Von Daniel Weinmann
Kinder gehören zu den Hauptleidtragenden in der Corona-Pandemie. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Umso bizarrer mutet an, dass genau jene am meisten von den bevorstehenden Maßnahmenlockerungen profitieren, die am härtesten dafür einstanden. So darf Bayerns Landesvater Markus Söder Fasching feiern, als wäre nie etwas gewesen – während die Kleinen nach mittlerweile fast zwei Jahren noch immer viele Tests machen und mit der Maske im Unterricht sitzen müssen.
Genesene und geimpfte Erwachsenen dürfen im Restaurant sprechen und speisen – genesene oder geimpfte Kinder, die sich drei- bis fünfmal jede Woche testen lassen, dürfen trotzdem nicht in der Schule die Masken absetzen. Selbst im Sportunterricht müssen Schüler in Bayern Masken tragen – während sich Erwachsene in Fitnessstudios ohne Maske ertüchtigen.
Während in anderen Bundesländern wie Niedersachsen, Sachsen-Anhalt oder Schleswig-Holstein das Auslaufen der Maskenpflicht an Schulen bereits beschlossen ist oder geplant wird, steht die bayerische Staatsregierung auf der Bremse. Sie sei weiterhin „Team Vorsicht“, aber auch „Team Freiheit“, verkündete Ministerpräsident Markus Söder Mitte Februar.
Morbide Verfasstheit dieses Staates im Umgang mit seinen Jüngsten
Zwar fordert die Opposition rasche Lockerungen. Obwohl in Bayern mit dem Ausstieg aus den Corona-Maßnahmen begonnen worden sei, habe die Söder-Regierung „leider wieder einmal Kinder und Jugendliche hinten angestellt“, moniert die Bildungsexpertin der Grünen, Gabriele Triebel.
Doch die Staatsregierung mauert. Auf die Frage, für wann Bayern die Abschaffung der Maskenpflicht im Schulunterricht plant, sagte Holetschek der „Augsburger Allgemeinen“, der Staatsregierung seien sicherer Präsenzunterricht in den Schulen und der Gesundheitsschutz der Schüler besonders wichtig.
Fast höhnisch muten vor diesem Hintergrund die „kleinen Erleichterungen“ der Regierung Söder an: Bayerns Schüler dürfen wieder im Musikunterricht singen und Blasinstrumente spielen – aber nur mit einem erweiterten Sicherheitsabstand.
Dies passt zum Duktus des jüngsten Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz, in dem es heißt: „Kinder und Jugendliche haben in den letzten zwei Jahren große Solidarität gezeigt, leiden aber auch in besonderem Maße unter der Pandemie und den damit verbundenen Beschränkungen. Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder betonen die Notwendigkeit, auch weiterhin sämtliche Anstrengungen zu unternehmen, die Folgen der Pandemie für Kinder und Jugendliche abzumildern.“
Es spricht für die morbide Verfasstheit dieses Staates im Umgang mit seinen Jüngsten, wenn mit „sämtliche Anstrengungen“ gemeint sein sollte, dass Kinder im Unterricht singen dürfen.
Sähen die Beschlüsse anders aus, wenn Kinderstimmen Wählerstimmen wären?
Vor diesem Hintergrund verwundert nicht, dass laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerks nur noch eine Minderheit der Bundesbürger ihr Land für kinderfreundlich hält. Dieser Aussage stimmen nur noch 48 Prozent der von dem Umfrageinstitut Forsa befragten Erwachsenen zu. 2018 waren es immerhin noch 56 Prozent.
92 Prozent der Befragten bezeichneten es als „sehr wichtig“ oder „wichtig“, dass die Interessen der Kleinen auch in Krisenzeiten berücksichtigt werden. Lediglich 17 Prozent glauben, dass dies tatsächlich erfüllt wird. „Wir wurden während der Corona-Pandemie leider immer wieder Zeugen einer grundlegenden Geringschätzung gegenüber den Bedürfnissen von Kindern“, bringt es der Präsident des Kindeshilfswerks, Thomas Krüger, auf den Punkt.
Am kommenden Wochenende beginnen die Faschingsferien – und einmal mehr werden die Kinder wenig zu lachen haben. Immerhin: Für sie wurde ja „Kinderkarneval digital“ erfunden. Fragt sich nur: Sähen die Beschlüsse anders aus, wenn Kinderstimmen Wählerstimmen wären?
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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