reitschuster.de und der verpasste Geburtstag Meine Seite ist gerade zwei Jahre alt geworden

Wenn man den eigenen Geburtstag vergisst, ist das verzeihbar. Ärgerlich ist es, wenn man den Geburtstag von jemand anderem vergisst – der einem nahesteht. Zu welcher Kategorie gehört die eigene Internet-Seite? Ich weiß es nicht. Was ich genau weiß: Ich war so im Stress, dass ich ihren zweiten Geburtstag am 3. Dezember vergessen habe. Was mir vor Augen hält, wie wichtig es ist zu entscheiden: Wie soll es weiter gehen mit der Seite. Sie ist gewachsen, gewachsen, gewachsen. Von kaum null Klicks auf mehr als 45 Millionen allein im Oktober. Sie ist inzwischen quasi zum Marktführer geworden bei den kritischen Medien und hat die anderen hinter sich gelassen. Aber ist das wirklich wichtig? Ich finde, nicht. Und die große Frage ist: Macht es Sinn, immer weiter zu wachsen? Um den Preis von Dauer-Stress, einem 18-Stunden-Tag in dem man dann schon mal den Geburtstag vergisst – und selbst vor lauter Organisatorischem nur noch viel zu wenig zum Schreiben kommt? Oder wäre es besser, zu den Anfängen zurückzukehren? Weniger Artikel, weniger Umfang, aber mehr eigene Texte, mehr Analytisches? Sie als Leser sind der König, und darum möchte ich Sie bitten, unten in der kurzen Umfrage Ihre eigenen Wünsche zu äußern. Als kleines Dankeschön verlose ich unter allen, die hier einen Kommentar hinterlassen, fünf 20-Euro-Gutscheine für den neuen „Shop“ mit Produkten zur Seite (keine Sorge, den führt in Eigenregie ein Unterstützer, er macht keine zusätzliche Arbeit).

Aber bevor es zur Umfrage geht, etwas zur Geschichte der Seite. Am 3. Dezember vor zwei Jahren startete sie in ihrer neuen Funktion. „Geburtshelfer“ wider Willen war ausgerechnet ARD-Chef-Faktenfinder Patrick Gensing. Der ging wie aus heiterem Himmel im November 2019 juristisch gegen mich vor, weil ich eine Kachel mit einem Zitat von ihm auf Twitter geteilt hatte (siehe hier). Sein Anwalt nahm gleich auch noch meine Seite hier mit unter Beschuss, die bis dahin ein Schattendasein gefristet hatte mit ein paar hundert (also nicht ganz null) Aufrufen im Monat. Vor dem Amtsgericht Köln scheiterte Gensing schließlich mit seiner Klage (siehe hier).

reitschuster.de 2014, noch mit dem alten Design von 2006

Ich stellte meine Seite sicherheitshalber offline. Und ganz offen gestanden: Ich war kurz davor, sie aufzugeben. Wegen der juristischen Risiken. Doch dann sagte ich mir: Jetzt erst recht! Genau zu dieser Zeit beklagte sich mein guter Freund, der Regensburger Professor für Politik-Wissenschaft Jerzy Maćków, dass kein Medium seinen neuen Kommentar drucken wollte – selbst bei den „Alternativen“ wurde er abgelehnt. Jerzy war etwas niedergeschlagen. Ich bot ihm spontan Asyl auf meiner Seite, die damals noch niemand kannte. Jerzy störte das nicht. „Danke, gerne“, sagte er spontan.

reitschuster.de im September 2019

So war reitschuster.de in seiner heutigen Form geboren – mit dem Beitrag „Die ‚Große Koalition‘ beschädigt die Demokratie“. Der Artikel wurde viel gelesen. Obwohl die Seite, handgemacht wie sie war, wenig einladend wirkte. Und ich auch einfach nur den Namen meiner alten Homepage übernommen hatte. reitschuster.de war wie ein Fahrrad inmitten vieler schöner Autos und Luxuswagen. Aber dafür schnell, wendig und nicht auf Linie. Die Resonanz ermunterte mich, weiter zu schreiben. Schon im ersten Monat hatte die Seite einige hunderttausend Aufrufe.

reitschuster.de im Mai 2020

reitschuster.de wuchs und wuchs. Immer mehr Autoren hielten es wie Prof. Maćków und suchten bei mir Asyl. Oder einfach nur eine neue Plattform. Aus der handgestrickten Seite aus dem Baukasten wurde binnen einiger Monate ein Medium mit allein im Juli 2020 rund 665.000 Besuchern und mehr als einer Million Aufrufen. Im Oktober 2020 waren es dann schon 3,2 Millionen Aufrufe. Ein Jahr später zählte die Seite im Oktober 2021 mehr als 45 Millionen Aufrufe.   

Was da entstanden ist, ist für mich wie ein kleines Märchen. Die Zahl der Besucher wuchs und wuchs. reitschuster.de setzt inzwischen mit Umfragen und exklusiven Geschichten Akzente und Themen. Die Seite schafft es immer öfter in die Rangliste der relevantesten Artikel bei 10000.flies. Rekord bisher: Platz eins, zwei und drei gleichzeitig. Nein, ich zähle das nicht auf, weil mir Ranglisten wichtig wären oder ich eitel würde (ich werde nach Kräften alles tun, um das zu vermeiden). Sondern weil die großen Medien so oft den Eindruck erwecken, alles würde nur in eine Richtung im Strom schwimmen. Kritiker seien nicht relevant. Eine kleine Minderheit. Extremisten. Die Zahlen belegen: Viele Menschen sehen das, was in Deutschland passiert, kritisch. Menschen aus der Mitte der Gesellschaft.

Darum ist es mir so wichtig, dass die Seite viele neue Begegnungen mit wunderbaren Menschen brachte, wertvolle Bekanntschaften und auch neue Freunde. Dass sich auch viele Menschen dank der Seite untereinander vernetzt haben. Aus dem Ein-Mann-Betrieb ist eine regelrechte Familie entstanden, ein Team wunderbarer, engagierter, liebenswerter Menschen, die ich aus meinem Leben nicht mehr wegdenken kann, mit Ekaterina Quehl im Zentrum als gute Seele der Seite. Auch Kolleginnen und Kollegen in den großen Medien helfen mit – können nur aus verständlichen Gründen nicht offen in Erscheinung treten. Was sie aus den Redaktionen erzählen, welcher Ungeist dort herrscht, macht mich immer wieder sprachlos.

Zu meinen Büchern

Entscheidende Helfer sind auch Sie, liebe Leserinnen und Leser. Die Zahl der Themen-Anregungen und Hinweise ist überwältigend. Es ist so, als hätte man hundert Ohren und Augen. Wir schaffen es beim besten Willen nicht, auf alles zu antworten – sonst müsste die Seite stillstehen. Aber ohne die vielen Zuschriften wäre alles nichts. Und ohne Ihre Unterstützung, die ermöglicht hat, dass wir Schritt halten mit den Besucherzahlen und auf einen neuen, stabilen Server mit Reserven umziehen konnten (siehe hier). Immer wieder stockt mir der Atem, wenn Menschen schreiben, dass sie von ihren ganz geringen Mitteln noch etwas abzwacken für die Seite. So wichtig Ihre Unterstützung ist: Ich bitte alle, die ohnehin wenig haben, dieses Wenige zu behalten. Umso mehr freue ich mich über die Hilfe derjenigen, denen sie nicht weh tut.

Zum zweiten Geburtstag möchte ich mein Versprechen vom ersten erneuern: Ich werde mich weiter anstrengen. Ich werde mich hüten, Ihnen „Wahrheiten“ zu präsentieren. Ich werde versuchen, alles zu hinterfragen. Auch mich und meine Arbeit. Ich werde immer an Sie appellieren, sich aus verschiedenen Quellen zu informieren, verschiedene Perspektiven und Blickwinkel einzunehmen. Nur so gehen Demokratie und Pluralismus – die momentan bei uns massiv unter Beschuss sind. Was etwa darin zum Ausdruck kommt, dass manche, bis hinauf zum SWR-Intendanten Kai Gniffke, nicht verstehen, dass in einer Medienlandschaft, die sehr einseitig und regierungstreu geworden ist, eine kleine Seite wie meine nur ein Korrektiv sein kann. Und eben nicht in der Lage ist, alle (!) Perspektiven abzudecken und in den Chor einzustimmen von abertausenden Mitarbeitern der gebührenfinanzierten Anstalten. Und der Redaktionen, die Steuermillionen bekommen.

Hier wird es keine Quote für Regierungs-Bauchpinselei und politische Korrektheit geben. Sollte sich eines Tages dagegen der politische Wind drehen, werde ich versuchen, mich ihm dann von der anderen Seite entgegenzustemmen.

Ich muss Sie warnen, dass mir Fehler passieren werden. Anders geht es leider nicht, vor allem angesichts des Arbeitspensums. Aber mir machen diejenigen, die sich für unfehlbar halten, am meisten Angst. In diesem Sinne: Bleiben Sie meiner Seite treu. Und bleiben Sie trotzdem kritisch mir und allen Beiträgen hier gegenüber!

Besonders freuen würde ich mich, wenn Sie an der gleich folgenden Umfrage teilnehmen würden, die helfen soll, meine Seite noch besser zu machen.

Umfrage

Ich hätte gerne wieder mehr Texte von Boris Reitschuster, und fände es okay, wenn dafür ingesamt weniger Beiträge auf der Seite erscheinen.

Bevor die Seite und ihre Macher über ihr Limit gehen, ist es für mich okay, wenn die Seite etwas abspeckt.

Niemand mag Reklame. Aber mit dem aktuellen Umfang auf der Seite kann ich leben, weil ich weiß, dass die Reklame für den Betrieb der Seite wichtig ist.

Die Seite ist aktuell sehr Corona-lastig. Weil das Thema so zentral und wichtig ist, halte ich das für temporär okay so.

Bild: Shutterstock
Text: br
 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert