Planlose Einkaufspolitik: fünf Milliarden Euro für zu teures Gas Die Zeche zahlen die deutschen Gasverbraucher

Von Daniel Weinmann

Die Gefahr des viel befürchteten Gasnotstands scheint gebannt. Mit 80 Prozent liegt der Füllstand der Speicher aktuell rund 19 Prozentpunkte über dem Mittel der vergangenen fünf Jahre. An der Großhandelsplattform TTF kostete eine Megawattstunde Gas mit knapp 54 Euro so wenig wie seit August 2021 nicht mehr. Zum Vergleich: Im August vergangenen Jahres mussten in der Spitze rund 340 Euro je Megawattstunde bezahlt werden.

„Bei aller Restunsicherheit: Ich rechne nicht damit, dass diesen Winter noch etwas schiefgeht“, entwarnte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, bereits in der ersten Januarwoche in der „Bild am Sonntag“. Geholfen hat ein Mix aus reduziertem Verbrauch und teils ungewöhnlich warmem Wetter. Nach Schätzungen des Brüsseler Think-Tanks Bruegel ist die Nachfrage der Unternehmen allein hierzulande um 32 Prozent zurückgegangen.

Gut gefüllt sind die Speicher aber auch deshalb, weil die Bundesregierung bereits im vergangenen Sommer damit begann, buchstäblich ohne Rücksicht auf Verluste Gas zu kaufen. Dazu beauftragte Berlin Trading Hub Europe (THE) einen Zusammenschluss von elf Fernleitungsnetzbetreibern, der den wichtigen Energieträger zu jedem Preis am Weltmarkt beschaffte.

Robert Habeck legitimiert das Debakel auf seine Weise

Laut Natasha Fielding vom Preisinformations-Dienst Argus Media hat das THE zwischen Juni und Oktober 2022 rund 7,8 Milliarden Euro für 50 Terawattstunden Gas ausgegeben. Davon flossen in den Monaten danach durch kleinere Verkäufe 146 Millionen wieder zurück. Im Zuge des deutlich gesunkenen Gaspreises entstand ein enormer Fehlbetrag. „Insgesamt beträgt der Verlust bei dem derzeitigen Gaspreis fünf Milliarden Euro“, rechnete Fielding gegenüber dem „Business Insider“ vor.

Netzagentur-Präsident Müller, rechtfertigte auf dem „Handelsblatt“-Energiegipfel die kostenintensive Beschaffungspolitik: „Es gerät leicht in Vergessenheit, dass wir die Entscheidung unter hohem Zeitdruck und in einer Situation getroffen haben, in welcher der Markt unter einer extremen Unsicherheit gelitten hat.“ Gleichwohl kündigte er an, die Einkaufspolitik des THE durch Gutachter überprüfen zu lassen.

Robert Habeck legitimierte das Debakel auf seine Weise: Bilanziell sei es ein Verlust, aber gesellschaftlich sei es ein Gewinn, machte der Wirtschaftsminister gute Miene zum teuren Spiel. „Stellen Sie sich einmal vor, es wäre umgekehrt. Wir hätten aus einer falschen Sparsamkeit die Speicher jetzt zu einem Drittel voll, wir hätten also nicht eingekauft mit THE. Was wäre jetzt in der Wirtschaft los?“ fragte der Grünenpolitiker, „was wäre an den Börsen los? Wahrscheinlich würde hier niemand so entspannt über die wirtschaftliche Situation reden. Das ist eine staatliche Vorleistung, die das Land sicherer und stabiler macht.“

Was Habeck, dem es immer wieder an ökonomischem Sachverstand mangelt, verschweigt – oder nicht weiß: Trading Hub Europe hatte schlicht versäumt, sich am Terminmarkt gegen sinkende Preise abzusichern (reitschuster.de berichtete)

Das Risiko einer teuren Gasmangellage im kommenden Winter ist noch da

„Hätte Trading Hub Europe schon während der Sommermonate die Ausspeicherung für den Winter abgesichert, hätten sie wohl viel höhere Einnahmen erzielt“, bemängelte Andreas Schroeder vom Energieanalysehaus ICIS bereits Mitte Oktober vergangenen Jahres die fahrlässige Einkaufspolitik. „Es war eine große Wette, dass das Gas bis November nicht ‚gehedged‘ (abgesichert, Red.) wurde“, brachte es nun Natasha Fielding auf den Punkt.

Die Kosten trägt laut der Energieexpertin der deutsche Gasverbraucher über die Gasumlage. Dahinter verbirgt sich eine geplante Zusatzabgabe, die die Ampelkoalition im Juli 2022 verkündete, um Gasimporteure wie Uniper vor der Pleite zu schützen. Gaslieferanten zahlen diese Abgabe an die Importeure, reichen die Kosten aber an ihre Kunden weiter.

Derzeit ist geplant, das Gas eingelagert zu lassen, um für den nächsten Winter vorzusorgen. Für den nächsten Winter müsse man aber wieder gewappnet sein, mahnt denn auch Gasmarktexperte Fabian Huneke von der Beratungsfirma Energy Brainpool. Das Risiko einer teuren Gasmangellage im kommenden Winter sei zwar gewaltig gesunken, aber immer noch existent.

Sollten die Gaspreise bis dahin wieder steigen, ließe sich der Milliardenverlust zwar möglicherweise begrenzen. Doch ganz ohne Blessuren könnte sich Berlin auch in diesem Fall nicht aus der Affäre ziehen. Experten betrachten in diesem Szenario den großen Einfluss des Staates auf den Gasmarkt als äußerst kritisch.

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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.

Bild: photocosmos1/Shutterstock

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