Sahra Wagenknecht wirft Regierung „katastrophales Versagen“ vor Linke spricht von „Straftatbestand einer unterlassenen Hilfeleistung“

Von Alexander Wallasch

Sahra Wagenknecht kann auch kurz und knackig. Im Gegensatz zu ihren sehr intensiven halbstündigen Wochenschauen, welche die Linkspolitikerin jeden Donnerstag online stellt, hat sich die Bundestagsabgeordnete jetzt per Facebook in wenigen Sätzen zur Corona-Maßnahmenpolitik der Bundesregierung geäußert.

Oder präziser: Wagenknecht hat sich richtiggehend echauffiert darüber, dass es die Bundesregierung wider besseres Wissen nicht für nötig gehalten hat, Risikogruppen Impfstoff vorzuhalten. Wagenknecht schickte am gestrigen Dienstag via Facebook ihren über 600.000 Abonnenten folgende Kurzbotschaft und verwies im Anschluss daran auf einen Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ):

Es kommt dem Straftatbestand einer unterlassenen Hilfeleistung gleich, dass die Bundesregierung seit Sommer von der abnehmenden Effektivität der Impfstoffe wusste, die Menschen darüber aber bis heute kaum aufklärt, sondern mit 2G in einer Scheinsicherheit wiegt, und von einer „Pandemie der Ungeimpften“ schwadroniert, um von ihrem eigenen Versagen abzulenken. Die Auffrischimpfungen müssen nun für die gefährdetsten Personen über sechzig Jahre priorisiert werden.

Was Wagenknecht in ihrer Facebook-Kurzintervention auslässt, ist die Frage, warum diese Booster-Impfungen, so sie denn stattfinden, immer noch gegen die Wuhan-Variante geimpft werden. Der renommierte Virologe Alexander Kekulé nahm da schon vor einigen Tagen kein Blatt vor den Mund und befand:

„Man hätte sie längst an die Delta-Variante anpassen können. Dass die weltweit vorherrschen würde, war spätestens seit März klar. Da stellt sich mir die Frage, warum das nicht geschehen ist.“

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) meldete dazu, dass die bisherigen Impfstoffe die Übertragung der Delta-Variante nur um 40 Prozent reduzieren würden: „Die Datenlage deutet darauf hin, dass die Übertragung vor dem Auftreten der Delta-Variante durch die Impfstoffe um etwa 60 Prozent reduziert wurde. Mit Delta ist dieser Wert auf etwa 40 Prozent gesunken.“

Einige Impfstoffhersteller sollen längst über angepasste Impfstoffe verfügen. Biontech, Moderna, Astrazeneca, Janssen und Novavax entwickeln aktuell bereits Impfstoffe, welche vor der erst vor wenigen Tagen bekannt gewordenen Virus-Variante Omikron schützen könnten.

Jetzt mag es ein typischer linker Reflex sein, anzunehmen, es gehe hier im Wesentlichen um eine gigantische Geschäftemacherei der Pharmaindustrie. Aber dabei darf man den Staat nicht aus der Haftung nehmen. Unabhängig vom Sinn oder Unsinn, vom Risiko oder Nutzen solcher mRNA-Impfungen: Wer heute noch gegen eine Erreger-Variante impft, die großteils keine Rolle mehr spielen soll, der muss das erklären können.

Und dass die Lager voll wären, reicht hier als Erklärung nicht aus. Dann müsste die Regierung bitte mitteilen, warum die schwer bewachten Impfstofflager mit schon wieder veralteten wirkärmeren Impfstoffen voll sind und noch nicht mit modifizierten Stoffen der Impfstoffhersteller beispielsweise gegen die Delta-Variante. Auch muss hier deutlich transparenter die Rolle der Impfstoffhersteller in diesem düsteren Spiel aus Angebot und Nachfrage – mutmaßlich auf Kosten der Gesundheit vieler – offengelegt werden.

Wagenknechts Empörung also im Gespräch mit der NZZ, die titelte: „Sahra Wagenknecht kritisiert Deutschlands Impfpolitik: ‘Kommt dem Straftatbestand einer unterlassenen Hilfeleistung gleich‘“.

Gegenüber der Schweizer Zeitung spricht die Deutsche von einem „katastrophalen Versagen“ der Bundesregierung. Sie weist im Gespräch darauf hin, dass sich zunehmend doppelt geimpfte Bürger mit Corona infizieren würden, Symptome hätten und deswegen teilweise auch ins Spital müssten. „Dies gelte besonders für Menschen über sechzig Jahre. Hier liege die Durchbruchsquote der symptomatischen Fälle laut dem Robert-Koch-Institut bei mehr als zwei Dritteln“, schreibt die NZZ dazu.

Sahra Wagenknecht fordert weiter eine Priorisierung der Auffrischimpfungen für Menschen über 60 Jahre. Die Zeitung zitiert eine Sprecherin der Politikerin, die erwähnt hätte, dass die Politikerin selbst nicht geimpft sei. Sie würde sich aber durchaus mit einem sogenannten Totimpfstoff impfen lassen. Der würde nämlich nicht auf dem mRNA-Verfahren basieren.

Ist das etwas zwiespältig? Zum einen muss sich die Politikerin gar nicht dazu äußern, wie sie sich persönlich gegenüber der Impfung aufstellt. Wenn sie es aber dennoch macht, dann darf man Fragen stellen: Wenn Sahra Wagenknecht nämlich selbst die mRNA-Stoffe nicht möchte, dafür lieber Totimpfstoff, dann aber gleichzeitig schnellere mRNA-Impfungen für über 60-Jährige fordert, dann hat das eine Unwucht. Wäre hier eine Forderung von Wagenknecht nach Totimpfstoff für alle Bürger nicht stringenter oder ist das ein Denkfehler?

Auf jeden Fall aber mutet es mindestens fahrlässig an, wenn nicht sogar aggressiv spalterisch, dass der polit-mediale Komplex weiter gegen Ungeimpfte hetzt, wo diese in großer Zahl bereit wären, einen solchen Totimpfstoff zu nehmen. Einen Impfstoff, der im Übrigen alles andere ist als ein Exot und weltweit angewandt wird. Wer will es hier einem Ungeimpften verübeln, dass der sich Gedanken darüber macht, warum das Machbare in Europa verweigert wird? Die Skepsis der Ungeimpften basiert auf dem Versagen der Regierungen.

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“.

 
Bild: photocosmos1/Shutterstock
Text: wal

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