Nach Entscheidung gegen Masken in Schulen: Durchsuchungsaktion bei Weimarer Richter "Anfangsverdachts auf Rechtsbeugung"

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Laut und regelmäßig kritisiert die Bundesregierung rechtsstaatliche Defizite in Ländern, denen sie politisch nicht über den Weg traut: Insbesondere in Polen und Ungarn. Der Tenor: Die Unabhängigkeit der Justiz sei dort nicht gewährt, kritische Richter gerieten unter Druck. Umso erstaunlicher ist eine Nachricht, die jetzt aus Weimar kommt. Am Montagmorgen gab es eine groß angelegte Untersuchungsaktion gegen Christian Dettmar, den Richter in Weimar, der eine weit beachtete Entscheidung gegen die Corona-Maßnahmen fällte und in einem konkreten Fall die Pflicht zum Maskentragen und zu Schnelltests in Schulen für rechtswidrig erklärte. Nach Angaben seines Anwalts durchsuchten Ermittler sowohl das Büro des Richters als auch sein Auto und sein Haus. Gegen ihn wird wegen des Anfangsverdachts auf Rechtsbeugung ermittelt. Es bestehe ein Anfangsverdacht, dass sich der Richter einer Beugung des Rechts schuldig gemacht habe, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Erfurt am Montag mitteilte. Sein Handy wurde beschlagnahmt. Kritiker sehen darin einen „Willkürakt“, einen „Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz“ sowie den Versuch, andere kritische Richter einzuschüchtern und zu verängstigen. Die Staatsanwaltschaft sieht indes „Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte willkürlich seine Zuständigkeit angenommen hat, obwohl es sich um eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit handelte, für die ausschließlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist“. In den großen Medien wird über die Ermittlungen berichtet, nicht jedoch über die Durchsuchungs- und Beschlagnahme-Aktion.

Laut Dettmars Anwalt Gerhard Strate wirft die Staatsanwaltschaft dem Richter vor, gegen Paragraf 1666 („Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls“) des Bürgerlichen Gesetzbuchs verstoßen zu haben. Die Vorschriften in Absatz 4 dort besagen aber, dass ein Familiengericht auch bevollmächtigt ist, „auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten“ zur Abwendung von Gefahren für Kinder zu treffen. Richter Dietmar sei davon ausgegangen, dass mit „Dritten“ auch öffentliche Institutionen wie Schulen gemeint seien. Dies sei eine eine „absolut vertretbare Position““, so der Anwalt.

Der Abgeordnete des Berliner Abgeordnetenhauses Marcel Luthe (bis Oktober FDP, jetzt Freie Wähler), kommentierte die Nachricht wie folgt: „Im Gegensatz zu Richtern sind Staatsanwälte nicht Teil der unabhängigen Judikative, sondern der politischen Weisungen unterliegenden Exekutive. Mir will doch niemand aus dem Kabinett von LINKE/SPD/Grüne erzählen, die Maßnahme – ein unfassbarer Angriff auf die richterliche Unabhängigkeit – sei nicht vorher mit der politischen Hausleitung rund um den Grünen Justizminister Adams abgestimmt gewesen? Gibt es da einen Untersuchungsausschuss oder schläft Thüringen?“

Der Richter Dettmar hatte entschieden, dass die Pflicht zum Maskentragen, zum Einhalten von Mindestabständen und zu Schnelltests an Schulen eine Gefahr für das geistige, körperliche oder seelische Wohl des Kindes darstellt. Und zwar so gravierend, dass sich ohne ein Einschreiten eine erhebliche Schädigung von Kindern mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. Der Richter erklärte in seiner Entscheidung: „Eine solche Gefährdung liegt hier vor. Denn die Kinder werden insbesondere durch die Pflicht, während der Schulzeit Gesichtsmasken zu tragen und Abstände untereinander und zu weiteren Personen einzuhalten, in ihrem geistigen, körperlichen und seelischen Wohl nicht nur gefährdet, sondern darüber hinaus schon gegenwärtig geschädigt. Dadurch werden zugleich zahlreiche Rechte der Kinder und ihrer Eltern aus Gesetz, Verfassung und internationalen Konventionen verletzt. Das gilt insbesondere für das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und auf körperliche Unversehrtheit aus Artikel 2 Grundgesetz sowie für das Recht aus Artikel 6 Grundgesetz auf Erziehung und Betreuung durch die Eltern (auch im Hinblick auf Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge und von Kindern zu tragender ‘Gegenstände‘).“ Der gesamte Beschluss (Amtsgericht Weimar, Beschluss vom 08.04.2021, Az.: 9 F 148/21) umfasst 178 Seiten und ist eine Generalabrechnung mit den Corona-Vorschriften an Schulen. Sie finden Details hier.

Während etwa selbst die „Neue Südtiroler Tageszeitung“ aus Italien schnell über das Urteil berichtete, war laut Google zunächst etwa bei den großen öffentlich-rechtlichen Sendern nichts erschienen. Später zogen die großen Medien, wohl notgedrungen, nach. Dabei betrieben sie zum Teil schon in der Überschrift Richterschelte und Framing im Sinne der Regierung. Etwa Focus Online: Dubiose Expertengutachten als Grundlage – Fragwürdiges Urteil: Amtsgericht Weimar untersagt Maskenpflicht und Tests an Schulen. Dieses Schweigen bzw. diese Richterschelte ist für eine demokratische Medienlandschaft überaus bemerkenswert. Auch bei T-Online stand schon in der Überschrift: „Fragwürdige Gutachter-Auswahl“. Weiter hieß es in dem Text: „Corona-Verharmloser sehen darin einen Meilenstein, aber in der Praxis dürfte sich trotz der spektakulär anmutenden Entscheidung nichts ändern.“ Neutral und so, wie es sich journalistisch gehört, berichtete die „Berliner Zeitung“, die als eines der wenigen großen Medien ebenso wie der Nordkurier aus Neubrandenburg immer wieder durch sachliche und kritische Berichte zur Corona-Krise auffällt.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

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Bild: Angel Soler Gollonet/Shutterstock
Text: br

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