In welche Richtung die Impfkampagne in den kommenden Wochen und Monaten laufen wird, und was „Impfmuffeln“ droht, machte jetzt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder deutlich. Er übte sich in Mobbing gegen jemanden, der sich nicht impfen lassen will – im konkreten Fall seinen Stellvertreter und Koalitionspartner Hubert Aiwanger von den Freien Wählern. Dass der sich nicht impfen lassen will, ist dem Bajuwaren-Fürsten ein Dorn im Auge. Söder, dem Kritiker wie Focus-Gründer Helmut Markwort autoritäre Charakterzüge nachsagen, erwartet, dass sich sämtliche Mitglieder seiner Staatsregierung impfen lassen.
Der Chef der Freien Wähler pocht hingegen darauf, dass er sich als erwachsener Mensch selbst entscheiden kann. Und bislang fiel diese Entscheidung bei ihm gegen das Impfen aus. Was durchaus legitim sein sollte in einer Demokratie. Am Dienstag kam es dann allerdings zu einer denkwürdigen Situation – auf einer gemeinsamen Pressekonferenz.
Vor laufenden Kameras forderte der Ministerpräsident seinen Vize auf, seine Haltung zur Impfung zu erklären, wie der BR berichtet: „Vielleicht sagst Du einfach selber was dazu, warum Du Dich nicht impfen lassen willst.“ Der Landesvater wiederholte sodann, dass nun eigentlich die Zeit wäre, „wo wir alle dran sein könnten“. Aber das entscheide natürlich jeder selber.
Aiwanger stellte daraufhin laut BR klar: „Die Entscheidung, ob sich jemand impfen lässt oder nicht, ist eine persönliche Entscheidung. Die nehme ich auch für mich in Anspruch.“ Er habe sich bisher nicht für eine Corona-Impfung entscheiden können. Das bedeute nicht, „dass ich mich generell niemals impfen lassen werde“, erläuterte der Freie-Wähler-Chef. „Ich schaue mir einfach die Entwicklung jetzt in den nächsten Wochen und Monaten an.“
Auf Nachfrage von BR24 legt Aiwanger jetzt nach: „Es gebe viele Menschen, die Angst hätten vor einer Impfung und einer Impf-Pflicht. ‘Um solche Menschen nicht in die Enge zu treiben und um Verschwörungstheorien nicht zu stärken, sollten wir jeden Eindruck eines Drucks auf Menschen bleiben lassen.‘“
Söder, der noch im April 2020 eine generelle Impfpflicht in Deutschland befürwortete und im Januar sagte, Impfen sei eine „Bürgerpflicht“, hatte zuvor alle Zweifel beiseite gewischt. Es gebe einige, die beim Thema Impfen noch „seltsame Gefühle haben“, so der Minister, in einem Ton, als würde er über Menschen mit Defekten sprechen: Die Wirksamkeit der Impfstoffe sei jedoch nachgewiesen, es gehe um „objektive Fakten“ und nicht um Gefühle. Das Impfen, so Söder, sei „die einzige echte Antwort auf Corona“. Jeder, der die Impfung und Masken ablehne, würde riskieren, dass sich die Situation in den nächsten Monaten wieder verschärfe.
Das klingt nach Impf-Totalitarismus. Und vor allem die letzte Aussage macht fassungslos. Denn sie impliziert quasi schon, dass die „Impfmuffel“ zu den Schuldigen erklärt werden, sollte man offiziell wieder eine Verschärfung der Situation ausrufen. Ob sich Söder da verplappert hat? Oder deutet er dieses Szenario absichtlich an, um den Menschen noch mehr Angst zu machen?
Manche Medien griffen das „Framing“ des Ministerpräsidenten nur allzu willig auf. So schreibt etwa „Der Westen“ in einer Überschrift: „Söder stellt Impfverweigerer bloß“.
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Bild: Stefan Brending / Lizenz: Creative Commons CC-BY-SA-3.0 de
Text: br