Warum auf Fragen antworten, wenn man auch einfach das sagen kann, was man ohnehin vorbereitet hat? An dieses Motto fühlte ich mich am Freitag auf der Bundespressekonferenz erinnert. Meine Frage an die Sprecherin von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Parissa Hajebi: „In den Medien ist die Rede von einem Israel-Effekt, weil immer mehr Geimpfte auf den Intensivstationen sind. Laut Robert Koch-Institut war das erwartbar. Warum wurde es dann nicht schon früher kommuniziert?“
Die Antwort der Sprecherin: „Ich kann nur wiederholen, dass wir Medienberichte hier nicht kommentieren. Allgemein kann ich sagen, dass der Minister immer wieder betont hat, dass mehr als 90 Prozent der Coronapatienten auf den Intensivstationen nicht geimpft sind. Das deckt sich auch mit Berichten von Intensivmedizinern. Wir wollen auch noch einmal sagen, dass Impfen vor Infektionen und vor allem vor schwerer Erkrankung schützt.“
Das Verweigern von Antworten ist dabei leider keine Ausnahme. In funktionierenden Demokratien und Medienlandschaften müsste es massive Empörung hervorrufen. In Angela Merkels Deutschland gibt es vor allem Empörung darüber, dass „böse“ Journalisten wie ich mit den „bösen“ Fragen und „bösen“ Berichten wie diesem die arme Regierung bloßstellen (ich habe es noch so gelernt, dass das meine Aufgabe ist in einer Demokratie und kein „rechtes“ Vergehen gegen den ach so guten Staat). Von zahlreichen Beispielen für die Antwort-Verweigerung hier nur eines – vom 11. Oktober. Da gab es folgenden Wortwechsel auf der Bundespressekonferenz:
REITSCHUSTER: „Ich habe zum Thema Corona eine Frage an das Bundesgesundheitsministerium und an Frau Demmer. Der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, sagt – Zitat aus der „WELT“ –, die definierten Meldeverfahren seien noch immer unzureichend und einer Pandemie dieses Ausmaßes unangemessen. Ein weiteres Zitat ist, aufgrund falscher und unzureichender Daten seien für Millionen Menschen gravierende Entscheidungen getroffen und Grundrechte eingeschränkt worden. Wer übernimmt dafür die Verantwortung? Wird es Entlassungen geben?“
HAJEBI: „Ich kann gerne anfangen. – Es ist ja so, dass wir Kommentare im öffentlichen Raum nicht kommentieren. Wir haben in der Regierungspressekonferenz schon öfter gesagt, dass wir die Maßnahmen anhand der vorliegenden Daten im Einvernehmen mit Bund und Ländern ergreifen. Ich möchte betonen, dass die Daten des RKI eindeutig zeigen, dass wir es mit einer Epidemie der Ungeimpften zu tun haben. Wer sich impfen lässt, erkrankt deutlich seltener und ist weniger ansteckend.“
REITSCHUSTER: „Laut Leibniz-Gutachten für das Bundesgesundheitsministerium waren rund 290 000 Coronafälle im Krankenhaus rein klinische Diagnosen ohne Test. Warum wurde in so vielen Fällen nicht getestet?“
HAJEBI: „Auch diese Diskussion hatten wir hier in der Regierungspressekonferenz schon öfter. Ich kann sagen, dass zu keinem Zeitpunkt mehr als 25 Prozent der Intensivbetten mit COVID-19-Patienten belegt waren. Das ist der hohen Zahl von Intensivbetten zu verdanken. Für das Jahr 2020 kommt der Bericht der Wissenschaft für den Beirat zu dem Ergebnis, dass der Anteil der intensivmedizinischen Behandlungen im Zusammenhang mit COVID-19 bei 21,1 Prozent lag.“
VORSITZENDER DETJEN: „Ich weiß nicht, ob die Frage richtig verstanden worden ist. Die Frage bezog sich darauf, dass laut einem Gutachten 290 000 Coronafälle aufgrund klinischer Diagnosen in die Statistik eingeflossen seien und, wenn ich das richtig verstehe, dort keine Tests vorgenommen worden seien.“
HAJEBI: „Auch dazu hatte sich mein Kollege letzten Freitag geäußert. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.“
VORSITZENDER DETJEN: „Eine Frage bzw. einen Hinweis von Herrn Reitschuster an das Bundesgesundheitsministerium: ‚Sie haben eben gesagt, dass die Frage zu den 290 000 rein klinischen Fällen, die gar nicht auf Corona getestet wurden, am Freitag beantwortet worden sei. Ich habe das im Protokoll nachgesehen. Die Frage wurde von mir am Freitag nicht gestellt und folglich auch nicht beantwortet. Daher bitte ich um eine Beantwortung.‘
Ich habe eben auch versucht, das nachzuschauen. Diese spezifische Frage konnte ich im Protokoll weder als Frage noch als Antwort finden. Die Frage bezog sich, wenn ich das richtig in Erinnerung habe – ich habe sie hier schon gelöscht, auf ein Leibnitz-Gutachten, 290 000 Fälle seien klinisch diagnostiziert, aber nicht getestet worden. Ob die Zusammenfassung des Gutachtens so stimmt, kann ich nicht beurteilen.“
HAJEBI: „Wir haben öfter gesagt, dass wir hier in der BPK wissenschaftliche Diskussionen nicht führen. Dafür ist das hier nicht der richtige Ort. Wenn Herr Reitschuster wissenschaftliche Fragen bzw. Fragen zu Studien hat, soll er sich bitte an das RKI wenden.“
Bild: Shutterstock
Text: reitschuster.de
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