„Wie ein Energiemarkt-Anfänger“ Gaskunden drohen Milliardenverluste wegen laienhafter Einkaufspolitik der Ampel

Von Daniel Weinmann

Deutschland kontert den frostigen Winter mit fast vollständig gefüllten Speichern. Trotz der kalten Temperaturen lag der Füllstand zuletzt bei knapp 95 Prozent. Wie jetzt bekannt wurde, könnte dieser Vorrat ein teures Nachspiel haben. Hintergrund ist der eklatante Mangel an ökonomischem Sachverstand der Bundesregierung.

Nach Informationen von „Tagesspiegel Background“ hat Berlin für mehrere Milliarden Euro Gas kaufen lassen, ohne es – wie es Händler mit Sachverstand tun – über Terminkontrakte zu einem bestimmten Datum in der Zukunft wieder zum Verkauf anzubieten. Denn ohne Absicherung besteht das Risiko, teuer eingespeichertes Gas letztlich zu erheblich niedrigeren Preisen weiterverkaufen zu müssen.

Die von der Regierung beauftragte Trading Hub Europe kaufte bis Anfang November knapp 50 Terawattstunden Erdgas, das rund einem Fünftel der gesamten Speicherkapazitäten in Deutschland entspricht. Der Durchschnittspreis beim Einkauf liegt laut „Tagesspiegel“, der sich auf Regierungsunterlagen beruft, mit rund 175 Euro je Megawattstunde deutlich über dem aktuellen Marktpreis. Die Gesamtrechnung für die Befüllung der Gasspeicher belief sich auf knapp 8,7 Milliarden Euro.

Inzwischen – mit einem solchen Szenario hatten die sogenannten Energieexperten der Bundesregierung offensichtlich nicht gerechnet – sind die Preise im Großhandel für Erdgas signifikant gefallen. Fast im gesamten zentraleuropäischen Markt kostet Gas zur Lieferung in den kommenden Monaten derzeit rund 145 Euro. Bei einem Verkauf wäre somit mit einem Verlust in der Größenordnung von rund 1,5 Milliarden Euro zu rechnen. Fällt der Gaspreis weiter, würde der Fehlbetrag noch deutlich höher.

Habecks Wirtschaftsministerium will sich nicht äußern

Das Wirtschaftsministerium hüllt sich – wie könnte es anders sein – in Schweigen. Die relevanten Informationen werden als geheim eingestuft. Das vom grünen Gasminister Robert Habeck verantwortete Ministerium könne die erbetenen Informationen zu Einkaufspreisen der Trading Hub Europe GmbH nicht öffentlich zur Verfügung stellen, hieß es auf Anfrage offiziell. Gleiches galt für eine Frage nach den bilanziellen Verlusten.

Es sei „nicht zwangsläufig gesetzt, dass es überhaupt zu wirtschaftlichen Verlusten kommen muss“, teilte ein Sprecher stattdessen mit. Es sei die primäre Aufgabe gewesen, die Gasspeicher „umgehend und zügig“ zu befüllen, so der Habeck-Sprecher. Sein Kalkül: Steigt der Gaspreis wieder, werden die Verluste kleiner, selbst Gewinne sind dann möglich.

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Bis Anfang April muss seine Wette aufgehen, denn dann muss das Gas laut Speichergesetz vollständig verkauft werden. Dies gilt zumindest für den Normalfall. Das Wirtschaftsministerium und die Bundesnetzagentur könnten aber von einer Ausnahmeregelung Gebrauch machen, weil auch im kommenden Winter Engpässe drohen. Daher dürfte ein Teil des Gases in den Speichern verbleiben.

Fragt sich nur, warum die Regierung überhaupt ein solches Risiko eingegangen ist. Branchenkenner halten dies für völlig unnötig. Demnach wäre die Versorgung auch mit Terminkontrakten ebenso sicher gewesen wie ohne. Benötige man das auf Termin verkaufte Gas selbst, könne man die Lieferverpflichtung nämlich mit einem entsprechenden Gegengeschäft ausgleichen, indem man die Terminkontrakte zurückkaufe.

Unnötige Marktverknappung

„Hätte Trading Hub Europe schon während der Sommermonate die Ausspeicherung für den Winter abgesichert, hätten sie wohl viel höhere Einnahmen erzielt“, bemängelte Andreas Schroeder vom Energieanalysehaus ICIS bereits Mitte Oktober die fahrlässige Einkaufspolitik. Tatsächlich hat Trading Hub Europe bis in den Oktober hinein aber immer am Spotmarkt und damit tagesaktuell gekauft, statt Termingeschäfte abzuschließen.

Im August etwa kaufte Trading Hub Europe laut „Spiegel“ allein für Deutschlands größten Gasspeicher in Rehden an vielen Tagen ein Viertel der Gasmenge ein, die zur selben Zeit in ganz Deutschland verbraucht wurde. Dies führte zu einer Verknappung am Markt und einem entsprechend starken Preisanstieg auf die bisherigen Höchstpreise von 340 Euro. Da man auf Absicherungsgeschäfte verzichtete, schlägt der derzeitige Preis von 145 Euro umso stärker ins Kontor.

„THE hat sich angestellt wie ein Energiemarkt-Anfänger, der nichts von Risikomanagement versteht“, ätzt Lion Hirth, Energiepolitik-Professor an der Hertie School, im „Tagesspiegel“. Im Ergebnis habe sich der deutsche Staat „de facto als Spekulant betätigt“. Für Verluste müssen die Gaskunden über die sogenannte Speicherumlage geradestehen. Sie liegt derzeit bei 0,059 Cent pro Kilowattstunde – und wird aller Voraussicht nach stark ansteigen.

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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.

Bild: Boris Reitschuster

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