Von Mario Martin
Mit der einsetzenden Ukraine-Krise hat sich der Schwerpunkt der Berichterstattung in den Medien verschoben. Der am 4. März öffentlich gemachte Gesetzentwurf zur allgemeinen Impfpflicht ab 18 findet nur eingeschränkt Beachtung.
Eine Bundestagsdebatte zu dem Gesetzentwurf ist für den 17. März angesetzt.
Nun streut das RKI dem Vorhaben zur allgemeinen Impfpflicht Sand ins Getriebe. Denn am 28. Februar änderte man dort ohne Pressemitteilung, quasi im Kleingedruckten, die Risikobewertung zu COVID-19. Mit der Risikobewertung gibt das Institut die zentrale Einschätzung zur aktuellen pandemischen Lage.
Bis zur Änderung am 28. Februar hieß es: “Damit die Infektionsdynamik zurückgeht, müssen so viele Übertragungen wie möglich vermieden werden. Hierfür sind sowohl Kontaktreduktion und Einhaltung der AHA+L-Regeln sowie die Impfung erforderlich.”
Inzwischen steht auf der Website des RKI geschrieben: “Die Impfung bietet grundsätzlich einen guten Schutz vor schwerer Erkrankung und
Hospitalisierung durch COVID-19, dies gilt auch für die Omikronvariante.”
Das RKI rückt damit ein Stück weit von seiner Position ab, die Impfung biete einen effektiven Fremdschutz. Im Absatz “Übertragung” heißt es: “Untersuchungen zeigen, dass auch die Impfungen das Risiko von Übertragungen reduzieren, insbesondere in den ersten Wochen nach einer Impfung.” Dass die Impfungen die Übertragung nicht verhindern, wurde schon in der vorherigen Version eingestanden. Nun wird dies nochmals abgeschwächt. Die Reduzierung der Übertragungen gelte “insbesondere in den ersten Wochen nach einer Impfung”.
Die Aufforderung Abstand zu halten und Kontakte zu reduzieren, gilt uneingeschränkt für alle: “Alle diese Empfehlungen gelten auch für Geimpfte und Genesene unabhängig von dem angenommenen individuellen Immunschutz.”
Zusätzlich wurde auch hier die Definition abgeschwächt und der individuelle Immunschutz ist nunmehr nur noch “angenommen”.
Entscheidungsgrundlage bröckelt
Interessant wird es nun, da die abgelöste Risikobewertung des RKI nicht nur die Entscheidungsgrundlage für das Bundesverfassungsgericht lieferte, als es die Eilanträge gegen die Impfpflicht ablehnte; die Risikobewertung dient ebenfalls als Begründung für den neuen Gesetzentwurf zur allgemeinen Impfpflicht.
In beiden Fällen wird auf den Fremdschutz durch die Impfung verwiesen, der als Hauptargument für die Einschränkungen der Grundrechte herhalten musste.
Mit der Änderung ist der Fremdschutz in der neuen Definition aber nur noch sehr abgeschwächt vorhanden.
Im Gesetzestext zur Impfpflicht heißt es: “Zur Prävention stehen gut verträgliche, sichere und hochwirksame Impfstoffe zur Verfügung. Studien zeigen, dass Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARSCoV-2 nicht nur die geimpfte Person wirksam vor einer Erkrankung und insbesondere vor schweren Krankheitsverläufen schützen, sondern auch dazu führen, dass geimpfte Personen weniger zur Ausbreitung des Erregers beitragen, was insbesondere dem Schutz vulnerabler Personengruppen vor einer SARS-CoV-2-Infektion dienlich ist.”
Die im aktuellen RKI-Wochenbericht veröffentlichten Daten zeigen hingegen, dass es inzwischen kaum noch einen Unterschied bei den symptomatischen Fällen zwischen Grundimmunisierten und Ungeimpften gibt. Damit tragen die geimpften Personen inzwischen beinahe genauso zur Ausbreitung bei, wie die ungeimpften. Nur bei den Personen mit Auffrischungsimpfung ist noch ein deutlicher Unterschied zu sehen. Dieser dürfte sich allerdings in wenigen Wochen erübrigt haben.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Mario Martin ist Ökonom und arbeitet als Software-Projektmanager in Berlin.
Bild: FooTToo / ShutterstockText: mm