Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger
Es ist nur eine banale Fußnote in der Geschichte des Niedergangs.
Vor etlichen Jahren war es ein gängiger, inzwischen aber etwas aus der Mode geratener Scherz, bei jeder Erwähnung der Stadt Bielefeld zu äußern, Bielefeld gebe es gar nicht. Das war wohl etwas übertrieben, doch neueste Entwicklungen lassen manche vielleicht bedauern, dass es sich nur um einen Scherz gehandelt hat.
Denn in Bielefeld findet man neben manch Anderem auch eine Hochschule, die – wenig überraschend – Hochschule Bielefeld heißt. Zu Zeiten, als man im Hochschulbereich noch nicht so eitel war, nannte sie sich „Fachhochschule Bielefeld“ und machte damit deutlich, um was es sich handelte. Erst seit 2023 trägt die den hochtrabenden Namen „Hochschule Bielefeld – University of Applied Sciences and Arts“, eine Umbenennung, derer sich die Fachhochschulen schon seit vielen Jahren befleißigen, vielleicht weil sie sich der alten Bezeichnung als „Fachhochschule“ ein wenig schämen oder weil es so schön ist, jetzt einen englischen nichtssagenden Namen zu tragen.
Auch ich habe in ferner Vergangenheit einmal mein berufliches Unwesen an einer Fachhochschule getrieben, und vermutlich war es ein wenig übertrieben, als ein damaliger Kollege meinte, die Kollegenschaft habe eine wichtige soziale Aufgabe, denn schließlich hielten wir die Studenten davon ab, sich auf der Straße herumzutreiben. Inzwischen erhebt sich allerdings der Eindruck, dass diese Einschätzung weniger auf die Studenten- als vielmehr auf Teile der Professorenschaft zutreffen könnte. Die bedeutende Hochschule Bielefeld zeigt uns ein Beispiel.
Bereits im Januar 2025 konnte man in den dortigen Pressemitteilungen lesen, das Ministerium für Kultur und Wissenschaft stelle 450.000 Euro „für Professuren zur Förderung von Gendergerechtigkeit an der Hochschule Bielefeld und der Hochschule für Musik Detmold bereit.“ Was die Musik angeht, so konnte man lernen, „dass mehr Männer Blechblasinstrumente spielen, während überwiegend Frauen an der Harfe sitzen. Solche Muster entstehen bereits im Kindesalter und werden durch Haltungen in der Pädagogik unbewusst verstärkt.“ Es erinnert ein wenig an die alberne Idee, das Geschlecht sei nichts weiter als ein soziales Konstrukt – warum soll das bei musikalischen Vorlieben anders sein? Doch auch die Mathematik hat allem Anschein nach schon lange ihre Unschuld verloren. „Auch in der Mathematik und Technologie spiegeln sich Geschlechterungleichheiten wider: Algorithmen und mathematische Modelle können Vorurteile wie „Männer interessieren sich eher für Technik“ reproduzieren, wenn Genderaspekte nicht berücksichtigt werden.“ Warum man einen Algorithmus oder gar ein mathematisches Modell erstellen sollte, der oder das ein angebliches Vorurteil über Männer und Technik reproduziert, verrät uns die Pressemitteilung leider nicht; üblicherweise haben die Schöpfer von Algorithmen und mathematischen Modellen andere Sorgen.
Ungeachtet der völligen Sinnlosigkeit des Vorhabens wurde damals angekündigt, man werde eine Professur für „Gender-Gerechtigkeit in der Angewandten Mathematik“ einrichten. Nun bin ich etliche Jahre in der Angewandten Mathematik tätig gewesen und muss leider mitteilen, dass in all diesen Jahren nicht ein einziges Genderproblem meinen Weg gekreuzt hat. Doch in Bielefeld hatte man die feste Absicht, „geschlechterspezifische Fragen in Forschungsbereiche wie Data Science, Künstliche Intelligenz (KI) und Optimierung“ zu integrieren. Da haben sie zwar nichts verloren, aber ein Grund findet sich ja immer. Das Ziel sei es „unter anderem, mathematische Methoden zu entwickeln und in der Lehre zu vermitteln, die geschlechterspezifische Verzerrungen in Algorithmen erkennen und reduzieren können.“ Sollte irgendein Algorithmus mit „geschlechterspezifischen Verzerrungen“ belastet sein – bei relevanten Algorithmen zur Steuerung von Industrieanlagen, Raketen oder auch Waschmaschinen ist das eher nicht zu erwarten –, dann kann das allenfalls an der Aufgabenstellung durch den Auftraggeber liegen, aber nicht an der verwendeten Mathematik, der jede Art von Geschlecht völlig egal ist. Wie durch einen derartigen Missbrauch des Begriffs der Angewandten Mathematik „mehr Mädchen und Frauen für technische Berufe begeistert werden“ sollen, konnte schon im Januar niemand erklären, denn üblicherweise ergreifen Frauen und Männer und was sonst noch so da sein sollte einen mathematisch-technischen Beruf nicht wegen seiner Geschlechtergerechtigkeit, sondern weil sie sich für das Thema interessieren – und wer sich wirklich für Mathematik interessiert, ob Mann oder Frau, dürfte von Gendergeschwätz in der Mathematik eher angewidert als begeistert sein.
Doch jetzt ist es geschehen. Vor wenigen Tagen wurde die Ausschreibung der Hochschule Bielefeld, der „University of Applied Sciences and Arts“ veröffentlicht. Es ist der Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik, der eine „W2-Professur Gender-Gerechtigkeit in der Angewandten Mathematik“ besetzen möchte – eine Unverschämtheit gegenüber der Wichtigkeit der Genderforschung, denn W2 ist nicht die höchstmögliche Besoldungsgruppe für Professoren, das wäre W3, und so viel sollte den Herrschaften das bedeutende Thema schon wert sein. Und was stellen sie sich vor? Die Professorin oder der Professor oder das Professorx soll lehren und forschen „im Bereich der Gender-Gerechtigkeit in der Angewandten Mathematik mit einem besonderen Fokus auf Methoden der Data Science, Künstlichen Intelligenz, Diskreten Simulation und Optimierung.“ Diese vier Felder sind durchaus seriöse Bereiche, in der man seriöse Lehre und Forschung betreiben kann, allerdings sicher nicht über Gender-Gerechtigkeit, sondern über ernsthafte Probleme.
Ein abgeschlossenes Studium in Mathematik muss man mitbringen und eine Promotion in Mathematik oder anderen passenden Fächern, wobei sie hier wenigstens klug genug waren, ernstzunehmende Promotionsfächer zu verlangen und nicht etwa Gendertheorie. Aber ganz besonders wichtig ist: „Umfangreiche Erfahrungen in der Entwicklung und Anwendung von Methoden in Industrie und Wirtschaft mit Bezug zur Thematik Gender-Gerechtigkeit zeichnen Sie aus.“ Ja, da werden sich sicher zuhauf angewandte Mathematiker finden, die sich im Verlauf ihrer Berufstätigkeit mit der Thematik der Gender-Gerechtigkeit befasst und dazu auch noch irgendwelche Methoden entwickelt und angewandt haben – selbstverständlich, das gehört zum klassischen Berufsbild der angewandten Mathematiker in der freien Wirtschaft. Nun gut, vielleicht findet sich ja ein Bewerber, der sich durch Studium und Promotion geschlängelt hat, ohne viel zu verstehen – so etwas gibt es in jedem Fach –, und seither nur darauf wartet, seine Gender-Expertise an den Mann, die Frau oder was auch immer zu bringen.
Doch von ihren Bewerbern verlangen sie einiges in Bielefeld. Nicht nur, dass sie „in Bielefeld oder der näheren Umgebung wohnen“ müssen, sie sollen auch „Diversity- und Genderkompetenz gezielt in Lehre und Forschung“ einsetzen. Das könnte schwierig werden, da es weder Gender- noch Diversitykompetenz gibt und man etwas Nichtexistentes nur schwer in Lehre und Forschung einsetzen kann. Es ist auch nicht leicht zu sehen, wie so etwas wohl im Verlauf beispielsweise einer Vorlesung zur Analysis erfolgen soll. Will man die Vielfalt fördern, indem man nicht mehr nur Beweise zum Nachweis einer mathematischen Aussage zulässt, sondern auch tief empfundene Gewissheit, am besten bei grünem Tee und beim Rauchen einer Shisha? Wird ein Teil der Vorlesung davon handeln, dass man Integrale nach ihrem gewünschten Pronomen fragen muss, oder der Frage nachgehen, warum es wohl die Ableitung, aber das Integral heißt? Auch der in der Analysis häufig vorkommende Grenzwert trägt Probleme in sich, die vielleicht mit seiner toxischen Männlichkeit zu tun haben könnten. Man sieht, was möglich ist.
Von einer Hochschule mit starker „Ausrichtung auf Nachhaltigkeit, Vielfalt und Internationalität“ war wohl nichts Anderes zu erwarten. Ich kann nur nicht verstehen, warum das Vorhaben so einseitig bleibt. Warum hat man keine Stelle zur Migrationsgerechtigkeit in der Angewandten Mathematik eingerichtet? Wo bleibt die Professur zur Meinungsgerechtigkeit unter besonderer Berücksichtigung von Hass und Hetze, natürlich ebenfalls in der Angewandten Mathematik, wo sollte sie wohl sonst sein? Und wann werden sich die Bielefelder Mathematiker endlich dem grundlegenden Problem zuwenden, ob die Bevorzugung von Vanille- oder von Schokoladeneis auf einer geschmacksspezifischen Verzerrung in Algorithmen basiert? Da bleibt noch viel zu tun.
Es ist nicht wahr, dass es Bielefeld nicht gibt, ganz im Gegenteil: Es ist fast überall. Die Lächerlichkeit macht sich auch an den Hochschulen immer breiter, denn man braucht ja Posten für Gesinnungsfreunde, die kaum etwas Anderes können als Haltung zeigen.
„Die Mathematik ist eine gar herrliche Wissenschaft, aber die Mathematiker taugen oft den Henker nicht“, schrieb vor mehr als 200 Jahren Georg Christoph Lichtenberg. Jedenfalls nicht die Mathematiker, die sich für Genderunsinn hergeben.
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Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.
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