Sehen Sie sich hier mein Video mit den Szenen aus der Bundespressekonferenz an.
Als ich im Oktober Mitglied der Bundespressekonferenz wurde, waren die Regeln für alle gleich: Journalisten und Regierungssprecher mussten bis zum Einnehmen ihres Platzes im Sitzungssaal eine Maske tragen und konnten diese dann abnehmen. Kurz darauf wurden die Regeln dahingehend geändert, dass man die Maske auch im Sitzen anbehalten musste – nur die Regierungssprecher oben auf der Tribüne waren davon ausgenommen. Allerdings wurde es den Journalisten freigestellt, beim Fragestellen die Maske abzunehmen. Anfang des Jahres wurde dann auch diese Ausnahme gestrichen und das Tragen einer medizinischen oder FFP2-Maske wurde verbindlich. Seit dem 31. März sind die Regeln jetzt noch einmal verschärft worden und es sind nur noch FFP2-Masken gestattet. Manche Kollegen sind so teilweise schwer zu verstehen. Nur die Regierungssprecher dürfen vorne auf dem Podium weiter ohne Maske sitzen.
Mir erschließt sich diese Ungleichbehandlung nicht. Kommunikation muss gleichwertig sein. Wird ein Gesprächspartner seiner Mimik und seines Gesichtsausdrucks beraubt, handelt es sich nicht mehr um gleichberechtigte Kommunikation. Umso mehr wundert mich die Ungleichbehandlung in der Bundespressekonferenz. Darum habe ich am Mittwoch die Einführung der FFP2-Pflicht zum Anlass genommen, Merkels Sprecher Steffen Seibert auf diese Ungleichbehandlung anzusprechen. Offenbar machte ich mich damit unbeliebt. Denn es ging so weit, dass es „Quatsch“- und „Mein Gott“-Rufe von Kollegen gab. In meinen Augen ein völliges Novum, andere Journalisten und Vereinskollegen – die Bundespressekonferenz ist ein Verein – öffentlich wegen kritischer Fragen zu beleidigen. Diese Reaktion zeigt aber auch, wie heftig das Thema offenbar die Gemüter bewegt. Frei nach dem großen österreichischen Journalisten Karl Kraus: Was trifft, trifft zu.
Hier mein Dialog mit Seibert aus dem Protokoll des Bundespresseamtes:
FRAGE REITSCHUSTER: „Noch eine Frage an Herrn Seibert. Ab heute gilt hier im Saal eine FFP2-Maskenpflicht. Ich bekomme immer wieder Zuschriften von Lesern, die fragen: Wenn die Masken so wichtig sind – und das betont ja die Regierung –, wie kann es dann sein, dass die Regierungssprecher auf dem Podium diese nicht tragen, in puncto Sicherheit und in puncto Vorbildfunktion? Was soll ich diesen Lesern antworten, Herr Seibert?“
SEIBERT: „Dass ich natürlich den ganzen Tag da, wo es vorgeschrieben ist, diese Maske trage. Hier bestimmt die Bundespressekonferenz die Regeln und offensichtlich hat man bestimmt, dass es besser ist, wenn derjenige, der hier auch durch Ihre Fragen immer wieder reden muss, die Maske nicht ständig auf- und absetzt. Ich folge dem, was die Bundespressekonferenz, deren Gast ich hier bin, vorgibt. Wenn die Bundespressekonferenz sagt: ‘Tragen Sie bitte Ihre FFP2-Maske auch während der Pressekonferenz‘, dann habe ich die im Nullkommanichts auf.“
ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: „Aber sehen Sie keinen Widerspruch zwischen den öffentlichen Forderungen und dem, wie die Bundesregierung vor der Öffentlichkeit auftritt? Sie können sie ja auch freiwillig aufsetzen. Sie müssen dazu ja nicht gezwungen werden.“
SEIBERT: „Vielleicht sagt auch Herr Szent-Iványi etwas dazu. Denn ich bin sicher, dass sich der Vorstand der Bundespressekonferenz darüber auch Gedanken gemacht hat, so wie er sich ja auch Gedanken darüber macht, dass jetzt hier dieser Saal nicht voll besetzt ist, sondern dass man in Abstand voneinander sitzt und dass wir die Sitzungen nicht über eine Stunde ausdehnen, damit immer wieder gelüftet werden kann. Sie sitzen jetzt einmal geschätzt neun Meter von mir entfernt. Ich sehe keine Gefährdung, die ich für Sie bedeute.
Aber wie gesagt, ich folge den Regeln, die hier herrschen, und trage ansonsten den ganzen lieben langen Tag bei den verschiedensten Gelegenheiten diese Maske. Wenn die Bundespressekonferenz sagt: ‘Jetzt ist das hier auch notwendig‘, dann mache ich das. Aber sofort!“
ZUSATZ REITSCHUSTER: „Hier hatten sogar Kollegen Angst, weil sie hinter mir saßen.“ (Ich bezog mich auf einen Zwischenfall, als die Kollegin Dunz, die hinter mir saß, mich aufforderte, die Maske auch beim Reden nicht abzunehmen; hier wurde ich aber unterbrochen).
SEIBERT: „Es ist vielleicht besser, Sie wenden sich jetzt an den Gastgeber.“
Der Vorsitzende meine nun, „Herr Reitschuster, wir müssen das abkürzen, weil wir mit der Zeit schon fortgeschritten sind!“
Der Vorstand der Bundespressekonferenz hat genau das beschlossen, was Herr Seibert gerade ausgeführt hat, nämlich eine FFP2-Maskenpflicht im Saal. Die folgt auch den Verordnungsvorgaben des Landes Berlin. Wir haben uns dazu entschlossen, dass auf dem Podium hier vorne keine FFP2-Masken getragen werden, weil wir der Auffassung sind, dass erstens der Sitzabstand doch entsprechend groß genug ist, wir zweitens versuchen, die Zeit einzuhalten und drittens die Verständlichkeit dieser Veranstaltung erheblich darunter leiden würde, wenn wir das anders entscheiden würden. Deshalb bleiben wir auch vorerst bei dieser Entscheidung.“
Ich kann das jetzt noch weniger nachvollziehen als zuvor. Wenn der Vorstand der Ansicht ist, dass die Verständlichkeit dieser Veranstaltung erheblich darunter leiden würde, wenn die Regierungssprecher Masken tragen müssten (womit ich einverstanden bin), wie kann dann die Verständlichkeit dieser Veranstaltung nicht erheblich darunter leiden, wenn die Journalisten beim Reden Masken tragen müssen?
Wie ist es bei den Pressekonferenzen mit Ministern, wo die Fotografen den Sprechern auf dem Podium sehr viel näher kommen als den von Seibert genannten Abstand? Zumal es sich um eine Frontal-Konstellation handelt?
Warum würde die Verständlichkeit leiden, wenn diejenigen auf dem Podium, die nicht sprechen, die Maske aufbehalten würden?
Warum können nicht einheitliche Regeln für alle gelten und könnte es etwa allen gestattet werden, die Maske zum Reden abzunehmen, egal ob auf dem Podium oder im Saal?
Wie steht es um die Vorbildfunktion, wenn die Sprecher der Regierung, aber auch die Kanzlerin und die Minister, ohne Maske vor andere treten, aber bei jeder Gelegenheit die Wichtigkeit der Masken betonen?
Wie kommt es, dass Kollegen Fragen nach dieser Ungleichbehandlung öffentlich als „Quatsch“ diffamieren?
Ich weiß nicht, welcher Kollege „Quatsch“ gerufen hat. Ich bitte ihn, zu seinem Wort zu stehen und lade ihn zu einer fairen Diskussion über das Thema ein, die ich gerne auf meinem Youtube-Kanal übertragen werde. Ich freue mich auf diesen Diskurs. Ich finde, wer anderen hier vorwirft, „Quatsch“ zu machen, sollte den Mut haben, öffentlich dazu zu stehen und sich einer Diskussion zu stellen. Vielleicht gelingt es ihm ja, mich zu überzeugen, ich bin für Diskussionen offen. Und gestehe auch gerne Fehler ein.
Sehen Sie sich hier mein Video mit den Szenen aus der Bundespressekonferenz an.
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Bild: Reitschuster
Text: br