Neues Hütchenspiel mit der Übersterblichkeit Ifo Dresden verdreht Ergebnisse eigener Berechnung

Von Kai Rebmann

„In den Corona-Jahren starben 180.000 Menschen mehr als unter normalen Umständen erwartet“, so lautet die Überschrift einer aktuellen Pressemitteilung des ifo Instituts. Nun ist weder die Tatsache an sich, dass es in den vergangenen Jahren eine Übersterblichkeit gegeben hat, ein großes Geheimnis, noch wann diese genau eingesetzt hat. Trotzdem ist es immer wieder von Neuem erstaunlich, mit welchen durchsichtigen Bauerntricks selbst einstmals unabhängige Wissenschaftler sich vor den Karren der Politik und deren Narrative spannen lassen. Und für wie dumm sie ihre Mitmenschen halten. Diese mögen in der großen Mehrheit auf den jeweiligen Forschungsgebieten zwar Laien sein, aber sie haben Augen im Kopf und sind grundsätzlich zum Selberdenken befähigt worden.

Die nächsten ideologischen Nebelgranaten zur Verschleierung der immer wahrscheinlicher werdenden Umstände für diese hohe Übersterblichkeit wurden jetzt aus Dresden abgefeuert. Laut Berechnungen der dort ansässigen Zweigstelle des ifo Instituts sterben seit 2020 Jahr für Jahr mehr Bundesbürger, als statistisch eigentlich zu erwarten wäre. „Besonders schlecht geschützt waren die alten Menschen“, führt der stellvertretende Institutsleiter Joachim Ragnitz dazu aus. In der Altersgruppe 80 Jahre und älter sind demnach rund 116.000 Menschen mehr als üblich gestorben, in der Altersgruppe 60 bis 79 Jahre waren es 51.000, bei den 30- bis 59 jährigen noch 12.000 und in der Gruppe 0 bis 29 Jahren „sogar nur“ rund 900, wie es in dem Schreiben zusammenfassend heißt.

Nebelgranate Nr. 1: Der Trick mit der Rundung

Zugegeben, es mag etwas kleinlich wirken, zu überprüfen, ob das ifo Institut in seiner Pressemitteilung korrekt gerundet hat. Und wenn dies der einzige Fehler gewesen wäre, so wäre diese Ungenauigkeit wahrscheinlich nicht einmal aufgefallen, da sich niemand näher mit diesen Angaben beschäftigt bzw. diese angezweifelt hätte. So aber darf man sich schon fragen, warum bei den oben genannten Werten stets abgerundet worden ist, selbst dann, wenn sich genauere Angaben angeboten hätten oder man den Vorgaben der Mathematik folgend hätte aufrunden müssen. In der Altersgruppe der 0- bis 29-jährigen sind laut ifo Berechnungen seit Anfang 2020 genau 954 Menschen mehr gestorben als zu erwarten gewesen wäre. Warum also wählt man „rund 900“ und nicht „etwas mehr als 950“ oder „rund/knapp 1.000“? Die Antwort ist klar: Eine vierstellige Zahl an dieser Stelle – und noch dazu in diesem Zusammenhang – ist schlecht für die Augen. In der Altersgruppe 60 bis 79 Jahre haben 51.605 Menschen mehr als erwartet das Zeitliche gesegnet. Wenn man also schon auf Tausender rundet, wie es das ifo Institut macht, so wäre „rund 52.000“ die näherliegende Alternative gewesen. Aus mathematischer Sicht richtig gerundet wurde dagegen in der Altersklasse 30 – 59 Jahre (12.119) und 80 Jahre und älter (116.120). Wie gesagt, das sind nur Details, aber auch Kleinvieh macht bekanntlich Mist.

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Nebelgranate Nr. 2: Die Frage nach den Ursachen

„Überraschend ist, dass sich die Übersterblichkeit im Jahre 2022 noch einmal beschleunigt hat“, glaubt Ragnitz. Wohlgemerkt, hierbei handelt es sich um eine Erkenntnis, die auf Berechnungen seines eigenen Instituts beruht. Und weil das so ist, macht sich der ifo-Vize umgehend auf die Suche nach möglichen Erklärungsansätzen, die aus seiner Sicht erstens plausibel erscheinen und zweitens ins Narrativ passen. Wirklich fündig wird Ragnitz nicht, weshalb er sich wie folgt zitieren lässt: „Die genauen Gründe dafür sind noch ungeklärt. Eine Rolle gespielt haben dürften dabei auch die Hitzewellen im Sommer und die Grippewellen zum Ende des Jahres.“ Und hier die Ergebnisse der Berechnungen des ifo Instituts Dresden:

Es wird sofort ersichtlich, wann sich die Übersterblichkeit in Deutschland „nochmals beschleunigt“ hat. Dies war, anders als vom ifo-Vize erläutert, nicht im Jahr 2022 der Fall, sondern bereits im Jahr 2021. Zwischen den Jahren 2021 und 2022 fällt die weitere Zunahme vergleichsweise gering aus, bei den 30- bis 59-jährigen ist die Übersterblichkeit sogar zurückgegangen. Ein Jahr zuvor hatte die Übersterblichkeit in eben dieser Altersgruppe noch um das fast Sechsfache zugenommen, deutliche Anstiege waren auch in allen anderen Altersgruppen zu verzeichnen. Dennoch verschiebt das ifo Institut die „rasante Beschleunigung“ dieses Ereignisses auf das Jahr 2022. Weil Anfang 2021 die Impfkampagne forciert wurde und es deshalb gerade in diesem Jahr keine Auffälligkeiten bezüglich des Sterbegeschehens geben darf?

Dafür spricht der Verweis des ifo-Vizes auf die „Hitze- und Grippewellen“ im Jahr 2022, die im Gegensatz zur „Impfung“ als mögliche Gründe genannt werden. Wie ist es dann aber zu erklären, dass die Übersterblichkeit im Jahr 2021 nur unwesentlich geringer war als 2022, obwohl es damals weder Hitzewellen noch Grippewellen gegeben hat? Und wie ist vor allem die sehr viel niedrigere Übersterblichkeit im Jahr 2020 zu erklären? Zur Erinnerung: Damals traf ein neuartiges Virus mit seinen – wie wir heute wissen – bis dato gefährlichsten Varianten auf eine Bevölkerung ohne jeden Immunschutz dagegen. Eine „Impfung“ gab es in diesem Jahr ebenfalls noch nicht. Trotzdem hat die Übersterblichkeit erst ab dem Jahr 2021 explosionsartig zugenommen.

Nebelgranate Nr. 3: Nichtssagende Zusammenfassung absoluter Zahlen

Neben den eingangs erwähnten Rundungsfehlern fällt bei der Nennung der absoluten Zahlen noch etwas auf. Das ifo Institut Dresden betont zum Beispiel, dass es bei den Jüngsten (0 bis 29 Jahre) „sogar nur“ rund 900 zusätzliche Tote gegeben hat. Im Vergleich mit den 166.120 Verstorbenen in der Altersgruppe 80 Jahre und älter mag diese Zahl tatsächlich als gering, ja geradezu marginal erscheinen. Schon anders sieht es aus, wenn man diese Angaben ins prozentuale Verhältnis setzt.

Als Grundlage für seine Berechnungen zog das ifo Institut die Sterbefälle in den Jahren 2016 bis 2019 heran, also in der Vor-Corona-Zeit, und ermittelte hieraus die Durchschnittswerte in den jeweiligen Altersgruppen sowie für die Gesamtheit der Bevölkerung. Weitere bestimmende Faktoren waren die „Veränderungen der Altersstruktur“ und die „steigende Lebenserwartung“, die jedoch nur bei den Ältesten (80 Jahre und mehr) eine nennenswerte Rolle gespielt haben dürften. Denn: Unter 30-jährige machen das ganze Jahr über vieles, sie sterben in der Regel aber nicht, jedenfalls deutlich seltener als etwa ein 85-jähriger Senior.

Auf Grundlage der Daten des Statistischen Bundesamtes lässt sich errechnen, dass in den Jahren 2016 bis 2019 in der Altersgruppe 0 bis 29 Jahre durchschnittlich genau 7.809 Todesfälle zu beklagen waren. Für das Jahr 2020 hat das ifo Institut dann für eben diese Generation sogar eine Untersterblichkeit errechnet und bestätigt damit wohl eher ungewollt, dass Corona Kindern und Jugendlichen kaum etwas anhaben kann. Im Jahr 2022 dagegen sind 651 junge Menschen mehr gestorben als üblich. Die Übersterblichkeit im Vergleich zum Durchschnittswert (7.809 Tote) lag also bei 8,34 Prozent. Und hier die auf diesem Wege ermittelten Werte für die weiteren Altersgruppen: 30 – 59 Jahre (6,11 Prozent), 60 – 79 Jahre (6,84 Prozent) sowie 80 Jahre und älter (8,85 Prozent).

Fazit

Es ist also festzustellen: In der Altersgruppe (0 bis 29 Jahre), in der es während der Corona-Jahre „sogar nur“ 900 (eigentlich waren es 954) Tote mehr gegeben hat als üblich, lag die prozentuale Übersterblichkeit zuletzt mit am höchsten. An Grippe- und Hitzewellen liegt das eher nicht, denn mit solchen Umständen kommt der Mensch in aller Regel – abgesehen vielleicht von Säuglingen – umso besser zurecht, je jünger er ist. Diese Darstellung des ifo Instituts ist daher zumindest als irreführend zu bezeichnen.

Aber wer finanziert das ifo Institut eigentlich? Sie ahnen es! In einer bekannten Online-Enzyklopädie wird diese Frage wie folgt beantwortet: „Finanziert wird das ifo-Institut zurzeit zu etwa zwei Dritteln aus öffentlichen Mitteln (im Zuge der gemeinsamen Forschungsförderung von Bund und Ländern über die Leibniz-Gemeinschaft) und zu etwa einem Drittel aus den Erlösen für Drittmittelprojekte, die in der Regel ebenfalls von öffentlichen Auftraggebern stammen (‚wissenschaftliche Politikberatung‘).“ Und speziell in Bezug auf die in diesem Fall relevante Außenstelle heißt es: „Die Niederlassung Dresden finanziert sich überwiegend aus Zuwendungen des Freistaats Sachsen sowie in geringerem Umfang durch Drittmittel.“

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: DIE LINKE, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

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