Von Daniel Weinmann
Die alljährlich kurz vor dem Jahresende veröffentlichte repräsentative Umfrage der Deutschen Krankenhausgesellschaft erschreckt. 2024 werden so viele Kliniken wie nie zuvor in die Zahlungsunfähigkeit rutschen. „Wir verzeichnen aktuell deutlich mehr Insolvenzen als üblich und das Jahr 2024 droht ein Rekordinsolvenzjahr zu werden“, mahnte Verbandschef Gerald Gaß. Gab es im vergangenen Jahr knapp 40 Pleiten, sieht er nun die Gefahr, „dass sich diese Zahl wegen der absehbar starken Personalkostenentwicklung noch verdoppelt“.
Gaß bezieht sich laut „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ auf das aktuelle Krankenhausbarometer des Deutschen Krankenhausinstituts für 2024, das 388 Kliniken mit mindestens 100 Betten befragt hat. 78 Prozent der erwarten für das abgelaufene Jahr ein negatives Jahresergebnis. 2022 schreiben nur 54 Prozent der Krankenhäuser ihre Bilanz mit roter Tinte.
Der Anteil der Krankenhäuser mit einem Jahresüberschuss wird voraussichtlich von 35 auf nur noch sieben Prozent sinken. Der Erhebung zufolge rechnen inzwischen 71 Prozent der Krankenhäuser mit einer weiteren Verschlechterung im kommenden Jahr. Lediglich vier Prozent erwarten eine Verbesserung. Kaum ein Krankenhaus kann seine Ausgaben noch aus den laufenden Einnahmen decken.
Lauterbach hält Kliniksterben für »ausgeschlossen«
„Das sind die schlechtesten Werte seit Einführung des Krankenhausbarometers im Jahr 2000“, wettert Gaß – und fordert einen Inflationsausgleich für Krankenhäuser. Die Kliniken seien nicht in der Lage, ihre Preise selbstständig an die Teuerung anzupassen, hätten aber die gleichen Ausgabensteigerungen wie andere Wirtschaftszweige. „Dieses Ungleichgewicht führt zunehmend zu Insolvenzen und Schließungen“, befürchtet der diplomierte Volkswirt und Soziologe. Seine Prognose: Bis zum Jahresende fehlen den Kliniken insgesamt zehn Milliarden Euro.
Für den Gesundheitsminister kann derweil nicht sein, was nicht sein darf. Er lebt in seiner eigenen, schöngefärbten Welt: „Ich glaube nicht, dass 2024 das Jahr des Krankenhaussterbens sein wird. Das halte ich für ausgeschlossen“, postulierte Karl Lauterbach erst Mitte November. Die Zahl der Krankenhäuser, die als Standorte ausscheiden werden, hält er für überschaubar.
Der Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands, Josef Düllings, sprach am gleichen Tag von einem aktuellen Desaster mit zunehmenden Insolvenzen bedarfsnotwendiger Krankenhäuser.
«Offenbarungseid des Gesundheitsministers«
Lauterbach vollzog damit eine glatte 180-Grad-Wende. Im Juni hatte er nämlich noch das getan, was er am besten kann: Er warnte. „Wir stehen wirklich am Vorabend eines Krankenhaussterbens“, verkündete er in der ihm stets gewogenen „Zeit“, „es werden leider auch Kliniken sterben, die gar nicht mal schlecht sind.“ Nach einer damaligen Modellrechnung des Gesundheitsministeriums könnten von den derzeit gut 1700 Kliniken im Land nur noch rund 1000 übrigbleiben. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sprach von einem Offenbarungseid des Gesundheitsministers.
Angesichts der desaströsen jüngsten Umfrage nimmt die Deutsche Krankenhausgesellschaft den Bundesgesundheitsminister in die Pflicht. Ein Scheitern der von ihm geplanten Krankenhausreform hätte verheerende Folgen. „Wir erwarten maßgebliche Weichenstellungen zur Reform im ersten Quartal des neuen Jahres. Lauterbach muss jetzt handeln und auch für die Krankenhäuser wirtschaftliche Stabilität und Planungssicherheit schaffen“, las Vorstandschef Gaß dem SPD-Politiker die Leviten.
Auch die Ärzte zeigen klare Kante. Aus Protest gegen die Politik des Gesundheitsministers haben mehr als 20 Ärzteverbände gemeinsam zum bundesweiten Streik vom 27. bis zum 29. Dezember aufgerufen. Tausende Praxen bleiben zwischen den Jahren zu. Der Vorwurf der Verbände: Die Medizin werde „kaputtgespart“ und die Praxen „ausgeblutet“.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
Bild: Tella-creations/Shutterstock