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Wie in jeder Sportart kommt es auch beim Fußball ganz entscheidend auf die Einstellung und die Moral an. Wobei ich nicht die „Moral“ meine, die unsere Moralapostel unter diesem Begriff verstehen – also keine Scheinmoral für das Schaufenster, sondern die innere Herangehensweise. Störfaktoren von außen können dabei ganz entscheidend wirken. Ich bin kein Psychologe. Aber auch als Laie bin ich mir recht sicher, dass es für die Moral einer Mannschaft – darf man den Begriff überhaupt noch verwenden, oder ist das schon sexistisch – alles andere als zuträglich ist, wenn sie tagelang vor einem entscheidenden Match in eine moralisierte Debatte über das Tragen oder Nicht-Tragen einer Binde in bestimmer Farbe bzw. Design hineingezogen wird.
Wobei man hier noch tiefer gehen muss: Denn die Debatte der letzten Tage ist ja nicht die Ursache, sondern das Symptom. Das Symptom einer Politisierung des Sports, wie man sie in der alten Bundesrepublik nicht kannte und wie sie eigentlich für autoritäre Staaten typisch ist. Vor allem für den Sozialismus. Denn seit Jahren ist die „Mannschaft“, der man sogar das „National“ aus dem Namen strich, um vor dem Zeitgeist Männchen zu machen, zum Spielball der Ideologie geworden. Lea Wagner sagte in der ARD am Abend, Nationalspieler Niklas Süle habe ihr gesagt, die Hauptursache für das schnelle Ausscheiden bei der WM 2018 in Russland sei das politische Tamtam um die Mannschaft gewesen. Damals wurde ein Foto von Star Mesut Özil mit Türken-Präsident Erdogan als politische Sau durch die Medien getrieben.
Diesmal steht stattdessen das Thema Sexualität und der Umgang mit ihr im Mittelpunkt – und leider nicht der Sport. Was sich in der Debatte um die Regenbogenfarbe gegen das angeblich „homophobe“ Ungarn bei der EM 2022 noch vermeintlich harmlos und wie Realsatire anhörte, ist zu einem moralüberladenen Selbstläufer geworden. Denn mit dem Gratismut von damals war es diesmal in Katar nicht genug. Und kaum drohten so einschneidende, existenzbedrohende Strafen wie gelbe Karten – man verzeihe mir meinen Galgenhumor, waren die selbsternannten Helden im Widerstand gegen das Böse in der Welt in der Form von Homophobie plötzlich völlig stille.
Besonders peinlich: Das kollektive Halten der Hand vor den Mund beim Mannschaftsfoto, und wie DFB und ARD aus dieser Geste der Feigheit eine Heldentat „framen“ wollten. ARD-Mann Tom Bartels etwa sagte sinngemäß: „Hier die Aufstellung der deutschen Mannschaft, aber die ist zweitrangig. Allen am allerwichtigsten ist, dass dieses Zeichen gesetzt wurde!“ Unfassbare Realsatire! Aber zurück zum Sport: Wer sich derart selbst kastriert wie die Nationalspieler, kann der wirklich noch beherzten und mutigen Fußball spielen? Offenbar nicht.
Wir wollten mit unserer Kapitänsbinde ein Zeichen setzen für Werte, die wir in der Nationalmannschaft leben: Vielfalt und gegenseitiger Respekt. Gemeinsam mit anderen Nationen laut sein. Es geht dabei nicht um eine politische Botschaft: Menschenrechte sind nicht verhandelbar. 1/2 pic.twitter.com/v9ngfv0ShW
— DFB-Team (@DFB_Team) November 23, 2022
Noch mehr dazu in meinem aktuellen Video – ich freue mich auf die Diskussion mit Ihnen.
Bild: DFB/Twitter/Screenshot