„Die Vertreibung des Boris Reitschuster“ Ein Gastbeitrag des Geschäftsführers der "Achse des Guten"

Dirk Maxeiner, geschätzter Kollege und Geschäftsführer der Achse des Guten, hat gestern einen Artikel über mich veröffentlicht (siehe unten), der mich in mehrfacher Hinsicht bewegt hat. Zum einen, weil er gelebte Solidarität ist. Während einen auch manche regierungskritische Kollegen anfeinden oder gar diffamieren, sind Maxeiner und die Achse immer ein Musterbeispiel für journalistischen Zusammenhalt. Das wiegt schwer in diesen Zeiten. Zum anderen hat mich auch sehr gerührt, was Maxeiner über mich schreibt. In einem Telefonat hatte er zudem die spontane Idee, ich sollte für seinen Verlag, also die Achse, ein Buch schreiben über das, was ich erlebt habe und erlebe. Arbeitstitel: „Meine Vertreibung“. Mit vielen Details, auch zur Bundespressekonferenz, die bisher nicht bekannt sind. Was halten Sie davon? Ich müsste dafür eine Weile mit meiner Seite kürzer treten. Wäre das okay für Sie?

Inzwischen gibt es, zehn Tage nach einer Anfrage, eine offizielle Antwort der Augsburger Polizei zu den Nachforschungen nach mir bei meiner Familie, über die auch Maxeiner berichtet. Und fast zeitgleich gibt es neue Nachforschungen, diesmal in Berlin. Es ist wie bei Kafka: Ich weiß nicht, was mir vorgeworfen wird, und kann es mir beim besten Wissen nicht vorstellen. Und auch die Polizei, die nachforscht, weiß es offenbar nicht. Zumindest sagt sie das. Details werde ich in Kürze exklusiv in meinem Wochenbriefing schildern, das Sie hier kostenlos und jederzeit widerrufbar bestellen können. Aber nun der Beitrag von Dirk Maxeiner:

Vor ein paar Wochen saßen wir bei herrlichem Sonnenschein auf meiner Terrasse in Augsburg. Ich wohne in Augsburg, Boris Reitschuster stammt aus Augsburg. Eltern und Verwandte leben hier; er ist eine treue Seele und kommt gerne in seine alte Heimat zu Besuch, manchmal verbindet er es mit einem Auftritt oder einem Vortrag in der Gegend. Mit letzterem gibt es immer häufiger Ärger. So erzählt er mir von einem geplanten Streitgespräch in den Räumen der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung in München. Die CSU versuche das zu verhindern. Motto: Keine Bühne für Reitschuster.

Reitschuster wurde in den letzten Jahren zu einem der bekanntesten Journalisten in Deutschland. Und das im Selfmade-Verfahren jenseits der etablierten Platzhirsche. Seine Seite reitschuster.de und seine Videos und Live-Streams von Corona-Demonstrationen und der Bundespressekonferenz haben Kultstatus. Reitschuster tut das, was andere längst nicht mehr tun: kritisch berichten, da, wo es besonders weh tut oder da, wo die Anderen absichtlich wegschauen. Entsprechend sind seine Reichweiten, Reitschuster erreicht Millionen Menschen. Und das mit geringsten Mitteln, der Mann fuhr mit dem Fahrrad zum Lifestream oder zur Bundespressekonferenz.

Der Zuschauer sitzt gewissermaßen auf dem Gepäckträger, es wackelt und es wird improvisiert. Wahrscheinlich ist genau das der Charme von Reitschusters Berichterstattung. Er brennt für sein Thema, man glaubt ihm. Und das nehmen die mit den Massagesitzen im Audi A8 übel, sehr übel. Ganz abgesehen von denen, die es gewohnt sind, kritische Berichterstattung auf dem kleinen Dienstweg abzubiegen. Meist ist das aber gar nicht erforderlich, der mediale Furor richtet sich nur noch in Ausnahmefällen auf die herrschende Klasse, stattdessen belegen die einstigen Sturmgeschütze der Demokratie Leute wie Reitschuster mit Dauerfeuer. Und die neuen Feindbilder wissen oft gar nicht, wie ihnen geschieht. Reitschuster sagt häufig und nachdenklich den Satz: „Ich wüsste gerne mal, was ich eigentlich verbrochen habe.“

Große Apparate mögen solche Menschen nicht

Als ich ihn das erste Mal traf, war er gerade aus Moskau zurückgekehrt, wo er als Korrespondent des Focus hervorragende Arbeit geleistet und sich – was sonst – unbeliebt gemacht hatte. Die Klaviatur der Schikanen eines autoritären Regimes gegen Journalisten, Informanten und Dissidenten konnte er mir aufs Anchaulichste erläutern. Reitschuster ist ein jungenhafter Typ. Er erinnert mich in seinem Gerechtigkeitssinn an einen ehemaligen Schulkameraden, der wegen seiner jugendlichen Aufmüpfigkeit immer wieder schlechtere Noten riskierte. Eigentlich war mein damaliger Kumpel Klassenbester, aber nur eigentlich. Als besonders begabtes Exemplar machte er aber trotzdem ein ganz gutes Abi. Es wurde ihm nicht geschenkt, er hatte es ertrotzt. Große Apparate mögen solche Menschen nicht. Und Minderbegabte mögen solche Menschen auch nicht.

Nach seiner Rückkehr aus Moskau spürte Reitschuster durchaus schon den in der Merkel-Zeit immer enger werdenden Korridor für das, was man in Deutschland sagen durfte und was nicht. Im Gespräch blitzte aber noch deutlich die Hoffnung auf, dass man dagegen etwas tun könnte. Inzwischen wirkt er wie Sisyphos, der allmählich müde ist, den Stein täglich aufs Neue den Berg hinaufzurollen. Kaum ist die eine Schikane gegen ihn halbwegs unter Kontrolle, kommt die nächste ums Eck. Aktuell hat die nunmehr vierte Bank ihm das Konto gekündigt, offenbar auf politischen Druck hin.

Man lässt schlicht nichts unversucht, um Boris Reitschuster aus dem Kreis der tolerierbaren Meinungsbildner auszuschließen und ihn wirtschaftlich zu vernichten. Besonders übelgenommen hat man ihm seine Corona-Berichterstattung. Er verbreite „Verschwörungstheorien“, hieß es. Inzwischen haben sich diese Theorien allerdings zum größten Teil als zutreffende Beschreibungen der Wirklichkeit erwiesen. Und es wird noch viel mehr herauskommen.

Reitschuster ist an die offiziellen Corona-Verlautbarungen und die darauf basierende Berichterstattung von Anfang an mit der gebotenen Skepsis herangegangen. Zur Belohnung wurden seine YouTube- und Facebook-Kanäle immer wieder gesperrt, sein LinkedIn-Account gelöscht. Merkwürdige und nie erklärte Nachstellungen der Polizei häuften sich, bei Ein- und Ausreisen wurde er abgesondert, gegen Anschläge auf ihn nicht ernsthaft ermittelt. PayPal kündigte ihm das Konto, dieser Tage wurde die Polizei auch noch bei engen Verwandten in Augsburg vorstellig und fragte sie nach ihm aus – ohne Angabe des Anlasses. Ich kann das hier gar nicht alles im Einzelnen aufzählen, lesen Sie Reitschusters entsprechende Memoiren hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier – und das ist noch nicht alles. Reitschuster: „Bei so viel Schikanen vergisst man schnell mal eine!“

Das Ganze wirkt wie aus Erich Mielkes Zersetzungsrichtlinie und ist in vielfacher Hinsicht ein Armutszeugnis für dieses Land.

In der intellektuellen Gruft namens Bundespressekonferenz

Reitschuster ist ein Einzelkämpfer, der durch so etwas naturgemäß besonders verwundbar ist. Immer neue Schikanen bedingen immer neue Abwehrmaßnahmen. Das bindet Zeit, kostet Nerven und Geld und hält die Betroffenen von ihrer eigentlichen Aufgabe, der Berichterstattung, ab.

Und so warf man Reitschuster mit fadenscheinigen Begründungen auch noch aus der Bundespressekonferenz hinaus, was einem Arbeitsverbot gleichkommt. Hier ein selbstentlarvender Beitrag der Süddeutschen Zeitung dazu. Ausgerechnet den Mann also, der dieser sklerotischen Veranstaltung wieder Aufmerksamkeit bescherte. Ganz nebenbei bemerkt: Auch einer der profiliertesten deutschen Publizisten, Henryk M. Broder, wurde nicht in die Bundespressekonferenz aufgenommen, weil, so die hanebüchene Begründung, er irgendwie kein professioneller Journalist sei und seinen Lebensunterhalt nicht damit bestreite. Auch junge Nachwuchsjournalisten aus der Redaktion von Roland Tichy sollen mit durchsichtigen Manövern aus der Bundespressekonferenz draußen gehalten worden sein. Man will offenbar in der intellektuellen Gruft namens Bundespressekonferenz unter sich bleiben.

Die offizielle Begründung für Reitschusters Rausschmiss lautet übrigens, dass er seinen Wohnsitz in Montenegro genommen habe. So funktioniert das inzwischen in Deutschland: Erst schikaniert man einen Journalisten in diesem Land, bis er sich nicht mehr sicher fühlt. Reitschusters Familie – seine Frau ist russische Jüdin, und er hat zwei Töchter – wurde immer öfter in Sippenhaft genommen. Reitschuster beschloss den Wegzug aus Deutschland, um seine Familie zu schützen. Und dann wirft man ihn aus der Bundespressekonferenz, weil er nicht mehr hier wohnt, so als gäbe es kein Internet und keine Flugzeuge.

DAVID

Reitschuster und seine kleine Familie sind Vertriebene. Und sie sind, so befürchte ich, erst der Anfang. Reitschuster hat lediglich besonders schnell darauf reagiert, wie der Hase inzwischen läuft. Was ist das für ein Land, in dem kritisches Talent vertrieben wird, wobei die mittelmäßigen Lokalmatadore auch noch hinterherfeixen? Kommt mir irgendwie bekannt vor. Kein einziger Journalist aus dem Establishment und kein einziges großes Medium sprang Boris Reitschuster zur Seite. Einzig sein einstiger Mentor, der Focus-Gründer Helmut Markwort lieferte ihm ein positives Testimonial. Den anderen fehlt entweder die Courage oder der Wille. Und vor allem das Gespür dafür, dass es hier um mehr als Reitschuster geht. Was für ein Armutszeugnis.

Lieber Boris Reitschuster, es ist ein schwacher Trost, aber es wird sich erneut beweisen: Länder, die kritische Geister vertreiben, haben selten ein gutes Ende genommen. Machen Sie weiter, Sie sind jung genug.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf achgut.com

Hier die Vorgeschichte im Video:

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Dirk Maxeiner, geboren 1953, war Redakteur beim „Stern“. Anschließend bis 1993 Chefredakteur der Zeitschrift natur – der zu dieser Zeit größten europäischen Umweltzeitschrift. Seit 1993 arbeitet Maxeiner als freier Autor. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher, darunter Bestseller wie „Ökooptimismus“, „Lexikon der Öko-Irrtümer“ und „Hurra wir retten die Welt“. Maxeiner schreibt Kommentare und Essays für Magazine und Zeitschriften (unter anderem in DIE WELT). Er ist einer der Gründungs-Herausgeber von achgut.com. Dieser Beitrag erschien zuerst dort. Die Achse des Guten zeigte bisher immer, wenn ich angegriffen wurde, vorbildliche Solidarität.

Bild: Boris Reitschuster
Text: Gast

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