Michael Ballweg, der chaotische Radikaldemokrat Querdenken-711 veröffentlicht Transparenzbericht

Ballweg

Von Alexander Wallasch

Soviel vielleicht vorweg: Um über Querdenken und insbesondere den Gründer oder Erfinder dieser Bewegung, Michael Ballweg, zu sprechen, sollte man vorab drei Leitplanken setzen, um sich besser annähern zu können:

Zum einen die Feststellung, dass Ballweg 2020 im politischen Deutschland so etwas wie Person oder Newcomer des Jahres war: Kein anderer war mit einem Anliegen so erfolgreich wie er und erreichte so viele Menschen. Vergleicht man das beispielsweise mit der Aufstehen-Bewegung von Sahra Wagenknecht, die ja ebenfalls eine außerparlamentarische Opposition ins Leben rief, war Ballweg hier deutlich näher am Bürger, innovativer im Aufbau und thematisch so offensichtlich auch viel attraktiver.

Zweitens ist Michael Ballweg für die, die mit ihm zu tun haben, ein charmanter, freundlicher wie kameradschaftlicher Typ, dem man ein zwar unaufdringlich aufgestelltes, aber besonderes Charisma nicht absprechen kann.

Zuletzt muss man attestieren: Michael Ballweg selbst mag das Problem ja bekannt sein, das hinter diesem Spruch steckt: „Wie man es macht, macht man es falsch.“ Aber muss man es mutmaßlich so oft falsch machen?

Der tatsächlich massive Absturz der Querdenken-Bewegung Anfang 2021 war dann ebenso spektakulär wie der Aufstieg der Bewegung von Michael Ballweg Mitte 2020. Im Frühjahr 2021 geriet Querdenken ins Visier des Verfassungsschutzes, der öffentlich-rechtliche SWR schrieb dazu beispielsweise:

Wie das Bundesinnenministerium am Mittwoch in Berlin mitteilte, beobachtet das Bundesamt für Verfassungsschutz nun Personen und Gruppen innerhalb der „Querdenken“-Bewegung. Damit darf der Verfassungsschutz nun beispielsweise Daten zu bestimmten Personen aus der Szene sammeln.

Allerdings ist diese hysterische Reaktion spätestens mit dem erzwungenen Rücktritt des Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen etwas, das mindestens für Radikaldemokraten einem Ritterschlag nahekommt. Die Folgen allerdings dürften für jede Bewegung verheerend sein, weil sie fast schon automatisch die Löschung in den sozialen Medien nach sich ziehen bzw. Bankkonten gekündigt werden und weiteres Übel mehr.

Der Beobachtungsfall ist hier zweifellos auch zum politischen Instrument des Parteienstaates geworden, sich außerparlamentarischer Kräfte zu entledigen. Ballweg war zwischenzeitlich so etwas wie Staatsfeind Nr. 1 geworden, auch wenn es niemand so konkret benannte.

Reitschuster.de spricht dazu mit Hans-Georg Maaßen, der war von 2012 bis 2018 sechs Jahre lang Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und meint:

Generell vertrete ich seit 2013 die Auffassung, dass der Verfassungsschutz wie die Inlandsgeheimdienste in allen anderen europäischen Staaten sich prioritär mit gewaltbereitem Extremismus und Terrorismus und nicht mit legalen Organisationen, Parteien und Bewegungen befassen sollten. Das war bis vor wenigen Jahren auch die Position der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien und führte auch dazu, dass die extremistische Partei die Linke nicht mehr weiter vom Verfassungsschutz beobachtet wurde.

Sympathisch chaotisch oder gefährlich planlos?

Jetzt ist die Querdenken-Bewegung alles andere, als perfekt organisiert. Zwar gibt es eine Reihe von professionell wirkenden Instrumentarien – beispielsweise im Anmeldevorgang neuer Querdenken-Gruppen – aber der chaotische Moment war im Gesamtauftritt immer der spektakulärere.

Wo war der persönliche ‚Point of no return‘ für Michael Ballweg? Der Fall des politischen Newcomer-Platz-1-2020 begann, als bekannt wurde, dass der Querdenken-Gründer sich mit ausgerechnet jenen Leuten eingelassen hatte, mit denen sich einzulassen der Bewegung immer wieder vorgeworfen wurde. Wo die Reichsbürger in der Bewegung überhaupt keine Rolle spielten, gab ihnen ausgerechnet der Gründer der Bewegung eine Bühne.

Wohl wissend, dass das auch in den eigenen Reihen zu Protesten führen musste, als er zu einem Arbeitstreffen ins Restaurant „Hacienda Mexicana“ einlud, das sich versteht als Teil des „Königreiches Deutschland“. An der Tür hing ein Schild, das darauf hinwies, dass man mit Betreten nicht mehr Staatsangehöriger der Bundesrepublik sei. Zu Gast auf diesem Querdenken-Arbeitstreffen war auch Peter Fitzeck, der selbsternannte „König Peter I.“.

Ballweg rechtfertigte sich dazu persönlich in einem späteren Interview so:

Wir haben versucht, wieder ein großes Treffen zu organisieren. Sind dabei aber gescheitert, eine Räumlichkeit zu finden – es sind ja immer noch Treffen bis einhundert Personen erlaubt – aber wir haben keine Möglichkeit gefunden, eine Räumlichkeit anzumieten. Von daher stehe ich nach wie vor dazu. Das war auch zum damaligen Zeitpunkt die einzige Location, die uns angeboten wurde, die verfügbar war. Und bevor wir kein Treffen gemacht haben, haben wir gesagt, dann machen wir das Treffen dort. Es ist einfach extrem schwierig, vielleicht unvorstellbar für Außenstehende oder auch Beobachter, ein Treffen zu organisieren, wo man dann die notwendigen Räumlichkeiten findet…

Staatsfeind Nr.1

Ein weiterer Punkt für jene, welche Querdenken kleinhalten und diffamieren wollten, wurde das chaotisch und intransparent wirkende Finanzierungssystem der Bewegung. Auch hier steht Ballweg im Zentrum. Einnahmen und Ausgaben liefen über seinen Tisch, bezogen auf die Startfinanzierung wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass Ballweg doch seine Rentenverträge dafür aufgelöst hätte, aber Transparenz passierte darüber hinaus kaum.

Jetzt, Ende 2021, veröffentlichte die Bewegung einen „Transparenzbericht 2020“, der – will man ihm etwas Positives abgewinnen – vor allem eines widerspiegelt: das ganze Chaos, das bei Querdenken entstanden ist, irgendwo aufgerieben zwischen Michael Ballwegs persönlichem Auftritt, der so verhedderten Struktur seiner Querdenken-Gruppen, und einer immer aggressiver werdenden staatlichen Corona-Maßnahmenpolitik, die den einen schneller radikalisiert hat als den anderen und so die sowieso schon schwierige gemeinsame Schnittmengendefinition noch schwieriger gemacht hat.

In besagtem Transparenzbericht der Querdenken-Bewegung zitiert sich Ballweg quasi selbst, bezogen auf seine finanzielle Einlage, die immer wieder Anlass für Spekulationen war:

Das war mein Geschenk an die Menschen in diesem Land und das Geschenk an mich war, dass so viele Menschen das Geschenk angenommen haben und gekommen sind.

Man mag das überlesen wollen, aber man darf es nicht. Wer eine Bewegung so auf sich selbst ausrichtet – ganz unabhängig von späteren Rückzugsankündigungen – der stellt sich freiwillig in den Sturm. Und wer, nennen wir es mal: religiös aufgeladen formuliert, der darf sich bitte auch nicht über Irritationen wundern.

Einleitend heißt es in der Pressemitteilung von Querdenken-711, also gewissermaßen aus dem Stuttgarter Stammhaus der Ballweg-Bewegung:

Es wurden zahlreiche Artikel mit falschen Tatsachenbehauptungen zur Finanzierung von Querdenken-711 veröffentlicht. Aus diesem Grund haben wir uns einmalig zur Veröffentlichung von Zahlen für das Jahr 2020 entschieden. Zukünftige Veröffentlichungen wird es aus Gründen der persönlichen Sicherheit nicht geben.

Der letzte Satz klingt schräg: Welche Bedrohung sollte denn entstehen, wenn man seine Finanzierung offenlegt? Spender können doch anonymisiert werden, aber die Zahlen sollten doch stimmen.

Dieser Transparenzbericht ist eine Mischung aus Ballweg-Lyrik und ein paar unbefriedigenden Zahlen eher von der Ausgaben- als der Einnahmenseite. Aber auch die Ausgaben sind kaum detailliert. So wäre es beispielsweise hilfreich gewesen, einmal auseinanderzusetzen, wie über 200.000 Euro für die Leihtechnik für eine Demonstration im Einzelnen zusammengekommen sind, dafür muss man die Firmen gar nicht nennen.

Ein von reitschuster.de befragter Veranstalter meint dazu, dass so eine Summe aber durchaus zusammenkommen kann, die Skala wäre da nach oben offen, die preissenkenden Mitbewerber würden sich bei so einem großen Event deutlich ausdünnen.

Stattdessen wird der Bericht immer wieder dekoriert von emotionalen Einwürfen, die sich dann so lesen: „Deshalb ist dieser Bericht eine einmalige Aktion. Wer uns nicht vertraut, braucht uns nicht in Form einer Schenkung unterstützen.“

Auch ein geschenkter Gaul wird vom Finanzamt geritten

Ja, von Schenkungen ist auch die Rede. Aber hier werden nur geringe Summen genannt, die bei den Demonstrationen eingesammelt wurden – es fehlt der Verweis auf die regelmäßigen Spenden, die bei den Querdenkern – also bei Ballweg selbst – tagtäglich eingegangen sein müssen.

Die chaotische Aufbereitung des Transparenzberichts wird auch dadurch befördert, dass es zum einen die Pressemeldung gibt, die wiederum auf einen gar nicht so viel längeren „komplette(n)“ Transparenzbericht hinweist, dem dann aber noch ein 35-minütiges Video von Ballweg angefügt ist – das alles soll dann in Summe – ja, was eigentlich erzeugen oder bewirken?

Ballweg beginnt in seinem Video vom 10. November 2021 damit, zu erzählen, man hätte sich fast zwei Wochen lang für diesen Transparenzbericht eingeschlossen. Das scheint für diese eher dürftige Aufstellung sogar recht lang. Und auch Ballwegs 35 Minuten sind im Wesentlichen eine nochmalige Nacherzählung des dünnen Berichts.

Die Gesamtkosten der Bewegung werden für 2020 mit etwas mehr als einer Million Euro aufgeführt. Der Bewegung? Nein, hier geht es wohl nur um die Kosten für Querdenken-711. Um Querdenken insgesamt zu erfassen, müsste der Bericht demnach von jeder weiteren Gruppe noch einzeln aufgeführt werden. Was wiederum die Frage aufwirft, wie autonom die einzelnen Querdenken-Sektionen tatsächlich arbeiten konnten – da ist im Gespräch mit reitschuster.de die Rede davon, dass es mitunter schon Befindlichkeiten gegenüber Ballweg gegeben hätte.

Weitere Informationen soll das Presseteam von Querdenken-711 geben, die Sprecherin, die reitschuster.de telefonisch erreicht, ist aber schon gar nicht mehr für die Bewegung tätig, auch hier wirken mutmaßlich schon die Fliehkräfte der staatlichen Repressionen.

Die Sprecherin möchte jetzt gewissermaßen den Gang durch die Institutionen machen und berichtet von Dorfgemeinschaften, von Kooperativen mit regionalen Bauern und davon, dass man jetzt quasi „unter dem Radar“ den Marsch durch die Institutionen beginnen würde.

Ein Transparenzbericht ohne Einnahmen

Michael Ballweg ist am Telefon so charmant wie immer, sympathisch-kameradschaftlich im Ton, es menschelt sofort, aber wie er selbst sagt, sei er „auch sehr müde“.

Die wichtige Frage zum Schluss des Gesprächs: „Transparenzbericht hin oder her, wo sind denn die täglichen Spendeneinnahmen, die sind doch gar nicht aufgeführt worden?“ Michael Ballweg verweist auf das Kapitel „Einnahmen“ im Transparenzbericht. Das ist allerdings nur vier Sätze lang:

Derzeit befindet sich die Steuererklärung 2020 im Abschluss. Es gibt wenig überraschend auf Seiten des Finanzamts andere Auffassungen darüber, wie die Schenkungen verbucht werden sollen. Es fällt auf, dass Kritiker der Maßnahmen derzeit mit Steuerprüfungen überzogen werden. Während des laufenden Verfahrens werden keine Auskünfte erteilt.

Jeder, der einmal mit dem Finanzamt zu tun hatte, kann nachvollziehen, wie das gemeint ist. Aber nicht jeder, der mit dem Finanzamt zu tun hat, veröffentlicht einen Transparenzbericht, der leider an der entscheidenden Stelle versagt oder zwangsläufig versagen musste.

Michael Ballweg ist eine schillernde Persönlichkeit mit vielen Unbekannten. Ballweg hat sich verdient gemacht. Als so etwas wie Staatsfeind Nr.1 zu gelten, muss man erst einmal hinbekommen. Vergleichbar zur 68er-Bewegung ist es Ballweg 2020 gelungen, beim polit-medialen Komplex eine große Hysterie zu erzeugen.

Die Protagonisten des Parteienstaats mussten angesichts von Hunderttausenden auf der Straße des 17. Juni um ihre angestammten Fressnäpfe fürchten – Ballweg lehrte sie das Fürchten.

Später einmal werden sich Teilnehmer mit zu viel Pathos vielleicht gegenseitig erzählen, dass sie Ende August 2020 dabei waren, als dieser Stuttgarter sein deutsches Woodstock veranstaltet hat und mit diesem so pazifistisch erscheinenden Happening den Staat herausgefordert und ihm die Maske vom Gesicht gezogen und ihn zu so drastischen Abwehrmaßnahmen getrieben hat.

Das kann Ballweg keiner mehr nehmen, damit hat er sich in dicken Versalien in die Chronologie einer hyperventilierenden Zeit eingetragen.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“.

Bild:Michael Ballweg privat
Text: wal

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