie Bild-Chef Julian Reichelt.

Eine Kontaktschuld sondergleichen. Und so furchtbar grausam die Tat des Irren, so schlimm auch diese Gulag-Methoden eines Sozialdemokraten, der dafür eigentlich von seiner Partei sofort aus der politischen Debatte ausgeschlossen gehört. Funktioniert aber nicht, weil solche Schweinereien vielfach passiert sind in den wenigen Stunden seit dem Mord.

Es ist so entsetzlich wie verstörend und es ist der Familie des Opfers gegenüber besonders beschämend, die Mordtat gegen ihren Sohn instrumentalisiert zu sehen bis hinauf zu Aussagen eines damit fast schon debil erscheinenden Bundesinnenministers.

Man kann allenfalls hoffen, dass diese Eskalationen und machtpolitischen Exzesse nach der Bundestagswahl in wenigen Tagen wieder zurückgefahren werden. Aber wahrscheinlich ist das nicht. Und zuletzt soll hier noch erwähnt werden, was man diesen Profiteuren dieses furchtbaren Mordes nicht ersparen darf:

Es liegt insbesondere auch in Euren Händen, die tiefe Spaltung der Gesellschaft abzuwenden. Euer eskalierender Hass und Eure Hetze sind auch Teil des Treibstoffs. Es geht Euch um Macht und Machterhalt. Dafür seid ihr bereit, die Menschen aufeinanderzuhetzen. Dafür schreckt ihr offensichtlich nicht einmal zurück, den Mord eines zweifellos geistig vollkommen instabilen verwirrten Menschen an einem jungen Mann zu missbrauchen, der sein ganzes Leben noch vor sich hatte.

Es gab nach bisherigem Wissensstand keinen Zusammenhang zwischen Täter und Opfer. Die Kugel hätte also potenziell jeden treffen können, der irgendwie den aus Sicht des Verwirrten falschen Satz zum falschen Zeitpunkt geäußert hätte. Für die Hinterbliebenen ist das keinerlei Trost. Es kann keinen Trost geben, das junge Leben wurde auf furchtbarste Weise beendet.

Was allenfalls irgendwann für die Familie wichtig werden könnte: Diese Tat hätte kaum verhindert werden können. Irre Taten gibt es leider immer wieder. Man kann Menschen nicht in den Kopf schauen, der Wahnsinn entwickelt sich oft unbeobachtet.

Und im Fall von Mario N. aus Idar-Oberstein, der einen 20-jährigen Aushilfeangestellten einer Tankstelle im Ort erschoss, muss dieser Wahnsinn zum Schlimmsten angewachsen sein: Zum Mord an einem Mitmenschen ohne erkennbare Beweggründe. Der Familie des Opfers gehört jetzt unser Mitgefühl. Der Täter muss weggesperrt werden, um die Gesellschaft vor ihm und seinem Irrsinn zu schützen.

Die Fachleute werden in den nächsten Wochen und Monaten darüber befinden, wie mit Mario N. weiter zu verfahren ist, wohin er weggeschlossen wird.

Leute wie Karl Lauterbach und alle anderen Parteipolitiker – aber auch eine ganze Reihe von Medienvertretern und Journalisten – haben sich gerade mitschuldig gemacht, als sie so vorschnell dabei waren, diese schreckliche Tat für ihre politische Agenda zu missbrauchen mit dem festen Willen, den Graben quer durch die Gesellschaft noch zu vertiefen. Das ist mehr als nur beschämend, das ist ekelerregend und grausam.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann) schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“. Dieser Beitrag erschien zu erst auf seiner Seite alexander-wallasch.de.

Bild: Screenshot WELT Nachrichtensender, 22.09.2021
Text: wal

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