Sind die WDR-Chefs Umweltsäue? Und wollen sie das zensieren?

Eigentlich, so sollte man glauben, müssten die öffentlich-rechtlichen Sender, die mit unser aller Gebühren finanziert werden, für Transparenz stehen. Und dafür, dass die Öffentlichkeit und die Gebührenzahler möglichst viel Informationen erhalten. Umso erstaunlicher ist es, wenn sie genau das Gegenteil tun. Und versuchen, Informationen auf eine Art und Weise zu unterdrücken, die fast schon als bedrohlich wahrgenommen wird – und bei der sich die Frage stellt, ob sie versuchen, das Urheberrecht zu missbrauchen.

reitschuster.de-Leser Rufus Buschart hatte im Januar unter Berufung auf das Informationsfreiheits-Gesetz von Nordrhein-Westfalen die folgende Anfrage an den Westdeutschen Rundfunk gestellt: „Bitte teilen Sie mir mit, ob Mitarbeiter des WDR einen PKW zur (teilweisen) privaten Nutzung (sogenannter Firmenwagen oder Dienstwagen) bekommen. Falls ja, übersenden Sie mir bitte alle dazu gültigen Richtlinien und Anweisungen in Ihrem Haus, sowie eine Liste aller zur Verfügung gestellter Modelle inkl. PS Angabe und CO2 Ausstoß.“ Auslöser für die Anfrage war der WDR-Song eines Kinderchors „Meine Oma ist ´ne alte Umweltsau“, der zum Jahreswechsel für Aufregung sorgte. Buschart wollte wissen, ob sich nicht auch beim WDR Umweltsäue verbergen. Weiter schrieb Buschart, dass er die „Auskunft in gemeinnütziger Art der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen“ werde. Die gesamte Anfrage finden Sie hier.

Umso erstaunter war Buschart, als die Antwort kam – wobei ihn die Auskünfte zu den luxuriösen Dienstwagen nicht mehr erstaunten als der Hinweis, dass er diese nicht öffentlich machen dürfe. Faktisch versuchte der WDR, seinem Gebührenzahler einen Maulkorb zu verpassen. Aber der Reihe nach.

Die Nutzung der Dienstwagen sei der Geschäftsleitung vorbehalten, also „dem Intendanten, den Direktor*innen“ (sic!) und der Justiziarin, schrieb der WDR in seiner Antwort.

Sodann werden vier Wagen aufgezählt:

  • BMW 750 Li xDrive, 450 PS, CO2-Emission 192g/km
  • BMW 630 d GT, 265 PS, CO2-Emission 145g/km
  • BMW 530 d xDrive, 185 PS, CO2-Emission 144g/km
  • Audi A6 quattro, 245 PS, CO2-Emission 149g/km

Angesichts solcher PS-Schleudern, die den Eindruck erwecken, die WDR-Leiter würden an Autorennen teilnehmen, kann sich nun jeder selbst die Frage beantworten, wer die wirklichen Umweltsäue sind – die gebührenzahlenden Omas oder die WDR-Chefs.

Interessant ist auch, dass der WDR nur die Fahrzeugtypen aufzähle – aber nicht die Anzahl. Wenn, wie es heißt, „der Intendant, die Direktor*innen“ und die Justiziarin“ einen Dienstwagen haben, liegt der Verdacht nahe, dass es mehr als vier sind: Denn laut WDR-Internetseite gibt es sieben Direktionen (bei denen es übrigens um die heute so viel geforderte „Diversivität“ schlecht bestellt zu sein scheint, aber das ist ein anderes Thema).

„Im übrigen wird der Antrag abgelehnt“, beschied der WDR seinem Gebührenzahler – und ließ eine Ermahnung folgen: Der Sender widerspreche „ausdrücklich jeder wortgetreuen Veröffentlichung dieses Bescheides“ sowie nachfolgender Auskünfte“, insbesondere auf der Internetseite von „fragdenstaat.de “ oder anderen Online-Portalen. Dies gelte, so heißt es in dem Schreiben, auch dann, wenn eine dartige Veröffentlichung dem Willen von Buschart entsprechen sollte.

Wie das? Auf welcher rechtlichen Grundlage? Ist es ein Staatsgeheimnis, welche Auto-Modelle die WDR-Führung auf Kosten der Gebührenzahler fährt? Wo noch nicht einmal angegeben ist, wer welchen Wagen hat? Buschart wollte so einen Maulkorb nicht akzeptieren und legte Widerspruch ein.

Der wurde abgelehnt. Und Buschart erneut zur Verschwiegenheit verpflichtet. In einem gesonderten Schreiben erklärte der WDR ausdrücklich, er untersage seinem Gebührenzahler die Veröffentlichung der Antwort, und zwar mit einer Begründung, die es in sich hat: Bei den Bescheiden, so der WDR, handele es sich um „urheberrechtlich geschützte Schriftwerke im Sinne des § 2 UrhG“. Weiter heißt es, für eine „individuelle Schriftschöpfung“ sei bei „Schriftwerken, die Gebrauchszwecken dienen“, keine „besonderen Anforderungen im Sinne eines deutlichen Überragens des alltäglichen Sprachschaffens zu stellen“. Danach sei es sogar „bei einzelnen Sätzen oder Satzteilen möglich“, dass es sich bei diesem um „Schutzobjekte“ handeln könnte.

Halten Sie sich beim WDR für Dostojewski, und glauben Sie, Ihre juristischen, schwer lesbaren Schriftsätze seien Literatur?

Weiter mahnt der Sender Buschart: Liege ein Werk vor, habe allein dessen Schöpfer, also der WDR, das Recht, zu entscheiden, ob überhaupt und auf welche Weise dieses verwendet werden dürfe.

Es gehe dabei „nicht um Geheimhaltung“, sondern um die Klarstellung, dass Buschart „keinerlei Recht zur Veröffentlichung zustehe“ und der WDR ihn dazu „auch nicht ermächtige“.

Buschart ist entsetzt: „Als Gebührenzahler bin ich da völlig baff. Ich werde unter Druck gesetzt, dass ich diese Information, die jeden angeht, nicht veröffentlichen darf. Das darf doch nicht wahr sein!“Auch ich war völlig baff, als mir Buschart diese Schreiben zeigte. Eine derartige Dreistigkeit hätte ich den Öffentlich-Rechtlichen nicht mal als deren Kritiker zugetraut – und so etwas habe ich auch selten in meinem an Erfahrung reichen Berufsleben gesehen. Wenn dieses Vorgehen Schule machen würde, könnte künftig gar keine Auskunft von öffentlichen Stellen mehr an die Öffentlichkeit kommen – alles wäre ja ein „Werk“ und damit urheberrechtlich geschützt. Behörden-Deutsch und Pflichtauskünfte als Kunst – auf diese Idee muss man erst mal kommen.

Ich formuliere jetzt ganz vorsichtig, weil ich ja bereits von ARD-Chef-Faktenfinder Patrick Gensing verklagt wurde – der in meinen Augen ebenfalls das Urheberrecht in höchst fragwürdiger Weise nutzt, um eine unbequeme Meinung zu unterdrücken (nachzulesen hier): Es drängt sich die Frage auf, ob der WDR das Urheberrecht missbraucht, um unbequeme Informationen zu unterdrücken und einen Fragesteller einzuschüchtern.

Dem WDR scheint jedes Maß und jedes Gefühl der Scham im Umgang mit seinen Gebührenzahlern abhanden gekommen sein. Die Art und Weise, wie hier versucht wird, Informationen zu unterdrücken, zeigt erneut, wie WDR und Co. die eigentlich sehr gute Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geradezu pervertiert haben.


Bilder: Matti Blume/Wikocommons/CC BY-SA 4

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