Ein Gastbeitrag von Josef Kraus
Es gibt (pardon: gab!) sie doch noch: die integren und kundigen Fachleute in der SPD-Fraktion des Deutschen Bundestages. MdB Fritz Felgentreu ist einer davon. In den anderen Fraktionen und in der Truppe war er als verteidigungspolitischer Sprecher sehr angesehen. Nun hat er den Sprecherposten hingeworfen und seine Motive am Dienstag, 15. Dezember, 18 Uhr, über Twitter öffentlich verbreitet:
Vor wenigen Minuten hat sich die @spdbt darauf verständigt, einer Bewaffnung der Heron TP Drohnen der Bundeswehr vorerst nicht zuzustimmen, sondern ergebnisoffen breit öffentlich zu diskutieren. Das respektiere ich. Aber die Entscheidung stellt mich auch vor ein Dilemma: 1/5
— Fritz Felgentreu (@fritzfelgentreu) December 15, 2020
„Vor wenigen Minuten hat sich die SPD darauf verständigt, einer Bewaffnung der Heron TP Drohnen der Bundeswehr vorerst nicht zuzustimmen, sondern ergebnisoffen breit öffentlich zu diskutieren. Das respektiere ich. Aber die Entscheidung stellt mich auch vor ein Dilemma: Entweder ich stehe gegenüber der Öffentlichkeit und der Bundeswehr dazu, obwohl eigentlich alle wissen, dass ich anderer Auffassung bin – nicht sehr glaubwürdig … Oder ich distanziere mich öffentlich und gegenüber der Bundeswehr von meiner Fraktion und Partei. Als Mitglied von beiden erwarte ich aber von einem Sprecher mehr Loyalität und mehr Solidarität mit der Führung und der Mehrheit. Also auch nicht sehr glaubwürdig. Deshalb habe ich mein Amt als verteidigungspolitischer Sprecher niedergelegt … Die Medien bitte ich um Verständnis, dass ich zu dem Thema keine Interviews geben möchte.“
Hintergrund: Im GroKo-Koalitionsvertrag vom März 2018 hatte es unter Punkt 7 („Moderne Bundeswehr“) – mitunterzeichnet von der SPD – geheißen: „Wir werden im Rahmen der Europäischen Verteidigungsunion die Entwicklung der Euro-Drohne weiterführen. Als Übergangslösung wird die Drohne HERON TP geleast. Über die Beschaffung von Bewaffnung wird der Deutsche Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert entscheiden. Hierzu wird die Bundesregierung eine gesonderte Vorlage erstellen und dem Deutschen Bundestag zuleiten. Vor einer zukünftigen Beschaffung von bewaffnungsfertigen Drohnen sind die konzeptionellen Grundlagen für deren Einsatz zu schaffen. Völkerrechtswidrige Tötungen lehnen wir kategorisch ab, auch durch Drohnen.“
Eigentlich war damit alles klar! Aber dann? Acht Jahre lang hatte sich die SPD gegen die Beschaffung bewaffneter Drohnen gesträubt. Im Sommer 2020 rangen sich die Experten der SPD-Fraktion dennoch zu einem Ja zu Drohen durch. Damit schien der Weg frei für die entsprechende Ausrüstung der Bundeswehr. Er schien nur frei. Denn Anfang Dezember erklärte SPD-Co-Chef Norbert Walter-Borjans , dass er die Debatte über bewaffnete Bundeswehr-Drohnen „nicht für ausreichend“ halte. Nach acht (!) Jahren der Debatte!
Dazu kam dann noch Borjans‘ umwerfende „Argumentation“: „Die Grenze zwischen der Verteidigung von Leib und Leben unserer Soldaten und Töten per Joystick ist hauchdünn.“ Hinter all dem steckt natürlich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Er ist ein Betonkopf der alten militant-pazifistischen SPD-Garde.
Nun hat die SPD-„Spitze“ ihren verteidigungspolitischen Sprecher nicht nur im Regen stehen lassen, sondern mehr oder weniger hinauskatapultiert. Nicht anders war es dem renommierten und hochangesehenen Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels (SPD) ergangen. Er hätte gerne eine zweite fünfjährige Amtszeit gehabt. Nein, man ersetzte ihn im Mai 2020 durch die verteidigungspolitisch völlig unbeleckte Mützenich-Vertraute Eva Högl (SPD).
Soldaten sind der SPD egal
Das Pikante an der Sache freilich ist jetzt: Auch die Wehrbeauftragte Högl ist für die Anschaffung bewaffneter Drohnen: „Die Diskussion hat stattgefunden. Die Rahmenbedingungen sind klar. Ich halte das für entscheidungsreif“, hatte sie noch im Oktober 2020 gesagt.
So weit, so gut? Nein, so weit, so schlecht! Die SPD hat erneut bewiesen, dass ihr die Soldaten und deren Schutz egal sind. Und dass ihr das Ansehen Deutschlands in der NATO sonstwo vorbeigeht. Die vormalige Volkspartei SPD hat sich damit noch weiter ins politische Nirwana, also ins Nichts gebeamt.
Überhaupt gerieren sich die SPD-Führenden gernegroß, wenn es darum geht, Sicherheitsdienste wie Polizei und Bundeswehr in Misskredit zu bringen. Die SPD will hier offenbar die Grünen und die Links-Partei noch in den Schatten stellen. Man denke etwa an die unsäglichen Angriffe der anderen SPD-Vorsitzenden Esken gegen die Polizei.
Bei so viel Verbohrtheit ist es nur noch eine rhetorische Frage: Wie oft wohl werden sich so großartige Verteidigungsminister der SPD wie Helmut Schmidt (1969 – 1972) und Georg Leber (1972 – 1978) in ihren Gräbern herumdrehen?
Josef Kraus (*1949), Oberstudiendirektor a.D., Dipl.-Psychologe, 1987 bis 2017 ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, 1991 bis 2013 Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung; Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande (2009), Träger des Deutschen Sprachpreises 2018; Buchautor, Publizist; Buchtitel u.a. „Helikoptereltern“ (2013, auf der Spiegel-Bestsellerliste), „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“ (2017), „Sternstunden deutscher Sprache“ (2018; herausgegeben zusammen mit Walter Krämer), „50 Jahre Umerziehung – Die 68 und ihre Hinterlassenschaften“ (2018), „Nicht einmal bedingt abwehrbereit – Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine“ (2019, zusammen mit Richard Drexl)
Text: Gast