Von reitschuster.de
Beim traditionellen Sommerfest der SPD in unmittelbarer Nähe zum Kanzleramt ist es in der vergangenen Woche zu einem „ungeheuerlichen Vorfall“ gekommen. Mit diesen Worten beschreibt SPD-Fraktionsgeschäftsführer Mathias Martin den heimtückischen Anschlag mit K.O.-Tropfen auf die rund 1.000 geladenen Gäste. Ein Sprecher bestätigte am Sonntag, dass bisher neun Opfer ermittelt werden konnten, die meisten davon seien Frauen. Für die SPD besonders brisant: Bei dem Fest handelte es sich um ein internes Event, zu dem nur Angehörige der Fraktion sowie deren Mitarbeiter eingeladen waren, auch Bundeskanzler Olaf Scholz gehörte zu den Gästen. Nicht auszuschließen also, dass es sich bei dem oder den Tätern um Leute aus den eigenen Reihen handelt.
Die Geschehnisse auf dem Hoffest vor dem Kanzleramt wirkten auch in den folgenden Tagen noch nach. Katja Mast, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin, wird in einem Schreiben der Fraktionsleitung wie folgt zitiert: „Wir sind alle entsetzt und werden alles in unserer Macht Stehende tun, um diesen unglaublichen Vorgang aufzuklären“. An welche konkreten Maßnahmen die SPD-Fraktion dabei denkt, wollte Mast auf Anfrage nicht sagen. Und so bleibt es bei dem eher allgemein gehaltenen Aufruf der Fraktionsspitze an mögliche Opfer, sich an die Polizei zu wenden und Anzeige gegen Unbekannt zu stellen.
Opfer berichten von Schwindelanfällen und Erinnerungslücken
Dass bei dem SPD-Fest im Berliner Tiergarten nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist, dämmerte den Verantwortlichen bereits am Donnerstag. An diesem Tag meldete sich eine Frau bei der Polizei und gab an, nachmittags und abends auf dem Fest gewesen zu sein und dort gegessen und getrunken zu haben, aber ausdrücklich keinen Alkohol. Dennoch habe sie gegen 21:30 Uhr über Schwindelgefühle und Unwohlsein geklagt, an den weiteren Verlauf des Abends könne sie sich nicht mehr erinnern, so die Polizei in einer Pressemitteilung. Das Ergebnis einer Blutprobe sowie einer toxikologischen Untersuchung stünden zwar noch aus, jedoch deute alles auf den Einsatz sogenannter K.O.-Tropfen hin. Dabei handelt es sich um eine Droge, die die Opfer, meistens Frauen, in den oben beschriebenen Zustand versetzen sollen, um diese dann zu bestehlen und/oder sexuell zu misshandeln.
Bis zum Samstag haben sich vier weitere mutmaßliche Opfer bei der Polizei gemeldet, am Sonntag war bereits von insgesamt neun Verdachtsfällen die Rede. Eine namentlich nicht genannte Mitarbeiterin der SPD-Fraktion wird von der dpa wie folgt zitiert: „Meine Kolleginnen haben mir berichtet, ich sei erst noch ansprechbar gewesen, und dass mir schwindelig war, aber ich kann mich daran nicht erinnern, mir fehlt diese halbe Stunde, ich hatte einen totalen Blackout“. Die junge Frau gab zwar an, neben Wasser auch Wein getrunken zu haben, dennoch nannte sie es „gruselig“, dass sich ein solcher Vorgang auf einem internen Fest ihrer Fraktion ereignet habe.
Ähnlich lautet auch die Einschätzung der Bundestagsabgeordneten Ariane Fäscher, die gegenüber der Märkischen Oderzeitung beklagt: „Solch ein Fest findet in einem recht vertrauten Rahmen statt. Umso erschreckender ist es, wenn man sich dabei nicht mehr sicher fühlt.“ Dass es den bisherigen Erkenntnissen der Polizei zufolge in diesem Zusammenhang nicht zu weiteren Straftaten wie etwa Diebstahl oder sexuellen Übergriffen gekommen ist, dürfte für die SPD da nur ein schwacher Trost sein.
Bild: Rico Markus/ShutterstockText: reitschuster.de
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