Von Kai Rebmann
Die Kündigung eines angehenden Auszubildenden durch die in Heilbronn ansässige Anwaltskanzlei Sickenberger Rehmet Frauenknecht ging in den vergangenen Tagen viral. Nur wenige Tage, bevor die Ausbildung zum Rechtsanwalt-Fachangestellten hätte beginnen sollen, wurde Mio Trautner der Stuhl vor die Tür gestellt. Sein Verbrechen: Der 16-Jährige engagiert sich in seiner Freizeit ehrenamtlich als Pressesprecher der Jungen Alternative in Baden-Württemberg.
Dabei wurde der Ausbildungsvertrag bereits im April 2024 unterschrieben, nachdem Trautner zuvor offenbar sowohl beim Bewerbungsgespräch selbst als auch bei einem anschließenden Probetag in der Kanzlei zu überzeugen wusste. Jetzt aber sollen ihm seine aus Sicht des Arbeitsgebers nicht genehmen Ansichten zum Verhängnis werden. Der Jung-Politiker will gegen den Rauswurf vorgehen und hat sich bereits an die Rechtsanwaltskammer Stuttgart sowie das Arbeitsgericht Heilbronn gewendet.
'Gutmenschentum' wichtiger als Meinungsfreiheit?
In dem Kündigungsschreiben, das offenkundig an Trautners Eltern adressiert war, heißt es unter anderem: „Auch wenn keine Verpflichtung zur Angabe von Gründen besteht, teilen wir Ihnen hiermit mit, dass Ihr Sohn, wie uns jetzt bekannt geworden ist, in der AfD / Jungen Alternative politisch tätig ist und unter anderem Fotos veröffentlicht, auf denen er mit rechtsextremen Politikern abgebildet ist. Die AfD / Junge Alternative vertritt Ansichten, die wir nicht teilen und welche nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Unter diesen Voraussetzungen kommt eine Ausbildung Ihres Sohnes für uns nicht in Betracht.“
Mit dieser Passage macht sich die Kanzlei möglicherweise angreifbar, und das aus mehreren Gründen. Tatsächlich ist eine Kündigung während der Probezeit juristisch unproblematisch – wenn diese ohne Angabe von Gründen erfolgt. Da in diesem Fall ein Grund aber explizit genannt wurde – Trautners Engagement bei der Jungen Alternative – wird sich juristisch die Frage stellen, ob der Nachwuchs-Politiker durch den Arbeitgeber diskriminiert wurde.
Kaum verständlich, weshalb sich ausgerechnet eine Anwaltskanzlei auf juristisch derart dünnes Eis begibt. Wäre es aus Sicht des Arbeitgebers nicht die einfachste Lösung gewesen, dem Azubi ohne Angabe von Gründen zu kündigen? Oder war es der Kanzlei besonders wichtig – und allen möglichen Bedenken zum Trotz – die eigene „korrekte“ Haltung in den Vordergrund zu stellen und die Zugehörigkeit zu den „Guten“ zu untermauern? Unklar!
Ferner werden AfD und Junge Alternative wiederholt gleichgestellt, was ebenso wie bei den anderen Parteien und deren Nachwuchsorganisationen aber nicht zutrifft. Im Sinne der Demokratie und Meinungsfreiheit ist zudem die Formulierung problematisch, wonach die Kündigung auch erfolge, weil Trautner Ansichten vertrete, „die wir nicht teilen“. Zwar steht da noch der Zusatz „und welche nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen“, dennoch lässt das Ganze sehr tief blicken.
Azubi nach Abstammung und religiöser Gesinnung ausgefragt
Ebenso im Ungefähren bleibt die Andeutung, Trautner habe Fotos veröffentlicht, auf welchen er „mit rechtsextremen Politikern“ abgebildet sei. Trautner selbst vermutet, dass sich die Kanzlei dabei auf Alice Weidel und Björn Höcke bezieht, was zumindest im Falle der AfD-Chefin aber ohne jede rechtliche Grundlage wäre. Und in dem Schreiben ist ausdrücklich vom Plural die Rede, es kann also nicht allein Höcke gemeint sein.
Dr. Markus Sickenberger sieht in der Kündigung seines Azubis und deren Begründung kein Problem. Gegenüber der „Heilbronner Stimme“ macht der Rechtsanwalt geltend, die Beschäftigung eines aktiven Mitglieds der Jungen Alternative hätte „zu einer erheblichen und unzumutbaren Beeinträchtigung der Interessen unserer Partnerschaft“ geführt. Weiter wirft Sickenberger Trautner vor, dieser sollte sich „vielmehr selbst die Frage beantworten, aus welchem Grund er seine rechtsextreme Einstellung verheimlichte.“
Doch auch das ist offenbar, glaubt man Trautner, nicht einmal die halbe Wahrheit. Der Jugendliche sagt, er sei im Rahmen des Bewerbungsgesprächs nach seinen Hobbys befragt worden und habe dabei unter anderem „Politik“ angegeben. Weiter habe er mitgeteilt, dass er in einer Jugendorganisation mitarbeite. Weitere, diesbezügliche Nachfragen habe es nicht gegeben, wären diese aber gekommen, so hätte er auch den Namen der Partei genannt.
Von einem „Verheimlichen“ kann also keine Rede sein. Vielmehr hat Trautner sogar bereitwillig Auskunft auf Fragen gegeben, die ihm sein künftiger Arbeitgeber – immerhin eine Anwaltskanzlei – aus rechtlicher Sicht gar nicht hätte stellen dürfen. So sei der Bewerber unter anderem zu seinen Eltern und seiner Religion befragt worden, wie Marc Platzek von der Good Governance Gewerkschaft (GGG) ausführt, die Trautner in diesem Fall gerichtlich vertritt. Der JA-Politiker habe daraufhin erklärt, „nicht religiös“ zu sein.
Entlassung 'nach Gutsherrenart'
Ein Schlichtungsverfahren vor der Rechtsanwaltskammer Stuttgart verlief fruchtlos. In einem Schreiben an die Kammer (liegt reitschuster.de vor) argumentiert Platzek unter anderem: „Die Kündigung beruht auf der Erfassung politischer, religiöser, rassistischer und ethnischer Daten seiner Mitarbeiter durch den Antragsgegner und zeigt eine für einen Rechtsanwalt erschütternde Ferne zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung.“
Laut Artikel 9 I, DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) ist eben die Erfassung der oben genannten Daten durch den Arbeitgeber untersagt. Auch das sollte gerade eine Anwaltskanzlei aber unbedingt wissen. Davon ganz abgesehen, erscheint es ohnehin fraglich, ob Sickenberger und seiner Partner erst nach der Vertragsunterzeichnung Kenntnis von Trautners politischem Engagement erlangt haben. Es wäre jedenfalls mehr als ungewöhnlich im digitalen Zeitalter, in dem wohl jedes Unternehmen potenziell zukünftige Arbeitnehmer im Rahmen einer kurzen Google-Suche zumindest oberflächlich abklopft.
Das sieht auch Trautner so und sagt: „Man hatte Monate Zeit, um über mich zu recherchieren. Es reicht aus, meinen Namen bei Google einzugeben, um fündig zu werden. Sollte man das nicht sogar tun, bevor man jemanden einstellt?“
Platzek zieht in einem Schreiben an die Rechtsanwaltskammer Stuttgart folgendes Fazit: „Die Kündigung, die unserem Mitglied massiven Schaden – den Verlust eines ganzen Lebensjahres Berufsleben – zufügt, ist demnach allein einem finanziellen Interesse des Antragsgegners geschuldet, der rechtswidrig besondere Kategorien von Daten seiner Mitarbeiter erhebt und nach Gutsherrenart und unter Verletzung der tragenden Werte des Grundgesetzes – hier der dieses tragenden Meinungsfreiheit – nach seiner eigenen politischen und religiösen Sicht Mitarbeiter entlassen will, dies auch noch ausdrücklich so kommuniziert.“
Pikant: Dr. Markus Sickenberger, der Seniorpartner der Kanzlei, die Trautner auf die Straße gesetzt hat, ist Vorstandsmitglied bei der Rechtsanwaltskammer Stuttgart – der Stelle also, vor der das Schlichtungsverfahren geführt wurde.
Es mag zwar ein schwacher Trost sein, aber immerhin scheint das erste Berufsjahr für Mio Trautner nicht gänzlich verloren. Ein namentlich nicht bekannter und von dem JA-Mitglied auch nicht genannter AfD-Bundestagsabgeordneter gibt Trautner jetzt, nachdem dieser von dem Fall erfahren hatte, die Möglichkeit, ein unbefristetes Praktikum zu absolvieren.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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