Position: ausserhalb. Richtung: stromaufwärts Buchtipp

Ein Gastbeitrag von Monika Hausamann

Josef Hueber, Germanist und Anglist und ehemaliger Fachbetreuer für Englisch an einem bayerischen Gymnasium, hat 92 seiner Essays, die unter anderem bei reitschuster.de, der Achse des Guten, Novo und Vera Lengsfeld erschienen sind, als Buch veröffentlicht.

Anders als der Untertitel suggeriert – „alltagserfahrungen mit menschen und medien“ –, ist es gerade kein alltägliches Buch. Im Gegenteil: Es ist ein kraftvolles und im besten Sinn freiheitliches Sich-Querstellen zu dem von den Medien herbeigeschriebenen „öffentlichen Bewusstsein“ auf rund 290 Seiten, was es nicht nur kurzweilig und unterhaltsam macht, sondern dem Leser auch ermöglicht, es happenweise zu lesen.

Denn die Begebenheiten, die Anlass und Motiv der Beiträge bilden, sind wohl dem Alltag und der Aktualität entnommen. Für Hueber, der sie beobachtet, beschreibt und interpretiert, sind sie aber gerade in ihrer Alltäglichkeit Anlass, über ihren Aktualitätsgehalt hinaus zu deuten und zu denken. Denn – auch hier ist der Titel Programm – es geht um Menschen. Und um die Tatsache, dass Menschen und die fundamentalen Werte, die ein gutes Zusammenleben möglich machen, sich nicht beliebig und wie Moden ändern lassen, ganz egal, mit wieviel ideologischer Energie Politik, Medien, Kultur- und Bildungsbereich daran arbeiten, bewährte Wahrheiten und Regeln wegzuwischen.

Buch des Autors

Der Beitrag, der den Reigen eröffnet – „M wie Mainstreamer“ – ist deshalb zwar die Beschreibung einer gesellschaftlichen Tendenz, die Konsens und Konformismus zu einer Tugend obersten Ranges erklärt, ebenso und mehr noch aber Einladung an den Leser, sich zusammen mit dem Autor die Parolen der Einpauker und Gesellschafts-Umschmieder der Meinungsindustrie aus der Nähe und ohne Scheuklappen anzusehen. Des Autors Fazit dieser skizzenhaften Analyse der Ausgangslage, auf der die Beiträge des Buches beruhen: „Meinung siegt qua Masse, ohne Fakten, ohne Wissen. Die Reihen sind geschlossen, die intellektuelle Freitagsfront marschiert.“

Josef Hueber erweist sich Beitrag für Beitrag als einer jener weltoffenen Denker, die ohne falsche Rücksicht auf abgesteckte Spektren des Mein- und Denkbaren um der Sache willen denken. Mal lauter, mal leiser, mal bellend und beissend im besten Sinn zynisch und auch mal auf diskrete Art rabaukenhaft, aber immer eindringlich und dabei „süffig“, nimmt er die „weisse Weste des linken Antisemitismus“ ebenso aufs Korn, wie die „inflationäre Verwendung des Hau-drauf-Begriffs ‚Nazi‘“, der sich nur über „den Umweg der Geschichtsfälschung“ halten kann. Tumber Antiamerikanismus hat in seinen Stücken einen ebenso schweren Stand, wie die von Wissen unbelasteten Kinder an der Klimafront, eine Wissenschaft, die – grösstenteils selbstverschuldet – Wissenschaftsfeindlichkeit züchtet und ein Journalismus der seine erste und edelste Aufgabe offenbar längst nicht mehr darin sieht, den Mächtigen zu kritisieren, sondern ihm zu dienen. Geschichtsklitterung zur Rechtfertigung politischer Entscheidungen akzeptiert der Autor ebenso wenig, wie die eingängig vereinfachenden Erklärungen des Phänomens „Greta“, die aufwändig mit Steuergeld finanzierten Betroffenheits-Choreographien anlässlich fehllaufender Integrationsphantasien oder den neuerdings populären Weg zu Frieden und Glück durch immer neue Verbote.

Gefühl der Freiheit

Mein Eindruck beim Lesen: Hier schreibt ein Freier und gleichzeitig ein Befreiter, der weiss, dass echte Freiheit nur dort möglich ist, wo einer auf festem Grund stehend die volle Verantwortung dafür zu tragen bereit ist, was er denkt und tut. Egal, ob Politiker, Sekretärin, Journalist, IT-Spezialist, Lehrer oder Wissenschaftler. Und er diagnostiziert treffend: „Mangelnde Akzeptanz von Verantwortung in Freiheit hat sich längst auch in den Bereich privater Lebensgestaltung eingenistet. (…) Nahezu alles wird zunehmend öffentlich oder staatlich angemasster Fürsorge zugeteilt und von dort aus bestimmt. Stets mahnt für Dissidenten der erhobenen Zeigefinder des Gemeinwohls als Legitimation für die Entmündigung des Individuums durch den Staat bzw. die windschnittige öffentliche Meinung. Warum lassen wir uns das gefallen?“ Ja warum? Eine mögliche Antwort: „Das Gefühl der Freiheit hat der Untertan offensichtlich nur, wenn man ihm die Last der freien Entscheidung und Verantwortung abnimmt“. Josef Hueber gehört definitiv nicht zu den Untertanen.

„stomaufwärts schwimmen“ ist nicht nur eine Not-Lösung gegen Corona-Langeweile. Es ist vielmehr eine Wohltat, die man nicht einfach „nur“ liest. Man gönnt sie sich. Und – sofern man sich ebenso wenig davor fürchtet, ausserhalb des Gängigen zu stehen, wie offenbar der Autor – auch anderen. Schliesslich steht Weihnachten vor der Tür.

Josef Hueber, „stromaufwärts denken“, 292 S., Taschenbuch, ISBN: 3751913874

 

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Bild: Atstock Productions/Shutterstock
Text: gast

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