Von Kai Rebmann
Zugegeben, die Überschrift ist etwas irreführend. Im Folgenden soll es nämlich, anders als womöglich suggeriert, nicht um illegale Preisabsprachen in der Imbissbude gehen. Tatsächlich ist der Sachverhalt nicht nur deutlich komplexer, sondern in seiner Bedeutung für das Sozialsystem der Bundesrepublik Deutschland auch viel weitreichender. Die einen sehen darin ein Netz mit doppeltem Boden, das die Menschen in Deutschland vor absoluter Armut bis hin zur Obdachlosigkeit bewahren soll, die anderen interpretieren es als soziale Hängematte, die Arbeit und Leistung überflüssig macht. Unstrittig ist hingegen, dass eben dieses Sozialsystem, um das uns angeblich die ganze Welt beneidet, einer der größten Pull-Faktoren für die illegale Migration nach Deutschland ist.
Ihnen wird es bestimmt auch schon aufgefallen sein: Seit Jahren sprießen die Döner-Buden überall in Deutschland wie die Pilze aus dem feuchten Waldboden. Nicht selten fahren die Betriebsinhaber luxuriöse Modelle der Oberklasse und stehen mit Designerklamotten in ihren Läden. Hinter vorgehaltener Hand fragen sich Anwohner argwöhnisch, seit wann man in Deutschland mit einem Imbiss, in dem so dekadente Delikatessen wie Döner, Pizza oder Hamburger verkauft werden, so viel Geld machen kann. Nun, das ist relativ einfach, wenn der Gesetzgeber das Tor zum Sozialbetrug einerseits sperrangelweit öffnet und es andererseits mit der Kontrolle nicht allzu genau nimmt, um es ganz vorsichtig auszudrücken. Das galt schon für das bisherige Sozialsystem mit dem Arbeitslosengeld II (Hartz IV) und wird durch das neu geschaffene Bürgergeld, das zum 1. Januar 2023 in Kraft treten wird, noch deutlich lukrativer.
So läuft die Betrugsmasche
Das Döner-Kartell fußt auf dem einfachen Grundsatz, wonach Selbstständige und Arbeitnehmer, die von ihrem Einkommen nicht leben können, durch Sozialleistungen wie das bisherige Hartz IV bzw. das künftige Bürgergeld aufstocken können. Und das geht so: Ein Gastronom, wir wollen ihn im Folgenden Ali nennen, geht aufs Rathaus und meldet ein Gewerbe mit einer Döner-Bude an. Die Bilanz des Unternehmens weist dann regelmäßig ein Nullergebnis oder einen Verlust aus. Sprich, der dem Finanzamt offiziell gemeldete Umsatz deckt im besten Fall gerade einmal Fixkosten wie Miete, Strom und Heizung ab. Zum Leben bleibt Ali nichts, so dass er bei der Arbeitsagentur einen Antrag auf Hartz IV stellt.
Aber Ali hat auch noch viele Bekannte und Verwandte in Deutschland. Einige davon stellt er als Mitarbeiter in seinem Imbiss ein. Da der Laden aber nicht läuft, kann er ihnen – offiziell – nur einen Hungerlohn anbieten, den er ihnen in bar auszahlt. Mit ihren Lohnzetteln bewaffnet, werden die Mitarbeiter von Alis Döner-Bude jetzt ebenfalls bei der Arbeitsagentur vorstellig und stellen ihrerseits Anträge auf Hartz IV bzw. demnächst Bürgergeld. Früher oder später kommt dann der Tag, an dem die Arbeitsagentur ihren Kunden ein aus ihrer Sicht passendes Jobangebot unterbreitet. Um dieses nicht annehmen zu müssen, lässt sich der Arbeitnehmer von seinem Chef Ali entlassen und eröffnet im Nachbarort eine eigene Döner-Bude. Und dann beginnt das ganze Spiel von vorne.
Das ändert sich mit dem Bürgergeld
Bisher war es so, dass Empfänger von Grundsicherung ihre Bemühungen um einen Arbeitsplatz, der ihnen und ihren Familien ein tragfähiges Einkommen sichert, in regelmäßigen Abständen nachweisen mussten. Das gehört mit der Einführung des Bürgergeldes der Vergangenheit an, zumindest vorerst. Ab dem 1. Januar 2023 gewährt die Bundesregierung den Empfängern der neuen Grundsicherung für die Dauer von mindestens sechs Monaten einen „Vertrauensvorschuss“. Während dieser Zeit müssen keinerlei Nachweise erbracht werden, es darf fröhlich die Hand aufgehalten werden.
Doch damit noch nicht genug: Wie es sich für eine rot-grüne Bundesregierung mit vorgeblich liberalen Steigbügelhaltern gehört, werden auch die letzten Anreize aus dem Weg geräumt, die einen auf die Idee bringen könnten, sich um auskömmliche Arbeit zu bemühen. Die Regelsätze für das Bürgergeld werden gegenüber dem bisherigen Hartz IV deutlich angehoben. Der Antragsteller selbst erhält künftig 502 Euro (bisher: 449 Euro) und der Lebenspartner 451 Euro (404 Euro). Für Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren werden 420 Euro (376 Euro) fällig, Kinder im Alter von sechs bis 13 Jahren schlagen mit 348 Euro (311 Euro) zu Buche und für Kinder bis fünf Jahren zahlen die Arbeitsagenturen 318 Euro (285 Euro).
Das Bürgergeld der Ampelkoalition hält aber noch mehr Details bereit, die für angehende Gastronomen mit einer Vorliebe für orientalische Spezialitäten wie ein Märchen aus 1001 Nacht klingen müssen. Innerhalb der ersten zwei Jahre des Bezugs wird nicht geprüft, ob die Kosten für die Mietwohnung angemessen sind. Man kann es ja nicht verantworten, dass Arbeitslose, die sich auf Jobsuche befinden, sich auch noch um ihre Wohnung sorgen müssen, wie ein reichlich naiver Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Begründung dieses Freibriefs ausführte. Und auch beim sogenannten „Hinzuverdienst“ zeigt sich die Bundesregierung äußerst spendabel, womit wir wieder beim Döner-Kartell wären. Einkommen oberhalb der Minijob-Grenze (520 Euro) bis zu 1000 Euro sind beim Bürgergeld in Höhe von bis zu 30 Prozent (Hartz IV: 20 Prozent) anrechnungsfrei.
Behörden winken den Sozialbetrug durch
Auch der MDR hat sich vor einigen Jahren bereits mit dem Sozialbetrug nach dem Modell des Döner-Kartells beschäftigt. Im Rahmen eines Beitrags für das Magazin „exakt – die Story“ recherchierten die Kollegen unter anderem in Dresden. Die dortige Arbeitsagentur habe stichprobenartig Döner-Läden überprüft und dabei eine ganze Reihe von Ungereimtheiten festgestellt. So seien Posten wie „Gemüse“ in den Kassenbüchern erst gar nicht aufgetaucht und nachweisbar erzielte Umsätze nicht bilanziert worden. Auffällig sei zudem gewesen, dass die Abschlüsse immer von denselben privaten Finanzdienstleistern erstellt worden seien.
Der MDR konfrontierte daraufhin unter anderem Kristian Veil von der Landesarbeitsagentur Sachsen-Anhalt/Thüringen mit den Erkenntnissen seiner Recherche. Die Antwort des Beamten lässt tief blicken: „Was wir eben nicht machen können, ist, den Kunden zwingen und zu sagen: Mensch, jetzt hör mal auf, du hast seit drei Jahren keine tragfähige Geschäftsidee, deshalb musst du das Business jetzt beenden. Das können wir nicht machen.“
Diese Aussage lässt nur den Schluss zu, dass die Behörden – seien es nun Finanzämter, Sozialversicherungen oder Arbeitsagenturen – sehr wohl wissen, wie das Döner-Kartell funktioniert. Aber wie so oft in solchen Fällen duckt man sich lieber weg und versteckt sich hinter Verweisen auf Personal- und/oder Zeitnot, anstatt diesen ganz offensichtlich kriminellen Zuständen ein Ende zu bereiten.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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