Von Daniel Weinmann
Eine kürzlich veröffentlichte, noch nicht peer reviewte Studie der Uniklinik Essen zeigt, welche gravierenden Auswirkungen Corona auf Kinder haben kann: Studienleiter Christian Dohna-Schwake beziffert den Anstieg der Suizidrate im zweiten Lockdown um 400 Prozent gegenüber der Zeit vor der Pandemie. Sehr viel mehr Kinder seien deswegen auf den Intensivstationen gelandet, so der leitende Oberarzt der pädiatrischen Intensivmedizin und Facharzt für Kinderheilkunde an der Essener Uniklinik (reitschuster.de berichtete).
Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat dazu seine eigene Meinung. Im TV Polit-Talk „Hart aber fair“ äußerte der Mann, der stets wenig Gutes zu verkünden hat, Zweifel an einem direkten Zusammenhang zwischen dem strengen Lockdown und psychischen Folgen. „Furchtbarerweise“ gebe es derlei Probleme auch in Ländern, in denen weniger Corona-Maßnahmen ergriffen worden seien, so der SPD-Politiker. Dies dürfe aber nicht dem Lockdown „in die Schuhe geschoben werden“, das gebe diese Studie aus seiner Sicht nicht her.
Die Betonung mag auf dem Einschub „aus seiner Sicht“ gelegen haben, denn die Kritik kam prompt. „Das Leid der Kinder kleinzureden, ist respektlos und weltfremd“, konterte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge laut „Welt“.
Rückendeckung von der SPD – Die FDP gibt sich wachsweich
„Suizidversuche sind nur die traurige Spitze des Eisberges.“ Zahllose Kinder seien durch den Ausnahmezustand der letzten zwei Jahre psychischen Belastungen ausgesetzt – oft unbemerkt. „Kinder leiden in dieser Pandemie ganz besonders“, mahnte der CDU-Politiker, „statt das zu relativieren, sollte der Gesundheitsminister sich verstärkt mit der Kinder- und Jugendgesundheit befassen.“
Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Susanna Ferschl, forderte Lauterbach auf, die Realität anzuerkennen, „anstatt sie wegzudiskutieren“.
Die FDP wiederum wollte sich nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen und hielt sich mit Blick auf eine konkrete Bewertung Lauterbachs dezent zurück. Stattdessen setzte man auf Banalitäten wie den Appell, die psychische Situation der Jüngeren künftig in den Mittelpunkt zu rücken. Der familienpolitische Sprecher der Fraktion, Matthias Seestern-Pauly, drückte dies so aus: „Kinder und Jugendliche leiden ganz besonders unter der Corona-Krise und ihren Auswirkungen.“ Ein Versprechen, wie so oft bei der Lindner-FDP, durfte nicht fehlen: Die Regierung wolle deswegen psychische Erkrankungen „entstigmatisieren“ und den Zugang zu psychotherapeutischen Behandlungen insbesondere für Kinder und Jugendliche verbessern.
Vater von fünf Kindern, doch keine Empathie
Rückdeckung erhielt Lauterbach indes von Parteifreund und SPD-Fraktionsvize Sönke Rix: „Der Gesundheitsminister hat recht: Bislang fehlt der wissenschaftlich eindeutige Beleg dafür, dass der Lockdown für die Zunahme psychischer Belastungen bei Kindern und Jugendlichen ursächlich ist.“
Damit verdeutlichte er en passant die grundsätzliche Corona-Politik der SPD: Man bemängelt den „eindeutigen wissenschaftlichen Beleg“ für die Zunahme psychischer Belastungen. Offen bleibt allerdings, wo ebenjener „eindeutige wissenschaftliche Beleg“ dafür ist, dass eine Impfpflicht aus der Pandemie führt.
Dass Lauterbach einer Umfrage zufolge zu den beliebtesten Politikern Deutschlands zählt, lässt sich angesichts seiner Einlassungen allenfalls mit einer mutierten Variante des Stockholm-Syndroms erklären. Das Einzige, was Lauterbach mit Blick auf Kinder einzufallen scheint, ist, sie zu impfen – am besten alle, am liebsten sofort. „Kinderimpfstoff ist genug da“, frohlockte er etwa im Dezember, als er bei zwei Kindern selbst Hand anlegte.
Obwohl Vater von fünf Kindern, fehlt dem Perma-Warner offensichtlich jegliche Empathie für kleine Menschen. Ein möglicher Grund für den kühl kalkulierenden Politiker: Wer unter 18 ist, darf ihn noch nicht wählen.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
Bild: photocosmos1/ShutterstockText: dw