Was für eine juristische Ohrfeige für die Hardliner in Sachen Corona – und die Behörden: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat entscheiden, dass pauschale Isolationsanordnungen für Kontaktpersonen rechtswidrig sind. Genau die waren aber sehr weit verbreitet zu Corona-Hochzeiten. Umso größer ist die Tragweite und Bedeutung des Richterspruchs. Viele, die sich zu Unrecht eingesperrt fühlten in den eigenen vier Wänden, können sich nun bestätigt fühlen.
Das Urteil sei „eine schwere Niederlage für die Pandemiebekämpfungsstrategie der bayerischen Gesundheitsbehörden“, so die Anwaltskanzlei Bögelein-Axmann, die den Richterspruch erstritten hat. „Voreilige Quarantäneanordnungen für ganze Schulklassen, wie sie im Oktober 2020 praktiziert wurden, ohne dass eine konkrete Ermittlung der tatsächlichen Gefahrenlage durch die Gesundheitsämter erfolgte, sind rechtswidrig. Die Infektionsgefahr muss im Einzelfall geprüft werden, ohne Wenn und Aber.“
Der Verwaltungsgerichtshof habe „keine Ausreden gelten“ lassen, so Anwalt Mario Bögelein. „Unsicherheiten bei der Beurteilung eines Gefahrenverdachtes, welche auf Ermittlungsdefizite der Gesundheitsbehörde zurückzuführen sind, gehen zu deren Lasten. Das bedeutet im Klartext: Im Zweifel für die Freiheit und gegen die Quarantäne.“
Hintergrund für das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (Az. 20 B 22.29 und 20 B 22.30) war laut den Anwälten eine Quarantäne-Anordnung für eine ganze Schulklasse aufgrund eines positiv getesteten Schülers im Oktober 2020: „Die beiden gesunden Schüler mussten sich ohne konkreten Ansteckungsverdacht in Quarantäne begeben. Ein ‘Freitesten‘ war nicht möglich.“
Einer der betroffenen Väter wollte das nicht mit sich machen lassen und zog vor das Verwaltungsgericht Augsburg. Die Richter dort stellten sich noch auf die Seite des repressiven Staates: Sowohl im Eilverfahren als auch im Rahmen der folgenden Fortsetzungsfeststellungsklage entschieden sie gegen den Vater bzw. die Schüler. Umso erstaunlicher, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nun die Entscheidungen aus unterer Instanz kippte und die Isolationsanordnungen für rechtswidrig erklärte.
Nach Ansicht von Bögelein ist die Entscheidung nicht nur deshalb wegweisend: „Das Berufungsurteil enthält darüber hinaus eine Vielzahl weiterer wichtiger Feststellungen, die künftige Infektionsschutzmaßnahmen maßgebend prägen sollten.“
So stellen die Richter den Anwälten zufolge fest, dass es sich bei einer Isolationsanordnung um einen erheblichen Eingriff in die Freiheitsgrundrechte handle: „Solche Freiheitseinschränkungen in Form von Isolationsanordnungen gegenüber einzelnen Bürgern lassen sich grundsätzlich nicht mit der allgemeinen Inzidenz in der Bevölkerung eines Landkreises begründen.“
Das Fehlen epidemiologischer Erkenntnisse könne aber nicht zulasten der Grundrechtsträger, also der Bürger, gewertet werden, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung. Gleiches gelte für die allgemein bekannte sehr hohe Arbeitsbelastung der Gesundheitsverwaltung. Unsicherheiten bei der Beurteilung des Gefahrenverdachts (also im konkreten Falle des Ansteckungsverdachts), welche auf Ermittlungsdefizite der Gesundheitsbehörde zurückzuführen seien, gingen zur deren Lasten. Mit anderen Worten: Wenn die Behörden keine genauen Erkenntnisse haben, dürfen sie nicht einfach die Bürger wegsperren.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. „Das Urteil dürfte aber bereits jetzt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Vielzahl von Isolationsanordnungen und gegebenenfalls auch darüber hinaus grundlegende Bedeutung haben“, finden die Anwälte. Sie haben bereits zuvor wegweisende Entscheidungen gegen eine ausufernde Corona-Politik erstritten. So entschied etwa das Bayerische Oberste Landesgericht, dass Maskenatteste auch ohne Untersuchung rechtens seien (siehe hier).
Der Einsatz von Anwälten wie Bögelein und seinen Partnern ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Ebenso die Unabhängigkeit der Richter, die sich trauen, gegen den Zeitgeist und die totalitären Tendenzen in unserem Land zu entscheiden. Leider scheinen solche unabhängigen Richter in der Minderheit zu sein und müssen im schlimmsten Fall schon einmal mit einer Hausdurchsuchung rechnen (siehe hier). Dennoch machen sie in Zeiten, in denen große Teile der Justiz bis hinauf nach Karlsruhe wie gleichgetaktet wirken, Hoffnung, dass der Rechtsstaat noch zu retten bzw. reanimieren ist.
Text: br