Von Christian Euler
Kinder und Jugendliche leiden besonders stark unter den Auswirkungen der Coronakrise. Bei vielen jungen Menschen entwickeln sich durch den Lockdown psychische Belastungen, die bis zum Selbstmord führen können.
Jüngsten Daten der US-Gesundheitsbehörde CDC zufolge stiegen die durchschnittlichen wöchentlichen Besuche in der Notaufnahme wegen vermuteter Suizidversuche unter zwölf- bis 17-jährigen Mädchen von Februar 2021 bis März 2021 um alarmierende 50,6 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Im Sommer suchten gut 26 Prozent mehr Mädchen dieser Altersgruppe die Notaufnahme wegen vermuteter Selbstmordversuche auf, so die CDC. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist enorm: Bei Jungen dieser Altersgruppe verzeichneten die Centers for Disease Control and Prevention einen Anstieg der Notaufnahmebesuche von lediglich vier Prozent. Dies deckt sich mit früheren Forschungen, wonach selbstberichtete Suizidversuche bei weiblichen Jugendlichen grundsätzlich höher sind als bei männlichen.
Die Ergebnisse der aktuellen Studie deuten laut CDC jedoch „auf eine schwerwiegendere Notlage bei jungen Frauen während der Pandemie hin als in früheren Berichten“. Die Gedanken an Selbstmord wurden demnach umso intensiver, je länger die Krise und damit die soziale Distanzierung und die Lockdown-Maßnahmen andauerten, vermuten die obersten Gesundheitswächter der USA.
Zunehmender Verdacht auf Kindesmisshandlung
Möglicherweise seien junge Menschen von Corona-Maßnahmen besonders betroffen, so die Forscher. Dazu gehöre unter anderem die fehlende Anbindung an Schulen, Lehrer und Freunde. Weitere Risikofaktoren könnten nach Ansicht der CDC die Zunahme des Drogenmissbrauchs, Ängste um die eigene Gesundheit sowie Sorgen um den wirtschaftlichen Zustand der Familie sein.
Ebenfalls zum Anstieg der Suizidversuche beigetragen haben dürften die gegenüber 2019 deutlich gestiegenen durchschnittlichen Besuchsraten in der Notaufnahme wegen psychischer Probleme und dem Verdacht auf Kindesmisshandlung.
Die Autoren merkten an, dass die Daten die tatsächliche Zahl der vermuteten Selbstmordversuche unterrepräsentieren könnten, da die Amerikaner während der Pandemie zögerten, Krankenhäuser aufzusuchen – aus Angst, sich mit COVID-19 zu infizieren.
Selbstmord ist in den Vereinigten Staaten über alle Bevölkerungsschichten hinweg die zehnthäufigste Todesursache, in der Gruppe der zehn- bis 34-Jährigen sogar die zweithäufigste. Im Jahr 2019 dachten zwölf Millionen amerikanische Erwachsene ernsthaft darüber nach, ihrem Leben ein Ende zu setzen.
Deutlich mehr Notfälle bei Kindern und Jugendlichen auch in Deutschland
3,5 Millionen US-Bürger planten einen Selbstmordversuch und 1,4 Millionen unternahmen einen Selbstmordversuch. 47.500 Menschen haben sich nach Angaben der CDC ihr Leben genommen. Dies entspricht ungefähr einem Todesfall alle elf Minuten.
Auch hierzulande haben Experten festgestellt, dass deutlich mehr Kinder und Jugendliche zur Behandlung in psychiatrische Kliniken kommen. So zeigt eine im Februar veröffentlichte Auswertung der Krankenkasse DAK, dass sich im ersten Halbjahr 2020 die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die wegen Depressionen stationär in Berliner Krankenhäusern behandelt werden mussten, im Vergleich zum selben Vorjahreszeitraum mit einer Steigerung um 84 Prozent nahezu verdoppelte.
Das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim wiederum meldete im Mai deutlich mehr Corona-bedingte Notfälle bei Kindern und Jugendlichen. Diese litten unter anderem unter Depressionen und Selbstmordgedanken. Wie die Einrichtung auf eine Anfrage des Südwestrundfunks mitteilte, seien vor allem zwischen Februar und April mehr Jugendliche mit diesen Symptomen aufgenommen worden als im Vorjahr.
Anmerkung: Wir haben über das Thema Suizid berichtet. Es ist nicht ausgeschlossen, dass depressiv veranlagte Menschen sich nach Berichten dieser Art in der Ansicht bestärkt sehen, dass das Leben wenig Sinn habe. Sollte es Ihnen so ergehen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Hilfe finden Sie bei kostenlosen Hotlines wie 0800-1110111 oder 0800-3344533.
Bild: Kleiton Santos/Pixabay
Text: ce
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