Rotgrün forever: Die Ampel in perpetuum? Bis endlich alles ruiniert ist

Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Thomas Rießinger

Seit man Julian Reichelt unter ebenso fadenscheinigen wie vorgeschobenen Vorwänden vom Posten des Bild-Chefredakteurs entfernt hat, habe ich keinen Grund mehr, die neu ausgerichtete Zeitung zu beachten. Es gibt Ausnahmen: Wartet man beispielsweise in einem chinesischen Imbiss auf sein Essen, so kann es vorkommen, dass zur Unterhaltung der wartenden Kundschaft eine Bild-Zeitung herumliegt, es muss nicht immer die neueste sein. Und kaum blättert man ein wenig in den Seiten herum, stößt man vielleicht auf die Kolumne „Post von Wagner“, in der Franz Josef Wagner offene Briefe an diesen oder jene veröffentlicht, und das in einer überschaubaren Länge, die zur Wartezeit im chinesischen Imbiss passt.

Vor wenigen Tagen bin ich so auf einen Brief an Christian Lindner gestoßen, in dem Wagner der Frage nachgeht, warum Lindner wohl keine Wahlen mehr gewinnen kann. „Lieber Christian Lindner,“ heißt es da, „warum ist Ihr Typ nicht mehr gefragt? Eine Wahl nach der anderen verlieren Sie – Schleswig-Holstein, NRW, Niedersachsen. Warum können Sie nicht mehr gewinnen? Ich glaube, dass sich das Männerbild in Deutschland verändert hat. Sie sind Porschefahrer, haben eine Rennfahrer-Lizenz, einen Jagdschein, einen Angelschein. Ihre schönste Beschäftigung, sagten Sie, sei, mit der Hand Ihren Porsche zu waschen.“ Ich darf daran erinnern: Die Frage lautete, warum die FDP mit Lindner nur noch wenige Wähler überzeugen kann. Und die Antwort: Weil sich das Männerbild in Deutschland verändert hat. Meint der Autor das ernst? Glaubt er wirklich, die FDP sei in Niedersachen aus dem Landtag geflogen, weil ihr Bundesvorsitzender einen Porsche fährt, den er zu allem Übel mit der Hand wäscht – Grüne müssten Lindner dafür übrigens eine Ehrenmitgliedschaft anbieten, denn das Waschen mit der Hand ist ohne Frage wesentlich umwelt- oder gar klimafreundlicher als der Durchgang durch die Waschanlage. Wäre das Wahlergebnis anders ausgefallen, wenn Lindner mit einem VW Polo durch die Lande zöge oder sich vielleicht den Torturen eines Lastenfahrrades unterwerfen wollte? Und nun gar noch der Jagd- und der Angelschein, die darauf hinweisen, dass jemand tierische Nahrung zu sich nimmt! Es ist klar, mit solchen Leuten kann man Wahlen nur verlieren.

'Freiheitsenergien'

Oder sollte es doch andere Gründe für die Wahlniederlagen geben, die mit Lindners Automarken und Freizeitbeschäftigungen nichts zu tun haben? Könnten die schlechten Ergebnisse vielleicht daran liegen, dass man in der FDP vergessen hat, dass der abkürzende Name für „Freie Demokratische Partei“ steht? Eine Partei, die längst nicht mehr weiß, was Freiheit bedeutet, solange es nicht um die Freiheit ihrer Funktionäre geht, und die es nicht stört, jedes, aber auch jedes liberale Prinzip über Bord zu werfen? „Freiheitsenergien“ – so hat Lindner die sogenannten erneuerbaren Energien bezeichnet, die angeblich einen Beitrag zur Energiesicherheit leisten und das Land von Abhängigkeiten lösen, obwohl wir doch genau auf dem Weg der Energiewende in eben diese Abhängigkeiten geführt worden sind. Und der irrlichternde Karl Lauterbach, im Nebenberuf Minister der Herzen, im Hauptberuf erfolgreicher Pharmareferent, darf unwidersprochen mitteilen, man habe 95 Prozent der neuen Corona-Maßnahmen, die er wollte, beschlossen – mit Zustimmung der FDP, die alles abnickt, was zu ihrem Verbleib in der Regierung beiträgt, sei es auch noch so freiheitsfeindlich. Der schamlose Verkauf freiheitlicher Ideen ist es, der die Wähler in Scharen von der FDP und ihrem Vorsitzenden wegtreibt, und nicht Lindners Fahrgewohnheiten. Man kann zwar mit Recht fragen, warum die Wähler in Niedersachsen genau denen ihre Stimme gegeben haben, die mit Freude und Elan am Weg in den Abgrund arbeiten – aber man sollte sie nicht für so dumm halten, sich dabei an einem neuen „Männerbild“ zu orientieren. Immerhin gibt es hinreichend viele inhaltliche Gründe, die wortbrüchige FDP nicht zu wählen, da braucht man keine herbeiphantasierten Verschleierungsversuche.

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Wagner geht in seinem kurzen Brief aber noch einen Schritt weiter, indem er dem unwählbaren Porschefahrer Lindner eine Alternative vorhält. „Die Wähler wählen einen anderen Mann,“ teilt er seinen Lesern mit. „Er heißt Robert Habeck, er ist ein Philosoph, ein Welterklärer. Er ist so ganz anders als Christian Lindner. Er brettert nicht mit Autos durch die Gegend. Er denkt nach. Er ist ein ganz anderer Mann als Christian Lindner. Ich habe Angst, dass die Ampel platzt. Zu verschieden sind die Menschen in der Ampel.“

Habeck, der Welterklärer

Jetzt wissen wir es genau. Habeck ist natürlich die neue Lichtgestalt, weil er Philosoph und Welterklärer ist. Ja, die Welt erklärt er ganz vorzüglich, wenn er wieder einmal über Themen plaudert, von denen er nicht die leiseste Ahnung hat, es mag sich dabei um die Pendlerpauschale, die Insolvenzproblematik oder auch um die gescheiterte Gasumlage handeln. Ob es eine gute Idee ist, die Bezeichnung als „Philosoph“ als ein unterstützendes Argument zu betrachten, sei dahingestellt; man muss nur einen Blick auf den Deutschen Ethikrat, auf seine Mitglieder und ihre Äußerungen während der sonderbaren Covid-Pandemie werfen, um hier ein wenig misstrauisch zu werden. Habeck allerdings ist im gleichen Sinne Philosoph wie Lindner, beide haben Philosophie mitstudiert, Habeck hat über Literaturwissenschaft promoviert, Lindner hat einen Abschluss in Politikwissenschaft. Es stimmt natürlich, dass Robert Habeck „ein ganz anderer Mann als Christian Lindner“ ist. Wer wäre das nicht außer Christian Lindner? Was damit begründet werden soll, erschließt sich mir nicht. Dass Habeck nachdenkt, will ich nicht bestreiten, doch ich hatte schon einmal erwähnt, dass er allem Anschein nach sehr viel Pech beim Denken hat. Im Übrigen wäre es interessant zu wissen, woher Franz Josef Wagner seine Informationen über Habecks oder auch Lindners Fahrverhalten bezieht.

Und nun hat der Autor auch noch Angst, dass die Ampel platzt. Warum eigentlich? Bereitet es ihm Angst, wenn beispielsweise ein Innenminister im Amt wäre, der sich tatsächlich darum kümmert, die Verfassung zu schützen anstatt sie auszuhöhlen? Fürchtet er sich vor einem Verteidigungsminister, der wenigstens ungefähr weiß, was ein Panzer ist? Bringt ihn der Gedanke um den Nachtschlaf, das Wirtschaftsministerium könnte von jemandem geleitet werden, der sich immerhin ansatzweise vorstellen kann, wie die Wirtschaft funktioniert? Oder versetzt ihn die Vorstellung eines Bundeskanzlers in Panik, der seinen Amtseid nicht vergessen hat und wirklich seine „Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden“ möchte? Da kann er ganz beruhigt sein, derartiges ist nicht einmal bei einem Regierungswechsel zu erwarten. Auch ein eventueller Bundeskanzler Friedrich Merz, der bald die Fähigkeit entwickelt haben dürfte, seine Äußerungen schon zurückzunehmen, bevor er sie überhaupt getätigt hat, widmet seine Kraft nur dem Zeitgeist und nicht etwa „dem Wohle des deutschen Volkes“. Selbst wenn die Ampel platzen sollte, darf man sich weder große Hoffnungen machen, noch muss man sich irgendwelchen Befürchtungen hingeben – das Denken der Ampel bleibt bestehen, bis endlich alles ruiniert ist.

Ich will mich nicht beschweren: Der Brief an Christian Lindner hat dazu beigetragen, die kurze Wartezeit auf mein Essen unterhaltsam zu gestalten. Und wie zu erwarten, war das Essen von deutlich höherer Qualität als der Brief.

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.

Bild: IMAGO / photothek

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