Von Alexander Wallasch
Der Vereinsname klingt seriös nach einer Interessenvertretung für Ärzte, die sich mit der Gesundheit von Minderjährigen befassen. Leider aber hat sich der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ) mit Sitz in Köln unter dem Einfluss der Corona-Politik mittlerweile auf für Eltern inakzeptable Art und Weise politisiert.
Aktuell macht der Verein, dem mehr als 10.000 Kinder- und Jugendärzte angehören sollen, mit einer Reihe von Forderungen auf sich aufmerksam, die Eltern darüber ins Grübeln bringen könnten, ihren Nachwuchs zukünftig zu einem Arzt zu schicken, der hier noch Vereinsmitglied ist. Besorgte Eltern kommen gar nicht mehr hinterher, so maschinengewehrartig feuert der BVKJ gerade Forderungen zu den unterschiedlichsten Corona-Debatten in den Medienwald.
Aber was bitte soll man von einer Organisation halten, die sich das Wohl der Jüngsten auf die Fahnen geschrieben hat, die es aber kaum abwarten kann, gesunde Kinder und Jugendliche ohne Vorerkrankungen zu impfen, die nur in sehr seltenen Fällen überhaupt an Corona erkranken können?
Und was soll man von einem Verein denken, der zudem eine Impfpflicht für Erwachsene fordert, die aber gar nicht zu seinem Stammpublikum gehören? Dazu gleich mehr.
Ideologische Ausrichtung
Auffällig ist auch eine Umweltagenda des Vereins: Hier wird fleißig im links-grün Trüben gefischt und munter drauflos politisiert, als wäre die Mitgliedschaft etwa auch an eine politische Haltung gebunden.
Der „Präsident“ des Vereins – Titel gehören zum guten Stil im deutschen Vereinswesen, wo ein Vorstand doch genügt hätte – der Präsident erklärte schon 2014 zur Arbeit des BVKJ, die Organisation befasse sich „schwerpunktmäßig mit den Umwelteinflüssen auf die Kindergesundheit. Zu dieser Problematik wurde die Broschüre ‘Gesunde Umwelt – Ein Grundrecht für Kinder und Jugendliche‘ veröffentlicht“.
Bei den Veröffentlichungen auf der Internetseite des Vereins jagt dann eine Übergriffigkeit die andere:
Gefordert wird eine „Allgemeine Impfpflicht für Erwachsene! Und keine BioNTech-Deckelung“. Außerdem bekennt sich der Verein zur „gendergerechten Sprache und tritt Charta der Vielfalt bei“. Der BVKJ ist zudem davon überzeugt: „Kinder brauchen Klimaschutz jetzt!“. Außerdem will man die „Ernährungswende jetzt anpacken!“ Dafür fordert der Verein ein breites Bündnis von SPD, Grünen und FDP. Der BVKJ will eine „Politik für eine Ernährungswende“.
Das und noch einiges mehr wird da innerhalb weniger Tage und Wochen publiziert und verbreitet. Ist das alles nur Anbiederung? Aber an wen? An eine zukünftige Regierung unter grüner Ideologieherrschaft und die linksradikale Antifa-Impfen-ist-Liebe-Bewegung? Was erhofft sich der BVKJ da konkret?
Nur 30 Dosen Biontech pro Woche und Kinderarzt beklagt der Verein. Und per Twitter fordert er obendrauf, dass die Impf-Förderung unbedingt mit in den Koalitionsvertrag gehört.
Die Vertreter der Kinder und Jugendärzte wollen eine „umgehende Einführung einer allgemeinen Impfpflicht für Erwachsene“. Schriftlich teilt man mit: „Dies wurde heute auf der jährlichen Delegiertenversammlung in einer Resolution beschlossen.“
Hetze gegen Ungeimpfte
Der Bundessprecher des Vereins klagt gerade an und schaffte es damit bis ins ZDF: „Dass weiterhin 25 Prozent der 18- bis 59-Jährigen und 15 Prozent der über 59-Jährigen nicht geimpft sind, ist die größte Gefahr und die größte Infektionsquelle für Kinder.“
Und weiter heißt es in besagter Resolution: Es sei „nicht hinnehmbar, dass aufgrund der fehlenden Impfungen einer Minderheit weiterhin wesentliche Grundrechte aller Bürger, aber insbesondere die der Kinder und Jugendlichen, eingeschränkt werden“.
Aber was für Kausalitäten in Schieflage sind das eigentlich? Jetzt werden vom Verein geimpfte Eltern auf ungeimpfte gehetzt, weil letztere die Rückerlangung der Grundrechte der Kinder verhindern würden?
Erschreckend ist, dass hier nicht etwa ein Mob auf der Straße eskaliert, sondern Menschen, welche mit kräftiger Unterstützung des Steuerzahlers die akademische medizinische Laufbahn genommen haben und eine Zulassung erhalten haben, das Gelernte an Kindern zu praktizieren.
Aber es geht noch weiter: Der Verein erklärt nämlich in bedauerlich klingen wollendem Ton: Zwar werde mit einer Impfpflicht „formal das Recht auf körperliche Unversehrtheit eingeschränkt“. Das sei aber akzeptabel, weil ansonsten die Grundrechte anderer betroffen oder eingeschränkt seien.
Die Impfpflicht für Erwachsene soll kommen, um die Kinder zu schützen und damit folge man ja eh nur „dem nahezu einstimmigen Rat der seriösen medizinischen Wissenschaft“. Alle anderen Meinungen sind demnach Leugnungen, das mittlerweile altbekannte Diffamierungsmuster durchdringt also auch hier alles und jeden.
Und wie gefährlich unsinnig in der Sache gestandene Mediziner agieren, belegt eindrucksvoll eine Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) von Mitte September. Da heißt es nämlich, die Krankheitslast bei Kindern sei „vergleichbar mit anderen Erregern wie Influenza oder der Atemwegserkrankung RSV.“ Ja, auch hier ist der Genesungsprozess mitunter mühsam für das Kind, aber kaum jemand würde deshalb für Erwachsene eine Zwangsimpfung gegen Grippe einfordern.
Irritierend erscheint beim Auftritt dieses Vereins vor allem diese Verabschiedung vom gesunden Menschenverstand. Aber nicht nur von dem: Die Vereinsmitglieder sollten ja auch über medizinisches Knowhow verfügen, das es gerade ihnen erlaubt, nicht so einen haarsträubenden Unsinn in die Welt zu setzen. Ein Unsinn vor allem, der noch ganz andere kritische Fragen generiert: Warum machen sie es dennoch?
Der BVKJ fordert eine Impfpflicht bzw. eine flächendeckende und dauerhafte „2G“-Regel für alle Erwachsenen.
Zu einem Zeitpunkt, wo noch nicht einmal abgeklärt ist, ob Kinder in seltenen Fällen mehr durch eine Impfung gefährdet wären, als durch eine Infektion, ist es zudem medizinisch-ethisch kaum zu vertreten, gesunde Kinder ohne Vorerkrankungen jetzt flächendeckend impfen zu wollen. Das Presseportal spricht sogar davon, diese Ärzte würden „rebellieren“ gegen die knappe Zuteilung an Impfdosen für „Ihre“ Kinder und Jugendlichen.
Angesichts dessen, dass bei Jugendlichen teilweise die Einwilligung der Eltern für eine Impfentscheidung nicht verlangt wird, sollte Eltern, die ihre gesunden Kinder nicht impfen lassen wollen, weil diese nicht gefährdet sind, empfohlen werden, solche Ärzte vorerst zu meiden, wenn diese weiter einem so aggressiv und spalterisch auftretenden Verein angehören.
Forderung nach staatlichen Eingriffen
Übrigens: Der Verein unterstützt u.a. auch die Forderung, „ungesunde Lebensmittel“ nicht mehr gegenüber Kindern zu bewerben. Es bräuchte „verbindliche gesetzliche Regeln, um Kinder in allen medialen Formaten – einschließlich Social Influencing – vor Werbung für ungesunde Lebensmittel zu schützen. Auch Werbung für Erwachsene muss stärker reguliert werden“.
Der BVKJ ist wirklich für jeden Blödsinn zu haben, Hauptsache schön laut in eigener Sache trommeln.
Und weil man gerade so fleißig am Fordern ist, wird gleich noch der ganz große Bogen gespannt und der Präsident persönlich will „die Hitzesommer und andere Extremwetterereignisse“ bekämpft wissen, weil solche Wetterphänomene, „die sich seit einigen Jahren häufen“ würden, vor allem jungen Kindern Probleme machen.
Und als wären Spezialisten der kommenden Apokalypse wie beispielsweise Karl Lauterbach (SPD) hier Paten gewesen, wird Eltern und Kindern final richtig Bange gemacht:
„Ändert sich jetzt nicht schnell etwas, werden die Kinder von heute in ein paar Jahren mit aller Wucht die Untätigkeit der politisch Verantwortlichen mit ihrer Gesundheit bezahlen müssen.“
Lobbyismus ist das eine. Kommt aber noch das Phänomen des ideologischen Wahns hinzu, dann kann man Eltern nur wünschen, ruhig Blut zu bewahren und solchen Empfehlungen mit dem für ihre Kinder mit Abstand wichtigsten Instrument zu begegnen: „Ihrem gesunden Menschenverstand.“
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.
Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“.
Bild: Shutterstock
Text: wal
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