Von Daniel Weinmann
Lauterbach lässt nicht locker. Während fast täglich neue Länder die Aufhebung fast aller Corona-Maßnahmen ankündigen, sieht der Bundesgesundheitsminister Deutschland in einer Ausnahmestellung. Ein Ende aller größeren Corona-Beschränkungen kann vorerst kein Vorbild für Deutschland sein, lautet sein Credo. „Wir müssen mit unseren eigenen Regeln arbeiten, und die müssen immer die deutsche Sonderstellung berücksichtigen“, sagte der SPD-Politiker der „Zeit“.
Vor diesem Hintergrund überrascht kaum, dass Deutschlands oberster Mahner einmal mehr ein Kabinettstück ersonnen hat, das den Bundesbürgern das Leben schwerer macht. Konkret: Ab kommendem Herbst sollen die Voraussetzungen für den Impfnachweis bei der Einreise nach Deutschland verschärft werden. Vollständig geimpft ist ab dem 1. Oktober laut des Entwurfs der neuen Coronavirus-Einreiseverordnung nur, wer drei statt bislang zwei Impfungen vorweisen kann. Zwei Pikse gelten nur dann als vollständiger Schutz, wenn zusätzlich eine Genesung nachgewiesen werden kann.
Genau hier setzt Lauterbachs Gesundheitsministerium nach dem unwürdigen Hickhack um die willkürliche Verkürzung des Genesenenstatus den Hebel an: Der Entwurf sieht vor, den Genesenennachweis auf faktisch 62 Tage zu begrenzen, da die Testung mindestens 28 Tage und höchstens 90 Tage zurückliegen darf. Damit stellt sich Lauterbach gegen die EU, die sich beim Genesenenstatus auf eine Dauer von 180 Tage festlegt hat.
Lauterbach bewegt sich juristisch auf dünnem Eis
Der gesundheitspolitische Sprecher Tino Sorge (CDU) sieht darin laut „Welt“ einen nationalen Alleingang, der sich „auch im Lichte der abflachenden Omikron-Welle nicht rechtfertigen“ lasse.
Gegenwind könnte Lauterbach auch von der Justiz drohen. Erst gestern gab das Verwaltungsgericht Hannover dem Antrag eines Mannes auf einstweiligen Rechtsschutz statt, der gegen die Verkürzung seines Genesenenstatus auf 90 Tage durch das Robert Koch-Institut geklagt hatte. Tags zuvor hatte mit dem Verwaltungsgericht München ein weiteres Gericht die umstrittene Verkürzung des Genesenenstatus für rechtswidrig erklärt. Die Beschlüsse gelten jedoch nur für die Antragsteller.
Auch aus Sicht von Staatsrechtlern bewegt sich der Gesundheitsminister auf dünnem Eis. „Es passt nicht zusammen, die Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz zu befristen und das Einreiseregime davon unabhängig zu verlängern“, zitiert die „Welt“ Josef Lindner, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Augsburg. „Die Schaffung eines Anreizes zum Boostern mag gesundheitspolitisch sinnvoll sein, rechtfertigt jedoch keine schweren Freiheitsbeschränkungen“, sekundiert die Rechtswissenschaftlerin Anna Leisner-Egensperger von der Universität Jena. Um eine Verkürzung des Genesenenstatus verfassungsfest zu machen, müsse hieb- und stichfest dargelegt werden, dass diese aus infektiologischen Gründen notwendig sei.
Ob Lauterbachs jüngste Volte erfolgreich ist, wird sich bald erweisen. Der Kabinettsbeschluss steht in der kommenden Woche an.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
Bild: Juergen Nowak/ShutterstockText: dw