Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?
Mit diesen Worten reagierte der kommunistische Schriftsteller auf den Volksaufstand in der DDR.
Und bevor jetzt irgend welche rotgrünen Leser hyperventilieren: Ich setze gar nichts gleich. Die Aussage von Brecht war nur mein erster Gedanke, als ich heute folgende Schlagzeile bei FOL las: „SPD-Politikerin: ‘Die Zeit ist reif für ein Verbot der AfD‘“.
Geht’s noch? Millionen Wählern soll die Partei genommen werden, für die sie stimmen, weil sie Sozialdemokraten nicht passt? Weil in Niedersachsen zu viele „böse“ Wähler die „böse“ Partei gewählt haben?
Weiter heißt es in dem Artikel: „Thüringens SPD-Innenpolitikerin Dorothea Marx hat sich für ein härteres staatliches Vorgehen gegenüber der AfD ausgesprochen. ‘Die Zeit ist reif für ein Verbot der AfD – vor allem beim Thüringer Landesverband‘, sagte Marx der Deutschen Presse-Agentur“, also dem inoffiziellen Verlautbarungsorgan der Bundesregierung. Weiter steht da: „Nachdem zahlreiche Parteigliederungen der AfD durch deutsche Verfassungsschutzbehörden beobachtet werden, sei es nur folgerichtig, wenn der Staat weitere Maßnahmen gegen die AfD ergreife und sie nicht länger mit staatlichen Geldern ausstatte.“
Merkwürdig, dass von Marx (der Nachname passt) keine solchen Forderungen in Sachen Linkspartei zu hören ist. Von der werden mehrere Gruppen vom Verfassungsschutz als linksextrem eingestuft. Ein Mitglied einer solchen linksextremen Gruppe wurde sogar in Mecklenburg-Vorpommern Verfassungsrichterin (sie ging mit Merkel auf die gleiche Schule, in einem benachbarten Jahrgang).
Unterstützung bekam Marx mit ihrer demokratiefeindlichen und in meinen Augen radikalen Forderung ausgerechnet von der Thüringer Linken-Politikerin Katharina König-Preuss, die selbst in Antifa-Zusammenhänge verstrickt ist, wie JF berichtet.
Demokratie-Feinde im Schafspelz der Demokraten unter sich?
Stramm mitmarschierende Richter
Der Vorschlag ist ebenso absurd wie unrealistisch und linkspopulistisch. Einzig und allein das Bundesverfassungsgericht darf Parteien verbieten. Das ist zwar unter Angela Merkel strikt gleichgetaktet worden. Doch so ein Schritt wäre selbst für das stramm mit Berlin mitmarschierende Karlsruher Gericht gewagt. Selbst ein beantragtes Verbot der NPD wies das Gericht zweimal zurück. Einmal konnte Karlsruhe nicht klären, wie massiv der Einfluss staatlicher V-Männer in der Partei war. Beim zweiten Mal kamen die Richter zu dem Schluss, der Einfluss der Partei sei zu gering.
Besonders bizarr: Fast zeitgleich mit der Verbots-Forderung kam die Nachricht von einem Teilerfolg der hessischen AfD: „Der Verfassungsschutz schränkt die erst vor kurzem angekündigte Beobachtung ein, wenn auch nur vorläufig. Die Behörde und das Innenministerium löschten außerdem eine Mitteilung auf ihren Onlineseiten“, wie der Hessische Rundfunk mitteilte: „Die Klagen hat die hessische AfD erhoben, nachdem das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Anfang September öffentlich angekündigt hatte: Es nehme die nachrichtliche Beobachtung der Partei auf.“
Fast zeitgleich erschien auch ein Beitrag in der „Welt“, in dem der frühere „Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust schreibt: „Eine der wirklich nachträglichen Leistungen Merkels ist, dass durch sie eine rechte Partei in den Bundestag eingezogen ist.“ Merkel habe den Namen der Partei „eigentlich erfunden“.
Ultrakurzgeschichte der AfD
Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz schreibt auf Twitter: „Ultrakurzgeschichte der AfD: Gegründet für die durch Merkels Entkernung der CDU heimatlos gewordenen Konservativen, hat sie rasch einen braunen Rand bekommen, der sich so tief in die Partei hineingefressen hat, dass sie gerade für Konservative unwählbar wurde.“
Ganz gleich, wie man zur AfD steht (ich als Journalist stehe ihr distanziert gegenüber, und bin überzeugt, dass muss ein Journalist mit jeder Partei so halten): Die Verbotsforderung ist ein Unding, und es ist schockierend, dass sie keine entsprechend heftigen Reaktionen hervorruft. Sie bezeugt einen massiven Denkfehler und ein Demokratie-Defizit von Teilen unseres polit-medialen Komplexes: Sie verstehen nicht, dass der Erfolg der AfD im Wesentlichen darauf beruht, dass sie die Themen offen anspricht, die andere Parteien tabuisieren (inklusive der sich aus Angst vor dem Zeitgeist selbst kastrierenden Union und FDP). Würden sie das verstehen, würden sie diese Themen selbst ansprechen, wie es etwa sehr erfolgreich die dänischen Sozialdemokraten machen.
Sie verstehen auch nicht, dass es eine Wechselwirkung gibt: Je heftiger und fanatischer sie die für sie heiklen Themen tabuisieren, umso größer wird der Erfolg für sie werden.
Irgendwann bleibt dann nur noch die Auflösung des Volkes im Brechtschen Sinne.
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Bild: Corinna Haselmayer/Shutterstock