Normalerweise schaffe ich es aufgrund der vielen Zuschriften zeitlich nicht, ausführlich zu antworten. In diesem Fall habe ich mich aber entschlossen, dies zu tun, und die Antwort zu veröffentlichen – weil sich wohl vielen Menschen heute in unserem Lande ähnliche Fragen stellen.
Erst kürzlich schrieb mir ein Leser, der sich als „geborener Sozialdemokrat“ bezeichnete: „Ich war mein Leben lang kein Patriot, habe viel von Humanismus und Nächstenliebe gehalten, vor allem weil ich in meinen Eltern gute Vorbilder hatte, die im Dritten Reich im Widerstand aktiv waren und Juden versteckten, meine junge und couragierte Mutter es gar wagte, auf dem Feld arbeitende polnische Fremdarbeiter dreisterweise als Menschen zu achten und respektvoll zu grüßen; du wirst es wahrscheinlich nicht wissen, aber das war damals streng verboten.
Ich bin heute noch für jedermann da und ein verständnisvoller Zuhörer und immer offen, doch dass mich meine Sympathie einmal in die Nähe einer Partei wie der AfD führt, hätte ich früher niemals für möglich gehalten. Doch wenn ich mir so die Redebeiträge in den Parlamenten ansehe und wie diese von Bürgern der Republik in einer halbwegs demokratischen Wahl in ihre Ämter gewählt wurden und nun nur noch beschimpft und als Rassisten und Nazis tituliert werden, wird es mir speiübel. Was ist das für eine fürchterliche Partei geworden.“
Was also kann man als Mann oder Frau aus der meist schweigenden Mitte tun? Nein, leider habe ich kein Patentrezept – aber umso wichtiger finde ich das Thema (und bitte auch um Anregungen – am besten via Kommentarfunktion unten, oder per Kontakt-Funktion hie).
Ich denke, engagieren kann sich jeder in seinem ganz persönlichen Umfeld. Keiner muss dabei so weit gehen, seinen Job oder seine Freundschaften zu riskieren (so weit sind wir inzwischen schon, dass dies droht bei falscher politischer Haltung) – aber jeder kann mäßigend wirken, kritische Nachfragen stellen, den Lautsprechern Nachdenkliches entgegenhalten. Sich für diejenigen aussprechen, die ausgegrenzt werden wegen ihrer politischen Ansichten. Auch, wer – wie ich selbst – Probleme mit der AfD hat, kann sich gegen die Stigmatisierung dieser aussprechen. Dagegen ihnen das Menschsein abzusprechen, wie das schon mal Prominente tun, unter Applaus. Dagegen, alle ihre Mitglieder oder Anhänger als Nazis bezeichnen, oder ihren Mitgliedern Restaurantbesuche zu verweigern oder ihren Kindern die gewünscht Schule.
Angesichts des massiven Trends, Gefahren nur „rechts“ zu sehen (was heute fatalerweise gleichbedeutend ist mit „rechtsextrem“), ist es wichtig, nicht müde zu werden, darauf zu verweisen, dass alle Formen von Extremismus gefährlich sind – auch linker und religiöser.
Wovon ich abrate, sind Diskussionsschlachten im Internet mit Menschen, die klar ideologisch sind – damit vertut man seine wertvolle Zeit, und vergeudet wertvolle (Lebens-)Energie.
Wer etwas mehr tun will, kann sich etwa bei Beträgen, die ihm aufstoßen, an Medien wenden – und sei es nur mit einem ganz kurzen Brief. Ich habe selbst 16 Jahre lang das Büro des Focus in Moskau geleitet und weiß, dass Leserbriefe, wenn sie an den Chefredakteur oder den Verleger gehen, durchaus eine Wirkung entfalten. Ich glaube, von außen wird das oft unterschätzt. Solche Briefe sollten sehr höflich sein, sehr sachlich, aber deutlich, um Ihre Wirkung zu erzielen. Und auch hier ist es eine Frage des Adressaten: Beim Spiegel wird man als nicht-linker Absender deutlich weniger bewirken als etwa bei der „Welt“ und der „FAZ“, die bis vor kurzem noch für sich in Anspruch nahmen, konservativ zu sein. Bei den öffentlich-rechtlichen können Programmbeschwerden sinnvoll sein.
Eine weitere Möglichkeit ist es, kritischer Webseiten zu unterstützen – denn sie hängen vom Crowd-Founding und Weiterempfehlungen ab. Ein Beispiel ist diese Seite hier: Zwölf Monate nach dem Start hatte sie im Dezember 2,8 Millionen Besucher und 5,1 Millionen Klicks. Und sie hat erfolgreich die Finger in viele Wunden gelegt – gerade auch bei den öffentlich-rechtlichen. Ohne die zahlreiche Unterstützung wäre das nicht möglich gewesen.
Die Mitgliedschaft in einer Partei würde ich persönlich eher nicht empfehlen – es sei denn, man ist mit einem großen Zeit-Budget und höchster Frustrationstoleranz ausgestattet (oder dem unbändigen Wunsch, Karriere zu machen – aber mit kritischen Ansichten ist das kaum möglich).
Was Wahlempfehlungen angeht, würde ich mir diese nie anmaßen. Ich persönlich tendiere immer dazu, die Opposition zu stärken – wobei ich heute die „Grünen“ eher als Pseudo-Opposition sehe, da ihre Denkweise weitgehen die Regierungspolitik bestimmt. Die „Linke“ ist für mich als DDR-Partei nicht wählbar. Die AfD aufgrund ihres völkischen Flügels um Leute wie Höcke ebenso. Die FDP wirkt politisch scheintot. Es ist also die Wahl zwischen Teufel, Belzebub und Untoten. Als Ausweg aus der Bredouille finde ich persönlich als Signal eine Stimme für eine der kleinen Parteien reizvoll – auch wenn man damit aufgrund der Fünf-Prozent-Hürde faktisch um seine Stimme betrogen wird.
Mein Fazit: (Von sich selbst) keine Wunder und Heldentaten erwarten, aber den Mund aufmachen, nicht wegsehen, auch mal verbal dagegenhalten. Kurze, prägnante (Leser-)Briefe zu schreiben. Steter Tropfen höhlt den Stein. So schwer es ist, zu sagen, was man tun soll, so einfach ist es, zu sagen, was man auf keinen Fall tun soll: untätig bleiben und schweigen.
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