Intensivbetten: Wie Medien Angst schüren und verschleiern Irreführende Berichterstattung

Es sind Nachrichten, die kaum jemanden kalt lassen, die da etwa Focus Online verbreitet, eines der am meisten gelesenen Internet-Portale in Deutschland. Allein schon die Überschrift: „Niedrigster Wert seit Pandemiebeginn: Nur noch 3104 Intensivbetten frei“. Im Text heißt es sodann: „Die Zahl freier Intensivbetten ist in Deutschland auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Corona-Pandemie gefallen. Aktuell sind noch 3104 Betten frei, wie aus den Daten des DIVI-Intensivregisters hervorgeht. Am Vortag waren es noch 3417 und damit etwa 300 mehr freie Betten gewesen.“

Weiter ist zu lesen: „Neben steigenden Patientenzahlen gibt es noch weitere Gründe, warum die Zahl sinkt. Einer dieser Gründe ist der sogenannte Pflegeschlüssel, der angibt, wie viele Pfleger pro Intensivbett verfügbar sein müssen. Zu Beginn der Pandemie lag der Wert noch bei 2,5 Betten pro Pfleger (tagsüber) beziehungsweise 3,5 Betten in der Nacht. Zum 1. Januar wurde dieser Wert auf zwei respektive drei gesenkt, was natürlich auch Auswirkungen auf die Verfügbarkeiten hatte. Zudem fallen Pflegekräfte krankheitsbedingt aus, was ebenfalls zu weniger verfügbaren Betten führte.“

Kein Wort steht in dem Bericht zu den Hintergründen. Am 26. März habe ich auf der Bundespressekonferenz dem Sprecher von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Oliver Erhard, folgende Frage gestellt: „Heute haben Herr Wieler und Herr Spahn darauf verwiesen, dass wieder eine Überlastung der Intensivstationen drohen könnte. Im September gab es laut DIVI knapp 31.000 Plätze auf Intensivstationen. Inzwischen sind es 24.000. Wie kam es zu diesem massiven Rückgang um rund 20 Prozent mitten in der Pandemie?“

Ewald antwortete: „Ich kann an dieser Stelle nicht die Aussagen von Herrn Wieler und Herrn Spahn interpretieren oder bewerten, da bitte ich um Nachsicht. Die Auflistungen der Intensivkapazitäten sind im täglichen Situationsbericht des RKI hinterlegt. Da gibt es auch umfassende Erläuterungen zu der Entwicklung und auch Einschätzungen des RKI. Darauf möchte ich Sie verweisen.“

Ich hakte nach: „Aber das Bundesgesundheitsministerium muss doch die Zahl verfolgen. Sieht sie es mit Sorge, dass die Zahl der Intensivbetten mitten in der Pandemie um fast 20 Prozent zurückgegangen ist? Was macht das Ministerium, um hier entgegenzuwirken?“

Darauf Ewald: „Noch einmal: Ich verweise hier auf die Einschätzung des RKI.“

Ich fragte noch mal nach: „Sie haben also keine Meinung dazu?“

Ewald nickte (anzusehen ist die Szene hier).

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch folgende Grafik, die mir gestern ein Leser auf Twitter in die Kommentare postete:

 

Bemerkenswert ist auch, dass die 7-Tage-Notfallreserve von 10.392 Betten etwa in dem Focus-Bericht nicht erwähnt wird. Weil die Meldung dann nicht so dramatisch geklungen hätte?

Ich kann nun versuchen, das zu tun, was Spahns Sprecher nicht getan hat – mögliche Gründe für den Rückgang der Intensivbetten aufzählen. So mag dieser zumindest teilweise daran liegen, dass der Betreuungsaufwand bei Infizierten höher ist und dass auch insgesamt weniger Personal zur Verfügung steht, weil etwa Ärzte und Pfleger positiv getestet wurden und damit ausfallen. Aber das würde die Frage aufwerfen: Warum hat die Regierung in einem Jahr Pandemie da nicht entschieden gegengesteuert? So aber wird der Rückgang schlicht verschwiegen.

Mit kritischem Journalismus haben Meldungen wie der genannte Focus-Artikel nichts mehr zu tun. Dafür viel mit dem Schüren von Angst, ja Panik.

 

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

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Bild: Youtube/Phoenix/Screenshot
Text: br


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